# taz.de -- Grüner Schulz über Putins Russland: "Ich hoffe, es gibt Neuwahlen"
       
       > Sollte die Abstimmung nicht wiederholt werden, stünde Putin als totaler
       > Schwächling da, sagt der grüne Europaabgeordnete Werner Schulz. So könne
       > man nicht in die Geschichte eingehen.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen Putin in St. Petersburg.
       
       taz: Herr Schulz, das Europaparlament hat am Mittwoch und damit einen Tag
       vor dem EU-Russland-Gipfel eine Resolution verabschiedet, in der
       Duma-Neuwahlen gefordert werden … 
       
       Werner Schulz: Diese Forderung richtet sich in erster Linie an Staatschef
       Medwedjew, der bisher vier Jahre lang so eine Art Vizepräsident unter Putin
       war. Wenn er wirklich noch zeigen will, dass er im letzten Moment ein
       Präsident ist, und sich einen starken Abgang verschaffen möchte, um nicht
       als totaler Schwächling in die Geschichte einzugehen, könnte er zumindest
       aus der Position seines Amtes diese Neuwahlen anordnen.
       
       Wie stehen die Chancen dafür? 
       
       Ich habe die Hoffnung, dass es dazu kommt. Denn sollte der Kreml Neuwahlen
       verweigern, steht der Zar Putin trotzdem nackt da, und die gesamte
       Frustration wird sich auf die Präsidentschaftswahl im März konzentrieren.
       Will Putin diese Wahl nicht gefährden, muss dieser Konflikt gelöst werden.
       Russland braucht jetzt eine Modernisierungspartnerschaft nicht nur mit der
       EU, sondern auch mit der eigenen Bevölkerung. Was übrigens den Erfolg von
       Neuwahlen angeht, so haben wir das auch in anderen Fällen gesehen, wie Ende
       der 90er Jahre in Serbien unter Milosevic und 2004 nach den Massenprotesten
       in der Ukraine.
       
       Von Neuwahlen einmal abgesehen: Wie bewerten Sie die laufenden
       Verhandlungen über das Partnerschaftsabkommen mit Russland vor dem
       Hintergrund der jüngsten Ereignisse? 
       
       Ich bin bisher hinsichtlich des Modernisierungs- wie auch des
       Partnerschafts- und Kooperationsabkommens überzeugt, dass das für beide
       Seiten sinnvoll ist. Dort wollen wir nicht nur die ökonomischen Beziehungen
       regeln, sondern auch unsere Grundwerte, wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
       und Korruptionsbekämpfung fixieren. Das sind nach wie vor die großen
       Probleme in Russland. Hier ist und bleibt die Hilfe der EU durchaus
       gefragt. Und sie war bisher auch eine treibende Kraft für Russland. Diesen
       Weg müssen wir fortsetzen.
       
       Gerade im Fall Russlands zeigt sich doch, wie schlecht es um eine
       gemeinsame EU-Politik bestellt ist … 
       
       Das würde ich nicht so skeptisch sehen. Eine europäische EU-Außenpolitik
       entwickelt sich, wir arbeiten daran. Natürlich gab es immer wieder
       Einzelgänger wie Gerhard Schröder, die wegen partikularer Interessen
       ausgeschert sind. Solche Leute müssen wir einbinden. Gerade deshalb ist das
       EU-Parlament mit seinen Resolutionen wichtig, denn das sind Vorgaben für
       die Verantwortlichen wie die EU-Außenbeauftragte Ashton. Mit den
       Resolutionen bekommt die europäische Außenpolitik Profil und Orientierung.
       
       Resolutionen sind das eine. Aber in der Vergangenheit wurde die Politik
       gegenüber Russland immer wieder wirtschaftlichen Interessen geopfert … 
       
       Die deutsche Wirtschaft hat immer wieder anderthalb Augen zugedrückt, wenn
       es um Menschenrechtsverletzungen ging. Andererseits haben die Herren im
       Nadelstreifenanzug auch mitbekommen, dass es sie selbst treffen könnte,
       wenn es in einem Staat keine Rechtssicherheit gibt und man sein
       investiertes Geld nicht wiedersieht.
       
       Kommen wir auf die Neuwahlen zurück. Wie sollte sich die EU verhalten, wenn
       es keine Wiederholung der Abstimmung gibt? 
       
       Ich bin nicht dafür, den Dialog völlig abzubrechen. Aber die EU hat es dann
       mit einem Parlament zu tun, das nicht legitimiert ist. Die Konsequenz wäre,
       die Duma nicht anzuerkennen. Das bedeutet, dass die Kontakte unter
       Vorbehalt laufen und auch die außerparlamentarische Opposition einbezogen
       werden muss.
       
       14 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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