# taz.de -- Blogosphäre zum Piraten-Erfolg: Mal gucken, was da noch kommt
       
       > Die Blogosphäre gratuliert der Piratenpartei zum Einzug ins
       > Abgeordnetenhaus. Gehofft wird, dass Netzpolitik auch in den anderen
       > Parteien jetzt ernster genommen wird.
       
 (IMG) Bild: Totenkopfflagge am Außenfenster - obwohl: die Blogger hängen ihr Fähnchen nicht gerade unkritisch in den Wind des Piratenerfolgs.
       
       Um die neun Prozent: damit hatte kaum jemand gerechnet, nicht einmal die
       Optimisten. „Isch werd verrückt“ twitterte der Listenerste Andreas Baum,
       und Fabio Reinhardt, Listenplatz 9, nahm es herzlich selbstironisch:
       „Herzlichen Glückwunsch Berlin, du hast grad deine Arbeitslosenstatistik um
       ein paar Punkte nach unten korrigiert!“ Überhaupt herrscht unter den
       Neumitgliedern des Abgeordnetenhauses beste Stimmung, gepaart mit leisem
       Staunen über so viel Erfolg.
       
       Die Piraten haben die letzten Jahre nicht nur Zuspruch aus der Blogosphäre
       erhalten. Doch gerade vor dieser Wahl hatten sich einige reichweitenstarke
       Blogger zur Piratenpartei bekannt, darunter [1][Malte Welding], [2][Johnny
       Haeusler], [3][Jörg Kantel] und [4][Felix Schwenzel]. Wie die meisten
       anderen Piratenunterstützer betonten deren Artikel gleich zu Beginn die
       Unwählbarkeit aller anderen Parteien und bekundeten, den Piraten deswegen
       zumindest eine Chance geben zu wollen, weil man sich neue Impulse erhoffe.
       Das „Pro“ in „Protestwahl“ könne man, so Haeusler, „einfach weglassen“.
       Eine Testwahl also. Mal gucken, was da noch kommt.
       
       Das haben sich wohl Wählerinnen und Wähler aus allen linken Parteien
       gedacht, die sich diesmal für die Piraten entschieden haben. Die Partei hat
       ein Milieu angesprochen, dass sich bisher unterrepräsentiert sah, sich aber
       auch als Speerspitze und Avantgarde versteht. Die Piratenpartei selbst hat
       immer wieder gerne betont, dass sie das Rechts-Links-Schema als veraltet
       ansieht und selbst postideologisch und pragmatisch nach konkreten Lösungen
       für bestimmte Probleme sucht: deswegen nennt Blogger [5][Felix Neumann] sie
       die „radikalen Zentristen“.
       
       ## „Abstruse Konzepte“
       
       Was aber hat das mit Berlin zu tun? Auf welche Probleme haben die Piraten
       konkrete Lösungen? Was wird man von ihnen erwarten dürfen? Auf konkrete
       Vorschläge, sagt der Sozialdemokrat [6][Nico Lumma], verlasse er sich
       jedenfalls nicht: Was die tägliche, mühsame Arbeit im Parlament angehe,
       befürchtet er, dass „die Piraten jetzt Schwierigkeiten haben werden, zu
       liefern“. Bisher seien sie vor allem durch „abstruse Konzepte“ aufgefallen,
       ein Vorwurf, den man positiver formuliert immer wieder gehört hat im
       Vorfeld dieser Wahl.
       
       So hatte Bloggerin [7][das Nuf] bei der Lektüre des Wahlprogramms zwar gute
       Ansätze und Ideen entdeckt, aber keine Wege, wie sie zu erreichen seien.
       Bei jedem Punkt sei es ihr so ergangen: „Lesen, romantisch finden,
       vergeblich nach Umsetzbarkeit suchen.“
       
       Der Journalist und Politikberater Michael Spreng hat schon vor der Wahl auf
       das spezifische Berliner Milieu hingewiesen, das den Erfolg erklärbar aber
       eben auch nicht übertragbar macht: Berlin, das ist die Stadt der „Irgendwas
       mit Medien“-Leute, die für zu wenig Geld in prekären Arbeitsverhältnissen
       leben – sich selbst aber als Zukunft begreifen. Klarer als [8][sushee] hat
       das bisher niemand formuliert. Auf die Frage, warum sie die Piraten gewählt
       habe, antwortet sie unter anderem: „Weil ich immer weiter in der Zukunft
       lebe und der Rest des Landes einfach schwerstens hinterher hinkt.“
       
       ## Wer arrangiert sich zuerst?
       
       Was nicht heißt, dass es notwendigerweise die Piraten sind, die die Zukunft
       gestalten sollen. Diese Wahl hat trotz der besonderen Situation an der
       Spree eine Ausstrahlung: Bisher hatten versierte Netzpolitiker in den
       etablierten Parteien einen schweren Stand. Wenn es nach Blogger [9][Marcel
       Weiss] geht, könnte sich das jetzt ändern. Er hofft auf die
       parteiübergreifende Erkenntnis, „dass das Internet und dessen Auswirkungen
       ernst zu nehmen sind und es nicht reicht, von ‚rechtsfreien Räumen‘ etc. zu
       reden.“
       
       Zugespitzt lautet die Frage also: Wer wird sich schneller arrangieren, die
       Piraten mit der Abgeordneten- und Parteiarbeit, oder die Etablierten mit
       dem Netz? Bis es darauf eine belastbare Antwort gibt, kann man sich die
       Zeit mit ein wenig [10][Leitartikel-Bingo] vertreiben.
       
       19 Sep 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.malte-welding.com/2011/09/09/wahlerverdrossenheit/
 (DIR) [2] http://www.spreeblick.com/2011/09/14/meine-wahl-fur-berlin/
 (DIR) [3] http://www.schockwellenreiter.de/blog/2011/09/17/wahl-in-berlin/
 (DIR) [4] http://wirres.net/article/articleview/5921/1/6/
 (DIR) [5] http://fxneumann.de/2009/09/05/piraten-als-radikale-zentristen
 (DIR) [6] http://lumma.de/2011/09/18/piraten-im-berliner-parlament-was-nun/
 (DIR) [7] http://dasnuf.de/leben-neben-dem-leben/wahlen-oder-nicht-wahlen-zumindest-ist-das-nicht-die-frage/
 (DIR) [8] http://sushee.posterous.com/70991437
 (DIR) [9] http://www.neunetz.com/2011/09/18/berliner-piratenergebnis-ist-ein-geschenk-an-alle-deutschen-netzpolitiker/
 (DIR) [10] http://bit.ly/nmbzbo
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frédéric Valin
       
       ## TAGS
       
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