# taz.de -- EU-Gipfel beschließt Euro-Vertrag: Bremse statt Bazooka
       
       > Beim EU-Gipfel setzt sich Angela Merkel mit ihrer "Stabilitätsunion"
       > durch. Alle Länder ziehen mit – außer Grobritannien. Die Finanzmärkte
       > reagieren enttäuscht.
       
 (IMG) Bild: Miss Euro: Angela Merkel am Freitag in Brüssel.
       
       BRÜSSEL taz | Der Donnerstagabend begann mit Kabeljau auf Kürbismus und
       endete Freitag früh im Desaster für London. Als Antwort auf die Eurokrise
       und ungeachtet der drohenden Rezession einigten sich Freitag die 17 Länder
       der Eurozone in Brüssel auf einen deutsch-französischen Plan, der strengste
       Budgetdisziplin, härtere Sparauflagen für Krisenländer und die Gründung
       einer neuen "Stabilitätsunion" vorsieht. Neun weitere Nicht-Euro-Länder
       bekundeten Interesse, einzig Großbritannien stellte sich quer.
       
       "Uns ist der Durchbruch zu einer Stabilitätsunion gelungen, sie wird nun
       schrittweise weiterentwickelt", freute sich Bundeskanzlerin Angela Merkel
       über ihren Erfolg. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin hatte seit Beginn
       der Griechenlandkrise vor zwei Jahren neue, härtere Regeln für die
       Währungsgemeinschaft gefordert. Merkel wollte sie beim Krisengipfel
       ursprünglich in den EU-Verträgen verankern, scheiterte damit aber in der
       Nacht zu Freitag am britischen Widerstand. Denn das "Grundgesetz der EU"
       kann nur einstimmig geändert werden.
       
       Nun soll der auch "Fiskalunion" genannte neue Club ohne die Briten
       vorangetrieben werden. Die 17 Euroländer wollen sich dazu in einem
       bilateralen Vertrag zu verbindlicher Haushaltsdisziplin verpflichten. Neben
       einer Schuldenbremse nach deutschem Vorbild sind schärfere Defizitregeln
       und härtere Kontrollen geplant. Die EU-Kommission soll eine zentrale Rolle
       bei der Überwachung der "Defizitsünder" erhalten, das Europaparlament
       hingegen nur einen Beobachterstatus.
       
       Kritiker sehen darin ein Problem, da die Staaten ihre Haushaltshoheit
       einschränken und Sparauflagen ohne demokratische Kontrolle verhängt werden
       könnten. Aus dem Europaparlament kam denn auch bereits massive Kritik. Der
       SPD-Abgeordnete Bernhard Rapkay warnte, eine Vertragsänderung ohne das
       Europaparlament könne es nicht geben. Der Chef der Liberalen im
       Europaparlament, Guy Verhofstadt, drohte sogar, den Europäischen
       Gerichtshof anzurufen.
       
       Merkel zeigte sich von dieser Kritik ebenso wenig beeindruckt wie vom Veto
       der Briten. Sie habe es "bedauert", dass die Briten nicht mitmachen wollen,
       doch dies sei bei der Einführung des Euro auch nicht anders gewesen.
       Entscheidend sei, dass Europa "den Ernst der Lage erkannt" habe und die
       richtigen Lehren aus der Eurokrise ziehe. Nun gehe es darum, die verlorene
       Glaubwürdigkeit "Stück für Stück" zurückzugewinnen.
       
       ## Ökonomen widersprechen Merkel
       
       Das dürfte allerdings schwierig werden. Denn viele Ökonomen widersprechen
       Merkels These, die Eurokrise sei vor allem durch überbordende Staatschulden
       ausgelöst worden. "Von Deutschland kommen die falschen Vorschläge",
       kritisiert etwa der Politikwissenschaftler Fritz W. Scharpf. Wie viele
       Ökonomen ist er der Überzeugung, dass die EU angesichts des Abschwungs mehr
       Wachstumsimpulse braucht. Allein durch Sparen sei die Schuldenkrise nicht
       zu überwinden.
       
       Zudem widersetzte sich Merkel allen Versuchen, den Euro-Rettungsschirm
       aufzustocken. Der EFSF und der neue ESM, der auf Juli 2012 vorgezogen wird,
       soll bei 500 Milliarden Euro "gedeckelt" werden, sagte sie in Brüssel. Eine
       Banklizenz, wie sie Eurogruppenchef Juncker gefordert hatte, soll es ebenso
       wenig geben wie Eurobonds.
       
