# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Halb in Rente
       
       > Die Berlusconi-Regierung hat nur eine Mini-Rentenreform hinbekommen. In
       > Rom wird nun darüber diskutiert wann Berlusconi geht - nicht ob.
       
 (IMG) Bild: Offenbar isoliert: Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi.
       
       ROM taz | Italiens Regierung hängt an einem seidenen Faden. In die Zange
       genommen von der EU und ihren Sparforderungen sowie vom rebellischen
       Koalitionspartner Lega Nord, bekam Ministerpräsident Silvio Berlusconi vor
       dem EU-Gipfel am Mittwoch nur einen Minimalkompromiss mit einigen allgemein
       gehaltenen Sparversprechungen zustande.
       
       Auf dem EU-Gipfel am letzten Sonntag war Berlusconi in einem
       Sechs-Augen-Gespräch mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und
       Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ein rüdes Ultimatum präsentiert
       worden. Bis zur entscheidenden Gipfelrunde am Mittwochabend solle Italien
       schlüssig darlegen, mit welchen konkreten Maßnahmen es einerseits den
       Haushalt sanieren und andererseits das Land wieder zu wirtschaftlichem
       Wachstum bringen will.
       
       Wachstum ist das Schlüsselwort: Nur wenn das seit 15 Jahren stagnierende
       Italien wieder prosperiert, hat es realistische Chancen, von seinem
       Schuldenberg in Höhe von etwa 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
       wieder herunterzukommen.
       
       Und Italien ist zum Schlüsselland der Eurokrise geworden. "Noch nie stand
       Europa so kurz vor einer Explosion", fasste Sarkozy, zurück in Paris, die
       dramatische Situation zusammen. Berlusconi versprach seinerseits umgehend,
       die ihm gestellten Forderungen zu erfüllen.
       
       Seine Regierungskoalition lieferte dann aber bei den Beratungen am Montag
       und Dienstag einen erneuten Beweis der Tatsache, dass sie völlig
       paralysiert ist - jener Tatsache also, die in den letzten Monaten das
       Misstrauen der Märkte geschürt hat. Kernpunkt der neuen Sparanstrengungen
       soll nach Berlusconis Vorstellungen eine Rentenreform sein: mit zwei
       zentralen Bausteinen.
       
       Einerseits will man das Renteneintrittsalter bis zum Jahr 2026 schrittweise
       auf 67 Jahre anheben, andererseits könnte das endgültige Aus für die
       sogenannten Dienstaltersrenten drohen. Bisher nämlich dürfen Italiens
       Bürger schon mit 61 Jahren in Rente gehen, wenn sie 35 Beitragsjahre
       vorweisen können.
       
       ## "Der finale Zusammenstoß"
       
       Sofort kam ein brüskes Veto vom Koalitionspartner: der rechtspopulistischen
       Lega Nord. Sie verweigerte das Antasten der Dienstaltersrenten und erlaubte
       Berlusconi nur, in den Brief an die EU ein allgemein gehaltenes Versprechen
       zur Erhöhung des Eintrittsalters bei den Renten bis 2026 hineinzuschreiben.
       
       "Der finale Zusammenstoß", titelte die Parteizeitung der Lega denn auch zum
       Rentenstreit. In Rom wird nicht mehr über die Frage diskutiert, ob
       Berlusconi geht, sondern nur noch darüber, wann das der Fall ist. Die
       Tageszeitung La Repubblica berichtet von einem geheimen Pakt zwischen dem
       Ministerpräsidenten und dem Lega-Nord-Chef Umberto Bossi. Der Pakt sehe
       einen Rücktritt Berlusconis zum Jahresende und dann Neuwahlen schon im März
       2012 vor.
       
       Zugleich halten sich Spekulationen, dass Staatspräsident Giorgio Napolitano
       dagegen bei einem endgültigen Scheitern Berlusconis eine Technikerregierung
       unter dem international angesehenen früheren EU-Kommissar Mario Monti
       favorisiert. Eine solche Notstandsregierung mit dem Arbeitsauftrag, das
       internationale Vertrauen in Italien wiederherzustellen, bedarf aber
       parlamentarischer Mehrheiten.
       
       Doch die Lust hierzu hält sich nicht nur bei der bisher regierenden
       Rechtskoalition in Grenzen. Auch Pier Luigi Bersani, Vorsitzender der
       größten Oppositionspartei, der gemäßigt linken Partito Democratico,
       verlangt einen radikalen Schnitt - und Neuwahlen schon im Dezember.
       
       26 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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