# taz.de -- Konflikt zwischen Sudan und Südsudan: Angst vor Revolution beim Nachbarn
       
       > Nur wenige Monate nach der Unabhängigkeit Südsudans droht ein neuer Krieg
       > mit dem Norden. Dort haben Hardliner des Militärs die Oberhand gewonnen.
       
 (IMG) Bild: So lange ist die Unabhängigkeitsfeier des Südsudan noch nicht her: 14. September 2011.
       
       JUBA taz | "Wenn der Süden Krieg will, sind wir bereit", sagte Sudans
       Präsident Omar al-Bashir vor kurzem. Sein südsudanesischer Amtskollege
       Salva Kiir antwortete: "Wir lassen unsere Souveränität von niemandem
       bedrohen." Südsudan ist erst seit Juli ein eigener Staat, aber das
       Verhältnis mit dem Sudan ist auf einem Tiefpunkt gelandet.
       
       Sudan und Südsudan beschuldigen sich gegenseitig der Unterstützung von
       Milizen im jeweils anderen Land. Die Regierung in Khartum sagt, sie habe
       Beweise, dass Südsudan Rebellen in den Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue
       Nile mit Waffen beliefert. Die Regierung in Juba glaubt, dass Sudans Armee
       Aufständische im ölreichen Staat Unity bewaffnet.
       
       Vor wenigen Tagen wurde berichtet, ein Lager im Südsudan mit Flüchtlingen
       aus Süd-Kordofan sei vom Norden her bombardiert worden: Nach UN-Angaben
       wurden am 10. November mehrere Bomben direkt auf ein Flüchtlingslager mit
       20.000 Bewohnern im Ort Yida abgeworfen. Khartum verneint das.
       
       Viele Südsudanesen befürchten jetzt einen neuen Krieg. "Die
       Antonow-Flugzeuge, die Khartum für Luftangriffe benutzt, können weit
       fliegen. Die können bis nach Juba kommen. Daran erinnern wir uns aus dem
       Krieg", meint Aching Taban, der auf einem Staubfeld in Juba mit Freunden
       Fußball spielt. Er fügt hinzu: "Einen neuen Krieg werden wir nicht
       verkraften. Wir haben schon so viele Probleme, seit wir unabhängig sind,
       und versuchen, unser Land aufzubauen. "
       
       ## Proteste im Norden
       
       Taban ist einer von mehreren hunderttausend Südsudanesen, die aus dem
       Norden in ihre Heimat zurückgekehrt sind, um ihren neuen Staat aufbauen zu
       helfen. Jetzt fürchten diese Menschen um ihre Zukunftsträume.
       
       Beiden Ländern geht es wirtschaftlich schlecht. Sudan hat drei Viertel
       seiner Ölquellen verloren, weil die in Südsudan liegen. Damit kann es seine
       Auslandsschulden von mehr als 35 Milliarden Euro nicht abzahlen. "Jährlich
       müssen wir eine Milliarde zurückzahlen", sagte Außenminister Ali Karti
       kürzlich und warnte vor einem wirtschaftlichen Kollaps. In Sudans
       Hauptstadt Khartum sind die Preise stark gestiegen, es kommt immer wieder
       zu Demonstrationen, die aber immer schnell und mit viel Gewalt zerschlagen
       werden. Manche Analysten prophezeien im Sudan die nächste "arabische
       Revolution".
       
       Trotz der schlechten Lage hat Khartum sich in neue Konflikte im eigenen
       Land gestürzt. Der Einsatz der Armee gegen Rebellen in Süd-Kordofan und
       Blue Nile, der zu einer humanitären Katastrophe geführt hat, verschlingt
       viel Geld. Seit Sudan um ein Drittel kleiner wurde, spielt das Militär die
       wichtigste Rolle innerhalb der Regierung.
       
       Die zivilen Politiker, selbst die Hardliner in der Regierungspartei NCP
       (Nationale Kongresspartei), sind an den Rand gedrängt. Die Militärs machen
       die Zivilisten für den Verlust Südsudans verantwortlich. Sie wollen jetzt
       nicht auch noch Süd-Kordofan und Blue Nile verlieren und bekämpfen die
       Aufständischen dort mit allen Mitteln, worunter auch die Zivilbevölkerung
       leidet.
       
