# taz.de -- EU-Krisengipfel: Griechenland zur Hälfte befreit
       
       > Über Nacht ist Griechenland 50 Prozent seiner Bankschulden los - die EU
       > einigte sich auf einen Schuldenschnitt. Dafür muss sich das Land stärker
       > kontrollieren lassen.
       
 (IMG) Bild: War es für sie auch ein Sorgenschnitt? Angela Merkel.
       
       BRÜSSEL taz | Diesmal ist er es wohl wirklich: Der Befreiungsschlag, auf
       den alle so lange gewartet haben. Bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel
       beschlossen die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer ein
       umfassendes Paket, mit dem der Schuldenkrise Griechenlands und dem Zittern
       um den Euro endlich ein Ende gemacht werden soll.
       
       "Es waren intensive, lange, aber erfolgreiche Beratungen. Ich bin sehr
       zufrieden mit dem Ergebnis", sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela
       Merkel, als sie – sichtlich erschöpft, aber mit einem Lächeln auf den
       Lippen – gegen vier Uhr in der Früh vor die Presse trat.
       
       Das wohl wichtigste Ergebnis: Griechenland bekommt seinen Schuldenschnitt.
       Die privaten Gläubiger haben sich verpflichtet, so die Kanzlerin, dem Land
       50 Prozent seiner Schulden zu erlassen. Das entspricht rund 100 Milliarden
       Euro.
       
       Damit soll der Schuldenstand Griechenlands bis 2020 auf 120 Prozent des
       Bruttoinlandsprodukts gesenkt werden. Heute liegt er bei 170 Prozent. Bei
       120 Prozent, so hoffen die Politiker, könnte sich Athen wieder selbst an
       den Märkten finanzieren.
       
       ## Mit 30 Milliarden Euro vom europäischen Rettungsschirm abgesichert
       
       Die Schuldner bekommen für ihre Griechenlandanleihen neue Papiere, die nur
       die Hälfte wert sind. Allerdings werden diese mit 30 Milliarden Euro vom
       europäischen Rettungsschirm abgesichert. Zumindest in Höhe dieser Summe
       können die Banken sicher sein, dass sie ihr Geld nicht verlieren werden.
       
       Der Anleihentausch soll im Januar beginnen. Eine definitive Zusage von
       einzelnen Banken, sich tatsächlich an dem Programm zu beteiligen, gibt es
       noch nicht, aber die Bankenvertreter haben sich in der Brüsseler
       Verhandlungsnacht grundsätzlich bereit erklärt, ihren Beitrag zum Abbau der
       griechischen Schulden zu leisten, sagte die Kanzlerin. "Es ist kein
       Paukenschlag, aber wir sind einen entscheidenden Schritt weiter."
       
       Auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy zeigte sich erleichtert:
       "Frankreich hat eine Pleite Griechenlands immer ausgeschlossen. Wir wollten
       dieses Drama verhindern. Jetzt haben wir es geschafft", sagte Sarkozy nach
       dem Ende der rund zehnstündigen Verhandlungen.
       
       Griechenland wird im zweiten Rettungsprogramm nun insgesamt rund 100
       Milliarden Euro bekommen. Gleichzeitig wird das Land bei der Umsetzung der
       Reformen in Zukunft noch stärker überwacht. Die Euroländer wollen eine
       permanente Kontrolle in Athen einrichten und sich nicht mehr auf
       gelegentliche Besuche der Troika verlassen.
       
       ## Kernkapitalquote der Banken erhöht
       
       Damit die Banken den Ausfall der griechischen Anleihen verkraften, sollen
       sie neues Kapital bekommen. Bis Mitte kommenden Jahres müssen sie ihre
       Risikopuffer, die sogenannte Kernkapitalquote, auf neun Prozent erhöhen. In
       Deutschland sind davon 13 Banken betroffen. Sie müssen sich rund sechs
       Milliarden Euro beschaffen.
       
       Experten gehen davon aus, dass die Banken dies aus eigener Kraft am Markt
       schaffen. Nur die Banken, die das Geld selbst nicht auftreiben können,
       sollen zunächst aus den nationalen Haushalten und im Notfall aus dem
       europäischen Rettungsschirm Geld bekommen.
       
       Im Gegenzug sollen die Institute ihre Dividenden- und Bonizahlungen
       beschränken, bis die Rekapitalisierung abgeschlossen ist. "Ein größeres
       Verantwortungsbewusstsein und eine faire Beteiligung des Finanzsektors sind
       zentrale Elemente unseres Pakets", sagte der EU-Kommissionspräsident José
       Manuel Barroso.
       
       Die Schlagkraft des Euro-Rettungsschirms EFSF wollen die Regierungen auf
       rund eine Billionen Euro erhöhen. Dies soll mit sogenannten Hebeln erreicht
       werden. Unter anderem sollen Drittländer beteiligt werden. Der französische
       Präsident will noch heute mit seinem chinesischen Amtskollegen sprechen.
       Der EFSF-Chef Klaus Regling will am Freitag nach Asien aufbrechen.
       
       Wie genau diese Hebel funktionieren, soll bis Ende des Jahres ausgearbeitet
       werden. Klar ist aber schon jetzt, dass die Europäische Zentralbank nicht
       daran beteiligt wird.
       
       ## Neues Sparprogramm in Italien
       
       Wie groß die Hebelwirkung tatsächlich sein wird, ist noch unklar, weil sie
       erst am Markt getestet werden muss. "Wir können nur schätzen, weil wir die
       Instrumente noch nie ausprobiert haben", sagte die Bundeskanzlerin. Sie
       gehe aber davon aus, dass der Euro geschützt und eine Ansteckungsgefahr
       verhindert werden könne. "Mir ist sehr bewusst, dass die Welt auf diese
       Beratungen geschaut hat. Sie will sehen, wie wir uns in der europäischen
       Krise bewähren und wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, unsere
       Probleme zu lösen", erklärte Angela Merkel.
       
       Auch langfristig will sich die Eurozone gegen Krisen schützen. Italien und
       Spanien haben Sparprogramme vorgelegt. Der italienische Premierminister
       Berlusconi versprach den Schuldenstand bis 2014 auf 113 Prozent der
       Bruttoinlandsprodukts zu senken – unter anderem mit einer Rentenreform.
       
       Alle Staaten hätten sich verpflichtet, so Merkel, eine Schuldenbremse in
       ihren Verfassungen festzuschreiben.
       
       Im Dezember soll der Ratspräsident Herman van Rompuy einen Bericht
       vorlegen, wie die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder besser
       funktionieren könnte. Außerdem sollen ab sofort regelmäßig Gipfeltreffen
       der Länder der Eurozone stattfinden.
       
       27 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
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