# taz.de -- Sind die Piraten die neuen Grünen?: Mein Porno gehört mir
       
       > Die Parallelen zwischen den Grünen und den Piraten sind auffällig. Je
       > genauer man hinschaut, desto klarer werden aber auch die Differenzen.
       
 (IMG) Bild: Martin Delius (r) und Christopher Lauer von der Piratenpartei geben im Abgeordnetenhaus in Berlin eine Pressekonferenz.
       
       BERLIN taz | Man könnte es so sehen: die Grünen haben als Partei des
       Wutbürgers ausgedient, nun kommt eine neue Bürgerrechtsbewegung zum Zuge.
       Man könnte es auch so sehen: die Piratenpartei ist eine Partei, in der sich
       politische Neulinge, Wirrköpfe, ehemalige FDP-Mitglieder, Maskulinisten und
       Leute, die Kontakte zur Neuen Rechten pflegen, tummeln, und die nicht weiß,
       wie ihre Politik aussehen soll. An beiden Aussagen ist etwas dran.
       
       Die Piratenpartei hat in den wenigen Jahren ihrer Existenz dazugelernt, sie
       ist keine Ein-Themen-Partei mehr. Sie steht für Transparenz in den
       Behörden, für Veränderungen im Personennahverkehr, für freien Zugang zur
       Bildung und für religiöse Freiheit in einem säkularen Staat.
       
       Auch hat sie sich von ihren ehemaligen Bundesvorsitzenden, Jens
       Seipenbusch, getrennt, der nichts dabei fand, dem stramm rechten
       Wochenblatt Junge Freiheit gleich mehrfach Rede und Antwort zu stehen.
       Sebastian Nerz, der Nachfolger, ist da vorsichtiger. Doch auch er tritt
       eher konservativ auf. Er meint, man verdanke dem Internet eine neue
       Demokratieform. "Erstmalig hat damit der kleine Mann von der Straße die
       Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern - und gehört zu werden!"
       
       Dass das Demonstrationsrecht diese Möglichkeit schon vorher bot, ficht ihn
       nicht an. Dass es nur der "kleine Mann" ist, der sich äußern kann, liegt
       daran, dass das postfeministische Profil, mit dem die Piratenpartei sich
       schmückt, dem präfeministischen Profil der CSU der siebziger Jahre ziemlich
       ähnelt. Der Nerd ist nicht eben für seine politisch korrekte Haltung
       bekannt - im Gegenteil, das Konzept, das zuallererst die Gleichberechtigung
       aller Menschen zum Ziel hat, ist vielen Piraten nichts anderes als fiese
       Zensur. Ihr Motto: mein Porno gehört mir.
       
       ## 
       
       ## Auf scharfe Kritik folgt Trotz
       
       Auch ist die Piratenpartei stets beleidigt - kritische Fragen beantwortet
       sie mit Häme, scharfe Kritik mit Trotz. Zu Fragen der Ökonomie hat sie
       keine dezidierte Meinung. Daher will sie auch zwischen rechts und links
       pendeln, mal das bedingungslose Grundeinkommen einfordern - wie in Berlin
       -, mal will sie dies keinesfalls. In der Piratenpartei sprechen viele
       Stimmen, und sie sprechen durcheinander.
       
       Gerade das ist aber ihr Vorteil. Die Wählerinnen und Wähler, die sich für
       die Piratenpartei entschieden haben, wissen durchaus, dass
       Maximalforderungen schwer bis gar nicht umsetzbar sind. Dennoch wählen sie
       Piraten, erfreut darüber, dass jemand Maximalforderungen ausspricht. Und
       vielleicht im Abgeordnetenhaus weiterhin aussprechen wird.
       
       ## Nicht nur eine Partei der Jugend
       
       Die Piratenpartei wurde auch nicht unbedingt aus politischen, sondern
       ästhetischen Gründen gewählt. Als ich vor kurzem den 89-jährigen
       Schriftsteller Rudolf Lorenzen besuchte, berichtete er mir begeistert von
       der Piratenpartei. Er hatte sich nicht mit dem Programm auseinandergesetzt,
       er fand die Plakate super. Vor allem jenes, auf dem zu lesen stand: "Warum
       häng ich hier eigentlich, ihr geht ja eh nicht wählen". Das sprach ihn
       sofort an. Und ließ ihn die Piraten ernst nehmen. Die Piratenpartei ist
       nicht nur eine Partei der Jugend.
       
       Damit geht es ihr so wie den Grünen in den Anfangsjahren - damals waren bei
       denen Rechtsextremisten, Linksradikale, Maximalisten, Pädophile und Spinner
       vereint, man konnte direkt aus der CSU zu den Grünen wechseln, wenn man die
       Schnauze voll hatte vom elenden Zustand der urdeutschen Waldheimat.
       
       Andere erkannten in der Atomindustrie etwas anderes als verhasste Technik,
       sie versuchten die ökonomischen Gegebenheiten der Bundesrepublik insgesamt
       zu hinterfragen. Die Realos drängten diese Leute schließlich aus der Partei
       hinaus, denn Vorstandssitze winkten.
       
       Anders als Renate Künast, die immer klarmachte, dass sie als Berliner
       Oppositionsführerin, ja nicht einmal als Stellvertreterin Wowereits zu
       haben sein würde, haben die Piraten aber noch keine Möglichkeit, sich mit
       Lobbyistengruppen zu treffen, allein daraus beziehen sie für viele ihre
       Glaubwürdigkeit. Sie gelten zunächst deshalb für gut, weil die anderen
       schlecht sind. Das muss nicht so bleiben.
       
       20 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Sundermeier
       
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 (DIR) Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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