# taz.de -- Lärmbelastung am Frankfurter Flughafen: Beten für Westwind
       
       > Die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen empört auch zunächst
       > wohlwollende Anwohner. Das Land will jedoch sogar noch das
       > Nachtflugverbot kippen.
       
 (IMG) Bild: Auch sie leidet unter dem Frankfurter Fluglärm: Ruth Reis in ihrer Heimatstadt Flörsheim.
       
       FLÖRSHEIM AM MAIN taz | Zuerst ist es nur ein Donnergrollen am Horizont.
       Dann ein ohrenbetäubendes Brüllen und Pfeifen, das immer noch lauter wird.
       Dazu verdunkelt ein gigantischer Schatten die Sonne: Das ist Flörsheim am
       Main seit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest am Frankfurter
       Rhein-Main Flughafen bei Ostwetterlage.
       
       Im Zweiminutentakt fliegen die Maschinen die Rollbahn an, die auf der
       anderen Mainseite im Kelsterbacher Forst direkt gegenüber liegt. 80 bis 90
       Dezibel werden bei jedem Überflug im Neubaugebiet am nördlichen Stadtrand
       gemessen. Der "Lärmterror kommt einer Körperverletzung gleich", sagt eine
       junge Mutter. Das sei "menschenunwürdig". Alle in ihrer Familie bewege nur
       noch ein einziger Gedanke: "Nichts wie weg von hier!"
       
       Weg aber wollen jetzt viele. Auch solche, die zuvor noch geglaubt hatten,
       dass die Warnungen vor mehr Fluglärm nach der Einweihung der neuen Piste am
       21. Oktober nur "Propaganda der Grünen und der Ausbaugegner" seien. Zu
       diesen gehört beispielsweise Werner Schmidt, ein 69-jähriger Rentner und
       bekennender Unionswähler. Er hat Pech: Wer in der Hauptlärmzone wohnt, kann
       immerhin darauf hoffen, dass die Flughafenbetreibergesellschaft Fraport AG
       ihm die Immobilie abkauft.
       
       Schmidts Häuschen mit dem gepflegten Vorgarten liegt nicht direkt unter der
       Haupteinflugschneise. Weil diese so schmal bemessen ist, wird sie von den
       Piloten nicht immer eingehalten – kann nicht eingehalten werden, betont die
       Flugsicherung. Deshalb ist es bei Schmidt zwar genauso laut wie ein paar
       Meter daneben, aber ihm – wie etlichen Leidensgenossen – zahlt die Fraport
       AG nur die Installation von Schallschutzfenstern.
       
       ## Täglich 300 Maschinen in 250 Meter Höhe
       
       Andere Betroffene sind hin- und hergerissen: "Wir können doch nicht unsere
       Arbeitsplätze und unserer ganzes soziales Leben aufgeben und von hier
       wegziehen", sagt die "verzweifelte Andrea R. aus Flörsheim" bei der
       Lesertelefonaktion einer Lokalzeitung. Und Jutta K. erzählt, dass sie jetzt
       jeden Abend den lieben Gott für den nächsten Tag um Westwind bitte. Dann
       sei es "nicht mehr ganz so schlimm".
       
       Bei Ostwind wird Flörsheim täglich von rund 300 Maschinen in nur 250 Meter
       Höhe überflogen. Fünfzig Prozent aller Landungen auf Rhein-Main würden
       jetzt über die Nordwestbahn abgewickelt, so ein Sprecher der Fraport AG.
       Tatsächlich kann man am Flörsheimer Mainufer die Nieten an den Tragflächen
       zählen, wenn man den Höllenlärm aushält.
       
       "Unsere schlimmsten Erwartungen sind übertroffen worden", konstatiert denn
       auch der christdemokratische Landrat des Main-Taunus-Kreises, Michael
       Cyriax. Der Flörsheimer Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) ruft die
       Bevölkerung dazu auf, jetzt nicht zu resignieren, sondern "weiter für eine
       Begrenzung der Flugbewegungen und des Fluglärms zu kämpfen".
       
       ## Entscheidung über Nachtflüge im März
       
       Seit Sonntag haben die Menschen jetzt immerhin nachts Ruhe vor dem
       Fluglärm, wenigstens vorläufig. Denn jetzt gilt das vom Hessischen
       Verwaltungsgerichtshof (VGH) schon vor drei Wochen erneut verhängte strikte
       Nachtflugverbot – bis zur endgültigen Entscheidung des
       Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, die für März 2012 avisiert ist.
       
       Im Hessischen Landtag wollen die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke –
       und Demonstranten in Wiesbaden – am Dienstag die CDU/FDP-Landesregierung
       schon am Dienstag dazu bewegen, den unter Exministerpräsident Roland Koch
       beschlossenen Einspruch gegen die Entscheidung des VGH Hessen für das
       Nachtflugverbot beim Bundesgerichtshof zurückzuziehen.
       
       Wohl vergeblich. Schon vor der Debatte am späten Nachmittag war aus der
       Staatskanzlei von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) zu hören, dass
       das Land Hessen weiter gegen das Nachtflugverbot vorgehen werde, um
       juristisch auf der "sicheren Seite" zu sein.
       
       Die 17 Nachtflüge, die die Lufthansa für "unverzichtbar" erklärt, halten
       Union und FDP also weiter für hinnehmbar. Nach der ersten Nacht ohne
       Frachtflüge zwischen 23 Uhr und 6 Uhr jetzt vermeldete Lufthansa Cargo
       allerdings, dass es "keine Probleme gegeben" habe: "Wir haben die
       Umstellung operativ gut hingekriegt."
       
       1 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) K.-P. Klingelschmitt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
       
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