# taz.de -- Grünen-Konkurrenz Piratenpartei: Ups, die sind ja gefährlich!
       
       > Der sensationelle Erfolg der Piraten alarmiert die Grünen: Sie bekommen
       > im linken Lager Konkurrenz, die auf die gleiche Klientel zielt -
       > allerdings ohne Frauenquote.
       
 (IMG) Bild: Eine Brause auf den Erfolg der Piraten.
       
       BERLIN taz | Die Leute, die da ins Landesparlament einziehen, werden von
       den Abgeordneten der etablierten Parteien skeptisch beäugt: Die Neulinge
       sind unrasiert, manche haben lange Haare, sie tragen seltsame T-Shirts und
       reden von neuen Themen, von denen mancher hier noch nie gehört hat. Als die
       Grünen im Jahr 1979 erstmals in einen Landtag, die Bremer Bürgerschaft,
       einziehen, kommt es zum Clash der Kulturen.
       
       Nach dem sensationellen Wahlsieg der Piratenpartei steht im
       Abgeordnetenhaus Berlins bald Ähnliches an. Erstmals werden Abgeordnete der
       wilden Truppe, die bisher niemand in der Landespolitik wirklich ernst
       genommen hat, im Parlament sitzen, und zwar mit gleich 15 Vertretern, die
       alteingesessene Linkspartei schickt nur 20. Erobert jetzt wieder eine neue
       Partei Landtag um Landtag in der Republik? Sicher ist: Bei den Grünen nimmt
       man die auf Netzpolitik, Datenschutz und Bürgerbeteiligung spezialisierte
       Konkurrenz sehr ernst: Der Aufstieg der Piraten, analysiert Fraktionschef
       Jürgen Trittin, "ist strukturell das schwierigste Problem, das uns aus
       diesem Wahlergebnis erwächst."
       
       Es ist nicht nur das leicht Chaotische, das jede Anfangsphase innehat, die
       auf den ersten Blick Parallelen ziehen lässt zwischen Grünen und
       Piratenpartei. Es ist auch der Anspruch an das eigene Verhalten, das Ziel,
       eine ganz neue parlamentarische Kultur zu schaffen. Mehr Transparenz, mehr
       Bürgernähe und nein, einen Fraktionszwang werde man sich vermutlich auch
       nicht auferlegen, sagt der Berliner Piraten-Chef Baum. Und auch die Grünen
       fingen mal mit einem fast so engen Themenfokus an: einst Öko und Anti-AKW,
       jetzt Netzpolitik und Bürgerrechte.
       
       Bei den Piraten kommt ein solcher Vergleich gar nicht gut an. "Lass mich
       mit den Grünen in Ruhe", stöhnt eine Piratin auf der Wahlparty am Sonntag.
       Andere antworten mit einer Gegenfrage: "Warum sollten wir denen ähnlich
       sein?" Ja, warum eigentlich?
       
       Sieben Leute der zukünftigen Fraktion sitzen am Montagmittag im Saal 113
       des Berliner Abgeordnetenhauses. Einer trägt ein orangenes Hemd mit
       Piratenlogo, einer eine Sportjacke, einer Jackett. Auf den Tischen vor
       ihnen stehen Notebooks, auf denen die zukünftigen Abgeordneten
       zwischendurch herumtippen, den Beamer haben sie gleich selber mitgebracht.
       Eine Partei und ihr Klischee.
       
       ## Deutlicher Männerüberschuss
       
       Dazu gehört auch, dass Platz sieben fehlt. Susanne Graf, die einzige Frau
       auf der Landesliste, ist am Montag nicht dabei. Es ist einer der Punkte, an
       denen sich Piratenpartei und Grüne am deutlichsten unterscheiden: Die
       Grünen, die die Quote im Prinzip gesellschaftsfähig gemacht haben bis hin
       zur Doppelspitze, die Piratenpartei, die deutlichen Männerüberschuss hat
       und eine Quote mehrheitlich ablehnt.
       
       "Die Angebote in der politischen Landschaft waren so schlecht, dass sich
       die Wähler etwas Neues gewünscht haben", analysiert Baum das Wahlergebnis.
       Genau wie die Grünen einst haben sich die Piraten zielsicher Themen
       gesucht, die bei anderen Parteien ein politisches Vakuum sind. Das ist
       nicht nur die Netzpolitik. Das ist vor allem die Bürgerbeteiligung. Während
       andere Parteien beim Bahnhof in Stuttgarter, bei der olympischen Bewerbung
       in München oder beim Autobahnbau in Berlin die Köpfe darüber zerbrechen,
       wann, wie und ob man die Bürger an politischen Entscheidungen beteiligen
       sollte, geben die Piraten dazu bereits Antworten: politische,
       gesellschaftliche und technische.
       
       Der satte Erfolg der Piraten speist sich aus unterschiedlichen Lagern.
       Schon vor Wochen schwante einem führenden Grünen: "Die sind Fleisch von
       unserem Fleische." Eine Wanderungsanalyse des Instituts Infratest dimap
       bestätigt dies, zeigt aber auch, dass die Piraten im ganzen linken Lager
       wildern: 17.000 Anhänger der Grünen, 14.000 aus dem Lager der SPD und
       13.000 aus dem der Linkspartei wechselten zu den Piraten. Am stärksten
       profitierten sie aber von der Tatsache, dass sie Anhänger anderer
       Kleinstparteien auf sich vereinten (22.000) und ehemalige Nichtwähler
       (23.000).
       
       Letzteres gelang in anderen Landtagswahlen vor allem den Grünen. Taktisch
       bekommen sie durch die Piraten also auf zwei Feldern Konkurrenz: Sie müssen
       Überläufer fürchten, konkurrieren aber auch um Politikverdrossene.
       Auffällig ist auch, dass Piraten vor allem bei den Jungen und Gebildeten
       punkteten - auch etwas, was Grüne gerne für sich in Anspruch nehmen.
       
       ## Das Lebensgefühl Berlins getroffen
       
       Auch deshalb sind die Grünen alarmiert. "Die Piraten haben offensichtlich
       ein Lebensgefühl in der Stadt getroffen", sagt Renate Künast, die ehemalige
       Spitzenkandidatin der Berliner Grünen. Ihre Partei werde jetzt sorgfältig
       analysieren, wie man solche Stimmen zurückhole. "Von den Grünen erwartet
       man Visionen und Kreativität, aber auch Antworten bei knallharten Themen
       wie Finanz- oder Europapolitik." Sollten die Piraten 2013 den Sprung in den
       Bundestag schaffen, könnte das die entscheidenden Prozentpunkte für
       Rot-Grün kosten. In Berlin hat diese Variante nur eine hauchdünne Mehrheit
       - wegen den Piraten.
       
       Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass die, die so ähnlich wie die Grünen
       starten, jetzt deren Machtübernahme gefährden. Simon Teune, Soziologe und
       Protestforscher am Wissenschaftszentrum Berlin, glaubt jedoch nicht an den
       dauerhaften Erfolg der Piraten. Anders als die Grünen damals seien die
       Piraten heute nicht sehr breit durch Bewegungsinitiativen in der
       Gesellschaft verankert. "Die Piraten haben eine Anti-Parteien-Stimmung in
       der Bevölkerung aufgenommen", sagt Teune. Sie seien vor allem ein urbanes
       und lokales Phänomen, in Flächenländern werde die Partei solche Erfolge
       wohl nicht wiederholen können.
       
       19 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) S. Bergt
 (DIR) U. Schulte
       
       ## TAGS
       
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