       Die Rebellen dieser beiden Bundesstaaten wiederum haben sich mit den
       Rebellen von Darfur im Westen Sudans verbündet, wo schon seit 2003 gekämpft
       wird und mehrere Millionen Menschen vertrieben wurden. UN-Generalsekretär
       Ban Ki Moon hat die Bildung dieser Allianz namens "Sudanesische
       Revolutionäre Front" verurteilt: Die UNO fürchtet, dass Khartum darauf mit
       einem Angriff auf Südsudan antwortet.
       
       ## Pessimismus im Süden
       
       Auch im Südsudan ist die wirtschaftliche Lage schlecht. Der neue Staat
       bekommt viel Hilfe von außen, aber er hat auch viel weniger Einnahmen. Die
       Ölproduktion ist um ein Viertel gesunken, weil es an Experten fehlt. Bis
       zur Unabhängigkeit arbeiteten in Südsudans Ölsektor vor allem
       Nordsudanesen, die jetzt weg sind.
       
       Eine Einigung zwischen beiden Staaten über die zukünftige Organisation des
       Ölsektors steht noch aus; stattdessen hat Sudans Regierung jetzt scharf
       protestiert, dass Südsudans Regierung die Anlagen der staatlichen
       sudanesischen Ölgesellschaft Sudapet im Süden konfisziert hat. Südsudans
       Geldgeber erwarten auch, dass Präsident Salva Kiir die zunehmende
       Korruption innerhalb und außerhalb der Behörden anpackt.
       
       "Unsere Politiker leisten leider keine gute Arbeit", meint Student Taban am
       Rande des Fußballplatzes in Juba. "Das stimmt", sagt einer seiner
       Mitspieler. "Aber jedenfalls versuchen sie, den Frieden zu bewahren.
       Dagegen rührt das Regime in Khartum die Kriegstrommeln."
       
       20 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ilona Eveleens
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Unabhängigkeitsreferendum im Südsudan: Ein Jahr der enttäuschten Hoffnungen
       
       Der jüngste Staat der Welt begeht den ersten Jahrestag der Volksabstimmung
       im Schatten von Massakern. Die Regierung ist gegenüber den Konflikten
       machtlos.
       
 (DIR) Konflikte im Südsudan: "Überall Leichen"
       
       Nach Angriffen der Nuer-Milizen befürchten die Behörden Hunderte Tote. In
       Juba wurde Ausgangssperre verhängt. Die UN-Blauhelme scheinen machtlos und
       raten zur Flucht.
       
 (DIR) Konflikt zwischen Sudan und Südsudan: Waffenklirren wird lauter
       
       Nord- und Südsudan werfen sich gegenseitig kriegerisches Treiben vor.
       Khartum schaltet den UN-Sicherheitsrat ein, soll aber selbst im Süden
       Luftangriffe fliegen.
       
 (DIR) Kopflose Rebellen im Nordsudan: Führer der Aufständischen getötet
       
       Er starb bei einem Luftangriff im Bundesstaat Nord-Kordofan: Khalil
       Ibrahim, der einst vom libyschen Diktator Gaddafi unterstützte Führer der
       Rebellen im Sudan.
       
 (DIR) Blutbad in den sudanesischen Nuba-Bergen: Militärische Eskalation
       
       Regierung und Rebellen sprechen jeweils von einem Blutbad auf Seiten des
       Gegners. In der sudanesischen Provinz Süd-Kordofan wird seit Monaten schon
       gekämpft.
       
 (DIR) Humanitäre Katastrophe im Sudan: Letzte Zuflucht Berghöhle
       
       Angriffe mit konventionellen und mutmaßlich auch chemischen Waffen, kaum
       medizinische Versorgung und Lebensmittel. Der Krieg im Sudan trifft die
       Nuba mit voller Härte.
       
 (DIR) Annäherung von Sudan und Südsudan: Grenzübergänge werden geöffnet
       
       Die Lage an der Grenze von Sudan und Südsudan entspannt sich. Nach zähen
       Verhandlungen sollen nun mehrere Übergänge geöffnet werden.
       
 (DIR) Sudan und Südsudan: Truppenabzug aus Abjei
       
       Sudan und Südsudan haben sich bei einem Treffen in der äthiopischen
       Hauptstadt Addis Abeba auf einen Truppenabzug aus der umstrittenen
       Grenzregion Abjei geeinigt.
       
 (DIR) Menschenrechtsverletzungen im Sudan: Staudammplaner mit Verantwortung
       
       Das Unternehmen Lahmeyer soll Bauern im Sudan die Existenzgrundlage geraubt
       haben. Nun ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft gegen die Firma.