# taz.de -- Flughafenausbau Frankfurt am Main: Prozesse statt Proteste
       
       > Am Freitag wird in Frankfurt die Landebahn Nordwest eröffnet. Nach 30
       > Jahren ein Déjà-vu für die ehemaligen Gegner der Startbahn West.
       
 (IMG) Bild: Endloser Krach: Durch die neue Landebahn sollen auf dem Frankfurter Flughafen bis zu 126 Flugbewegungen pro Stunde möglich sein.
       
       FRANKFURT AM MAIN taz | Die Maschine "Konrad Adenauer" der Bundesluftwaffe
       mit Angela Merkel an Bord wird das erste Flugzeug sein, das heute auf der
       frisch betonierten 2,8 Kilometer langen Piste aufsetzten wird. Damit ist
       dann die Landebahn Nordwest am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen eröffnet.
       
       Die rund 400 geladene Gäste - darunter auch der "Erfinder" des strikten
       Nachtflugverbots für Rhein-Main, der frühere Hessische Ministerpräsident
       und heutige Baulöwe Roland Koch (CDU), der nach einer Intervention der
       Fluggesellschaften gegen dieses Nachtflugverbot davon aber schnell wieder
       abrückte - müssen danach allerdings noch eine ganze Weile auf die Kanzlerin
       warten.
       
       Denn die Maschine hat am Boden einen langen Rollweg bis zu einem der beiden
       Terminals am Airport zu bewältigen: Es geht vorbei an der inzwischen
       plattgemachten Chemiefabrik Ticona direkt neben der Landebahn, deren
       Weiterbetrieb die Bundesstörfallkommission Chemie aus Sicherheitsgründen
       untersagt hatte (das Werk wurde für rund eine Milliarde Euro im
       Industriepark Höchst wieder neu aufgebaut), dann via Brücken hinweg über
       die ICE-Trasse und sonstige Bahngleise und danach noch einmal über die
       achtspurige A3. Auf dem eigentlichen Flughafen muss das Flugzeug noch
       kilometerweit bis zu den Aus- und Einstiegsschleusen gefahren werden.
       
       Zum Protest gegen den permanenten Flughafenausbau und die ganze offizielle
       Fete mit der Regierungschefin hat sich nur ein Häuflein Demonstranten
       angesagt. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen ihnen und der Polizei
       werden - von beiden Seiten - nicht prognostiziert.
       
       Die Polizei ist am Pisteneröffnungstag zwar überall am Flughafen und am
       Betonzaun rund um die neue Rollbahn präsent, setzt aber - wie schon bei den
       Aktionen und eher kleineren Demonstrationen der Ausbaugegner während der
       Bauphase - auf Deeskalation, wie aus dem Hessischen Innenministerium zu
       hören war.
       
       282 Hektar Wald wurden für die neue Landebahn abgeholzt, darunter
       wertvoller Bannwald in der Gemarkung Kelsterbach. Alleine der Bau der 30
       Meter breiten Betonbahn durch den Forst kostete die
       Flughafenbetreibergesellschaft Fraport AG, deren Anteilseigner der Bund,
       das Land Hessen und die Stadt Frankfurt sind, rund 600 Millionen Euro.
       
       ## Leben in der Lärmfalle
       
       Der verlorene Kampf gegen die Landebahn Nordwest wurde vornehmlich vor den
       Verwaltungsgerichten ausgefochten, und zwar von den Kommunen rund um den
       Flughafen und bis über den Rhein hinweg nach Rheinland-Pfalz.
       
       Denn auch die weinseligen Rheinhessen sitzen nach einer Änderung der
       Anflugrouten zum Airport wegen des steigenden Luftverkehrsaufkommens durch
       die neue Rollbahn - bis 2020 sollen 126 Flugbewegungen pro Stunde am
       Flughafen möglich sein - jetzt ebenso mit in der großen Lärmfalle wie die
       Einwohner einiger hessischer Kommunen am Main, über deren Köpfe hinweg die
       Flugzeuge zum Greifen nahe auf die neue Piste einschweben werden.
       
       Gemeinsam wollen Hessen und Rheinland-Pfälzer an diesem Samstag - am Tag
       nach der Eröffnung der Piste also - gegen die steigende Fluglärmbelastung
       in der ganzen Region auf einer Mainzer Rheinbrücke protestieren.
       
       Noch hoffen die Flughafenausbaugegner, dass das Bundesverwaltungsgericht
       (BVerwG) Anfang 2012 die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichts
       von vorletzter Woche bestätigt, wonach alle von der Fraport AG beantragten
       und von der hessischen Landesregierung in das Planfeststellungsverfahren
       für die Nordwestbahn eingebrachten 17 Nachtflüge illegal sind und umgehend
       aus den Flugplänen gestrichen werden müssen.
       
       Die Lufthansa dagegen, die wegen der nun wenigstens bis zur endgültigen
       Entscheidung des BVerwG ausfallenden Nachtflüge schon jetzt wirtschaftliche
       Einbußen beklagt und - vergeblich - die Verschiebung der
       Eröffnungsfeierlichkeiten für die Landebahn verlangt hatte, saugt dagegen
       plötzlich Honig aus dem gerade erst ergangenen Urteil des BVerwG zum neuen
       Berliner Großflughafen, das die Durchführung von Nachtflügen auf dem
       Airport der Kapitale des Landes ausdrücklich erlaubt.
       
       ## Polizei und Startbahngegner waren nicht zimperlich
       
       Früher war alles anders. Sicher. Aber nicht besser. Und verloren wurde
       auch. Beim Kampf gegen die Startbahn West sogar auf der ganzen Linie. Bei
       der Räumung des Hüttendorfes der Startbahngegner im Flörsheimer Wald vor
       dreißig Jahren im November 1981 kannten die Bullen das Wort "Deeskalation"
       noch gar nicht.
       
