# taz.de -- Kommentar Eurorettung: Investoren werden panisch bleiben
       
       > Selbst die eine Billion Euro, um die der Rettungsschirm aufgestockt
       > wurde, wird nicht reichen. Diese Krise hat sich verselbstständigt, es
       > dominiert die Stimmung der Investoren.
       
       Die Eurokrise ist nicht vorbei - und sie wird sich weiter verschärfen. Zwar
       ist der Rettungsschirm jetzt auf etwa eine Billion Euro aufgestockt worden,
       aber selbst diese enorme Summe wird nicht reichen.
       
       Ein erstes Problem: Der Schuldenschnitt für Griechenland war richtig, aber
       bekanntlich ist es nicht das einzige Euroland, das überschuldet ist. Auch
       bei Portugal und Irland ist zweifelhaft, ob sie ihre Schulden vollständig
       zurückzahlen können.
       
       Dies wird momentan nur übersehen, weil sich Politiker und Börsianer
       monomanisch auf die Frage konzentrieren, wie hoch der Haircut für
       Griechenland ausfallen sollte. Aber abseits der Hellas-Hektik verharrt auch
       Portugal in der Rezession. Es ist nur eine Frage der Zeit, dass dort
       ebenfalls ein zweites Rettungspaket nötig wird.
       
       Vor allem aber: Eine Billion Euro reicht nicht, weil selbst zwei Billionen
       nicht genug wären. Die Krise hat sich verselbstständigt und in den Kern der
       Eurozone gefressen. Eine reale Überschuldung in einigen Randstaaten führte
       zu einer Massenpanik bei den Finanzinvestoren. Inzwischen gelten Italien
       und selbst Frankreich als potenzielle Pleitekandidaten, was einfach
       lachhaft ist. Beide Länder gehören zu den wirtschaftlich stärksten Nationen
       der Welt.
       
       ## Von der Euphorie geht's zur Angst
       
       Aber es dominiert die manisch-depressive Stimmung der Investoren. Momentan
       sind sie recht euphorisch, wie die steigenden Börsenkurse vom Mittwoch
       signalisieren. Doch diese Freude über neue Eurobeschlüsse hält meist nicht
       lange, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen. Schon bald werden die
       Investoren wieder anfangen, sich in ihre Ängste hineinzusteigern - und
       besorgt ausrechnen, dass auch eine Billion Euro nicht genügt, um Italiens
       oder Frankreichs Staatsschulden zu garantieren.
       
       Die Investoren sind von einer absurden Schizophrenie befallen: Der
       Außenwert des Euro, etwa gegenüber dem Dollar, ist absolut stabil - aber es
       wird permanent der Untergang gefürchtet. Dieser Massenpanik ist nicht
       beizukommen, indem man den Rettungsschirm noch weiter hebelt. Denn dann
       werden die Investoren neue Ängste entwickeln - und sich fragen, ob
       Deutschland diese Garantiesummen stemmen kann.
       
       Die Eurokrise wird erst enden, wenn der Euro zu einer normalen Währung
       geworden ist - wie der Yen, der Dollar oder das Pfund. Dazu würde unter
       anderem eine Europäische Zentralbank gehören, die Staatsanleihen aufkaufen
       kann, wie es die Bank of England routiniert tut.
       
       Noch ist dieser Ausweg fern. Noch setzt Kanzlerin Merkel lieber auf
       nationalstaatliche Lösungen wie die "Schuldenbremse". Jedes Land soll
       sparen, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Nie ist hingegen von der
       Alternative die Rede: dass die Reichen mehr Steuern zahlen könnten. Die
       verordneten Kürzungen werden die Rezession jedoch vertiefen, was wiederum
       Defizite produziert - und die Investoren erneut in Panik versetzt. Die
       Brüsseler Beschlüsse waren nicht harmlos. Sie werden die Eurokrise
       verschärfen, statt sie zu lösen.
       
       27 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Schuldenkrise in Italien: Die Hütte brennt
       
       Italiens Politiker, Bankchefs und Wirtschaftslenker geraten in Panik. Würde
       ein Abgang Berlusconis alle Probleme lösen? Das glaubt zumindest die
       Opposition.
       
 (DIR) Hilfe für den Euro aus China: Betteln um Rettung
       
       Die Europäer versuchen in Peking, Geld für den Rettungsschirm aufzutreiben.
       Die Volksrepublik hält sich bedeckt. Und dürfte Bedingungen stellen.
       
 (DIR) Gerhard Schick über die Eurorettung: "Wir brauchen Eurobonds"
       
       Nach dem EU-Gipfel hat Griechenland wieder eine Chance. Das Land braucht
       aber ein wirtschaftspolitisches Programm, sagt Grünen-Finanzpolitiker
       Gerhard Schick.
       
 (DIR) Schuldenkrise in Europa: Wissen wir doch auch nicht
       
       Verstehen Sie, wie Hebel, Schirm und Milliardenpakete den Euro retten
       sollen? Keine Sorge – Spitzenpolitiker auch nicht. Und sie geben es sogar
       offen zu.
       
 (DIR) Schuldenschnitt für Griechenland: Großes Misstrauen gegenüber Brüssel
       
       So recht will niemand glauben, dass dieser Schuldenschnitt für die Griechen
       etwas Gutes bedeutet. An den teils massiven Einschnitten wird sich wohl
       wenig ändern.
       
 (DIR) Italiens Wirtschaft: Mode, Möbel, Pasta
       
       Ist nur "die defätistische Linkspresse" in Italien Schuld an der
       Vertrauenskrise, wie Berlusconi meint? Nein. Der Schuldenberg ist groß, das
       Wachstum stagniert.
       
 (DIR) EU-Krisengipfel: Griechenland zur Hälfte befreit
       
       Über Nacht ist Griechenland 50 Prozent seiner Bankschulden los - die EU
       einigte sich auf einen Schuldenschnitt. Dafür muss sich das Land stärker
       kontrollieren lassen.
       
 (DIR) Debatte Griechenland: "Betrüger, Unterwürfige, Arschkriecher"
       
       Drei griechische Minister fordern ihre Landsleute zu besserer Arbeitsmoral
       auf. Der Publizist Giannis Makridakis findet das schamlos - und antwortet
       mit einem Brandbrief.