       Der Gipfel beschloss lediglich, dem Internationalen Währungsfonds bis zu
       200 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, die dann den Krisenländern
       der Eurozone zukommen könnten. Allerdings ist dies nur eine
       Absichtserklärung; jede Notenbank kann entscheiden, ob sie mitmacht. Neben
       der Bundesbank könnte, so die Hoffnung, auch die US-Zentralbank Fed
       einspringen.
       
       An den Finanzmärkten wurde die Einigung denn auch mit Enttäuschung
       aufgenommen. Der Euro kam unter Druck, aus der Wall Street kamen bitterböse
       Kommentare.
       
       Vor allem die USA hatten gehofft, dass die Eurozone eine "Bazooka" aus der
       Tasche zieht und – etwa mit Geld aus der Europäischen Zentralbank – die
       Märkte stabilisiert. Dem hat Merkel nun einen Riegel vorgeschoben –
       stattdessen wird eisern gespart.
       
       9 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte Eurokrise: Schreddern wir Europa?
       
       Eurobonds retten den Euro nicht. Im Gegenteil, wenn wir den Euro sterben
       lassen, könnte sich wieder eine europäische Solidarität entwickeln.
       
 (DIR) Kommentar Fiskalunion der Eurozone: Merkels Mogelpackung
       
       Der Entwurf Angela Merkels zu einer "Fiskalunion" enttäuscht auf ganzer
       Linie. Das, was die Eurozone eigentlich braucht, hat die Kanzlerin
       verhindert.
       
 (DIR) Fiskalunion für die Eurozone: Wachstum wird zur Nebensache
       
       Die geplante Fiskalunion für die Eurozone setzt auf Disziplin und
       Sanktionen. Für interessierte Nicht-Euro-Länder soll es aber viele
       Ausnahmen geben.
       
 (DIR) Europäische Währungskrise: Regierung rettet Banken
       
       Deutsche Geldhäuser brauchen Kapital, Italien muss Rekordzinsen zahlen –
       ein Rettungsfonds soll helfen. Trotzdem bezeichnet Kanzlerin Merkel
       Eurobonds als "Fehler".
       
 (DIR) Kreditwürdigkeit der EU-Länder: Eurokrise bleibt trotz Gipfel
       
       Die Zinsen für Italien sind auf Rekordniveau. Die Ratingagentur Moody's
       droht, die EU-Länder herabzustufen. Helfen muss der Internationale
       Währungsfond nicht.
       
 (DIR) Sturm auf Lettlands Bankautomaten: Sparer geraten in Panik
       
       Falscher Konkurs-Alarm: Kunden der Swedbank versuchen ihre Konten leer zu
       räumen. Die Betreiber sehen in der größten Bank Lettands eine der stärksten
       Europas.
       
 (DIR) Pressestimmen nach dem Euro-Gipfel: Briten streiten über Veto
       
       Nach seiner Absage an einen EU-Haushaltspakt fürchten die Kommentatoren,
       dass Premier Cameron sein Land isoliert. So würde er auch der
       Finanzindustrie schaden.
       
 (DIR) Londons Sonderweg in der EU: Schluss mit den Extrawürsten
       
       Nicht zum ersten Mal haben die Briten versucht, sich Vorteile in der EU zu
       erstreiten. Ihr Scheitern beim EU-Gipfel wird im Europäischen Parlament
       begrüßt.
       
 (DIR) Britischer Premier David Cameron: Der Instinkt treibt ihn an
       
       Bei David Camerons Veto auf EU-Ebene geht es vor allem um Punktesammeln in
       der Heimat. Aber er sieht sein Land auf der richtigen Seite der Geschichte.
       
 (DIR) Kommentar EU-Gipfel: Sparen, bis der Abschwung kommt
       
       Merkel schaufelt am Grab der Eurozone. Wenn jetzt europaweit gespart wird,
       dann verstärkt sich der Abschwung ungebremst. Davor haben die Investoren
       Angst. Zu Recht.
       
 (DIR) Kommentar Großbritannien und die EU: Schwarze Löcher statt Europa
       
       London hat einen EU-Vertrag verhindert - ein Schurke ist das Land nicht.
       Das Funktionieren seiner Finanzindustrie ist der Regierung wichtiger als
       der Ausbau der EU.
       
 (DIR) Streit auf dem Euro-Rettungsgipfel: Der Gipfel spricht noch nicht Deutsch
       
       Streit in Brüssel: Mehrere Länder widersetzen sich Merkels Plan für eine
       EU-Vertragsänderung. Doch zur Not will die Kanzlerin ihre Vorstellungen
       durchdrücken.
       
 (DIR) Vorschau auf den Euro-Gipfel: Wiener Kongress in Brüssel
       
       Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy wollen um
       jeden Preis die EU-Verträge ändern. Das ruft Widerstand aus anderen Staaten
       hervor.