# taz.de -- Peter Altmaier über Netzpolitik: "Das wird zur Überlebensfrage"
       
       > Mit Twitter konnte der CDU-Politiker Peter Altmaier bis vor kurzem nichts
       > anfangen. Doch nach dem Wahlerfolg der Piraten in Berlin wurde der
       > Politiker neugierig.
       
 (IMG) Bild: Wird Twitter bald ein klassische Arbeitsinstrument für Politiker?
       
       Sie haben rund um die Uhr zu tun. Wann ist noch Zeit für Twitter? 
       
       Peter Altmaier: Anfangs war es ein großer Zeitaufwand, weil es für mich
       ungewohnt war. Inzwischen lässt es sich locker in den Tagesablauf
       integrieren. Ich twittere meistens, wenn Leerlauf ist: Zum Beispiel wenn
       ich aufs Flugzeug oder die Bahn warte, bisweilen auch in einer langweiligen
       Sitzung.
       
       Welche Vorteile ziehen Sie für sich als Politiker daraus? 
       
       Es ist eine zusätzliche Erkenntnisquelle, man erfährt vieles schneller und
       präziser, zum Beispiel was andere Kollegen sagen. Außerdem kann man auch
       unterwegs mit Hunderten oder sogar Tausenden Menschen in Verbindung
       bleiben.
       
       Wie tauschen Sie sich denn mit dem normalen Wahlvolk aus? 
       
       Wenn ich im Wahlkreis Bürger traditionell anspreche, habe ich eine
       Zielgruppe von 300.000 Personen, von denen sich aber nur wenige wirklich
       für Politik interessieren und noch weniger für die Themen, die mich gerade
       bewegen. Wenn Sie sich auf Twitter betätigen, haben Sie ein paar hundert
       oder tausend Follower, die Ihnen folgen, weil sie sich für Ihre Äußerungen
       interessieren. Sie erreichen also mehr tatsächlich Interessierte.
       
       Müsste dann nicht jeder Volksvertreter twittern oder Facebook nutzen? 
       
       Bereits jetzt twittern mehrere hundert Mitglieder des Bundestags – in
       unterschiedlicher Intensität. Die Entwicklung ist im vollen Gange. Ich gehe
       davon aus, dass Twitter in den nächsten Monaten und Jahren zu einem
       klassischen Arbeitsinstrument für Politiker wird, wie dies vor einigen
       Jahren mit dem Fax und der E-Mail geschehen ist.
       
       Auf Twitter kann man schön zuspitzen, aber kaum debattieren... 
       
       Twitter bietet 140 Zeichen – das ist so viel, wie sie für einen O-Ton im
       Fernsehen haben. Damit können Sie eine Position markieren, aber nicht
       differenziert argumentieren. Deshalb werde ich bis zum Ende dieses Jahres
       auf meiner Homepage eine Blogfunktion einrichten, die es ermöglicht,
       intensivere Debatten zu führen.
       
       Warum ist Ihnen das Thema so wichtig? 
       
       Ich halte den Erwerb von Netzkompetenz mittelfristig für eine
       Überlebensfrage – für alle Parteien. Das Mitwirkungsrecht des Bürgers war
       früher darauf beschränkt, alle vier Jahre zur Wahl zu gehen oder Mitglied
       einer Partei zu werden. Heute kann er sich permanent an politischer
       Kommunikation beteiligen. Die Strukturen sind dabei, sich herauszubilden,
       das Netz übt noch. Aber wir werden erleben, dass solch eine Meinungsbildung
       in Zukunft nicht mehr unbemerkt bleibt.
       
       Die Netzpolitik ist bei der CDU allerdings noch nicht besonders sichtbar.
       Wie kann sich die Partei besser aufstellen? 
       
       Das ist bei SPD und FDP auch so. Das Internet wurde lange wahrgenommen,
       aber man hat das in ihm steckende Potenzial nur unzureichend erkannt. Das
       hängt auch damit zusammen, dass sich die netzpolitisch Interessierten
       überproportional bei der Piratenpartei gefunden haben.
       
       In der Union gibt es einige Politiker, die sich mit ihren Positionen zur
       Inneren Sicherheit keine Freunde in der Netzgemeinde machen. Wie wollen Sie
       diesen Widerspruch auflösen? 
       
       Wir müssen auf die Netzgemeinde zugehen, aber nicht indem wir das Thema
       Innere Sicherheit abwerten. Innere Sicherheit ist die Kernkompetenz der
       Union. Wenn es uns gelingt, beispielsweise beim Datenschutz zu punkten,
       werden wir eine viel höhere Glaubwürdigkeit bei allen anderen
       netzpolitischen Themen haben.
       
       Tut die Piratenpartei der CDU weh? 
       
       Diese neue Partei ist in einer Phase der Selbstfindung. Sie stellt ein
       ungeheures demokratisches Experiment dar, dessen Ergebnis wir weder kennen
       noch abschätzen können. Im Augenblick tut sie vor allem den Grünen und der
       SPD weh. Ich warne allerdings davor, das Phänomen Piraten nur unter
       wahltaktischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Das würde übersehen, dass wir
       es mit möglicherweise mit einer Verschiebung der politischen Tektonik zu
       tun haben, die weit über die nächsten Wahlen hinausgeht.
       
       INTERVIEW: Christof Kerkmann, dpa.
       
       29 Dec 2011
       
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