       Sondereinheiten von Polizei und Bundesgrenzschutz knüppelten damals selbst
       Flughafenausbaugegner nieder, die sich ihnen mit erhobenen Armen
       entgegenstellten und schufen so den frühen "Wutbürger 81". "Ich hatte das
       Gefühl, dass es denen regelrecht Spaß gemacht hat, mich zu schlagen", so
       etwa der Pressefotograf Rolf Böhm nach einem solchen "Polizeieinsatz".
       
       Aber auch "wir" - die Parole hieß: wir gegen die - waren nicht zimperlich.
       In der Nacht nach der Räumung schossen militante Startbahngegner mit
       Zwillen Schraubenmuttern auf Polizisten ab. Und Molotowcocktails setzten
       gepanzerte Bundesgrenzschutzfahrzeuge und Wasserwerfer in Brand. Vom "Krieg
       im deutschen Forst" war danach in den Medien schnell die Rede.
       
       Sechs Jahre später schoss dann einer aus den Reihen der längst arg
       dezimierten Widerstandsbewegung - "unser Andy" (Autonome) nämlich - nicht
       mehr nur mit einem Katapult Steine auf die Polizei, sondern scharf mit
       einer geklauten "Sig Saur"-Polizeipistole.
       
       Die Kugeln trafen am 2. November 1987 den Polizeihauptkommissar Klaus
       Eichenhöfer und den Polizeiobermeister Thorsten Schwalm tödlich, weitere
       Beamte wurden zum Teil schwer verletzt. Der Todesschütze Andreas E. wurde
       deswegen 1991 vom OLG Frankfurt zu 15 Jahren Haft verurteilt.
       
       ## "Es hätte da auch Tote geben können"
       
       Noch am Tag nach der Bluttat hatten militante Startbahngegner auf einer
       Vollversammlung der harten Szene in einem Hörsaal der Frankfurter Uni
       ungerührt "Sig Saur, unsere Power!" skandiert.
       
       Bereits die Eröffnung der Startbahn West im April 1984 war eine einzige
       Orgie der Gewalt gewesen. Polizeiliche Schlägertrupps mit langen
       Holzstöcken und in Turnschuhen machten Jagd auf Gruppen von
       "Mauerspechten", die mit starken Ästen ganze Stücke aus dem Betonzaun rund
       um die Piste herausbrachen.
       
       Andere bewarfen Polizeifahrzeuge und Scheinwerfer an der Startbahn gezielt
       mit Steinen; wieder andere versuchten, am "Chaoteneck" im Süden der Piste
       das große Tor aufzustemmen.
       
       Vermummte Polizisten unternahmen wiederholt Ausfälle und prügelten
       zusammen, was ihnen vor die Schlagstöcke kam. Auch ältere Menschen wurden
       blutig geschlagen. "Es hätte da auch Tote geben können", sagt etwa der
       Notarzt Gerhard Schneider, der damals "Demosani" war, rückblickend noch
       heute.
       
       In kleinen Gruppen fahren die alten Startbahnkämpfer etwa aus Walldorf, die
       längst schon alle Rentner sind, immer noch raus an die "18 West". Und noch
       immer schütteln sie ihre Fäuste gegen die Flugzeuge, die dort in
       Minutenabständen brüllend wie wilde Tiere scharf über die Baumkronen im
       "Naturschutzgebiet Mönchbruchwald" in den Himmel über Rhein-Main abheben.
       
       ## Der Airport wird weiter wachsen
       
       Im Startbahnwald haben die Kämpfer ihr Herzblut vergossen. Und jetzt - nach
       dem Bau der Landebahn Nordwest - ihren "Glauben an die Politik und die
       Politiker endgültig verloren", wie es vor wenigen Tagen einer der
       Startbahnrentner aus Walldorf draußen am "Chaoteneck" verbittert
       formulierte.
       
       Denn schließlich habe ihnen der damals amtierende Hessische
       Ministerpräsident Holger Börner (SPD) 1984, nach der Einweihung der
       Startbahn West, versichert, dass nun am Flughafen weiter nichts mehr gebaut
       werde.
       
       Börner ist lange schon tot. Bereits sein "politischer Enkel" und Nachfolger
       Hans Eichel (SPD) brachte den Landebahnbau im Kelsterbacher Forst ins Spiel
       und dann auch auf den Weg. Gebaut wurden auch noch das Terminal 2 und ein
       Frachtzentrum im Osten des Flughafens.
       
       Und der Airport wird weiter wachsen. Avisiert sind längst ein drittes
       Terminal, eine "Airportcity" mit Hotels und Freizeitpark und die
       Zubetonierung weiterer Flächen für die Ansiedlung von Logistikunternehmen.
       
       Widerstand dagegen wird es wohl kaum noch geben. In der ehemaligen
       Startbahnfrontstadt Rüsselsheim etwa wurde gerade ein bekennender junger
       Flughafenausbaubefürworter von der CDU zum neuen Oberbürgermeister gewählt.
       Das Nachsehen hatte in der Stichwahl ein Verwaltungsfachmann und
       passionierter Ausbaugegner von den Grünen.
       
       Für die CDU im Stadtparlament der Opelstadt sitzt heute übrigens Achim B. -
       früher einer der härtesten Ledernacken im Dschungelkampf gegen die
       Startbahn 18 West. "Lebbe geht weider", wie man in Hessen so schön sagt.
       
       21 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Peter Klingelschmitt
       
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