# taz.de -- Opposition in Russland: Ende der Bedeutungslosigkeit
       
       > Die Marginalisierung der Kremlgegner hatte auch hausgemachte Gründe. Was
       > sich jetzt auf Russlands Straßen bewegt, könnte aus dem Teufelskreis
       > herausführen.
       
 (IMG) Bild: Die jüngeren Demonstranten sind oft Kinder des Wirtschaftsbooms, die jetzt mitreden wollen.
       
       MOSKAU taz | Ein großes Foto des Leninmausoleums hält der junge Demonstrant
       in die Luft. Unter dem Bild steht: "Putin, wir glauben, hoffen und warten."
       Die Ablehnung des korrupten Systems Putin verbindet alle oppositionellen
       Gruppen und Grüppchen in Russland. Viel weiter reichte die Gemeinsamkeit
       der Kremlgegner in der Vergangenheit jedoch nicht.
       
       Der heterogenen Opposition fehlte eine gemeinsame Linie. Ihre Schwäche ließ
       sich nicht nur dem autoritären Vorgehen der Staatsmacht zuschreiben. Die
       politische Marginalisierung hatte auch hausgemachte Gründe. Es fehlte nicht
       nur an einer übergreifenden Strategie, darauf hätte man sich vielleicht
       sogar noch einigen können. Häufiger scheiterten die Fusionsbemühungen an
       der Frage: Und wer wird jetzt der Chef?
       
       Was sich jetzt auf Russlands Straßen bewegt, könnte ein Chance bieten, aus
       diesem Teufelskreis herauszufinden. Die jüngeren Demonstranten sind Kinder
       des Wirtschaftsbooms, die einen gewissen Wohlstand erreicht haben und nun
       Mitsprache verlangen. Teilhabe, die das korrupte System den Bürgern mit
       einer Wiederwahl Putins ins Präsidentenamt bis 2024 vorenthalten wollte.
       Die blitzartige Reaktion der jüngeren und gebildeten Internetklientel
       stellte die Mobilisierungskraft der anderen Opponenten des Regimes weit in
       den Schatten.
       
       ## Erstmals übers Internet organisiert
       
       Diese Bewegung schafft bereits neue Helden. Darunter den 27-jährigen
       Gründer des russischen Pendants zu Facebook, "vKontakte" (Im Kontakt),
       Pawel Durow. Das Portal war die Plattform, über die zum ersten Mal in
       Russland Demonstrationen organisiert wurden. Der Geheimdienst FSB forderte
       ihn auf, die Accounts der Oppositionsgruppen zu löschen. Er weigerte sich
       und erhielt eine Vorladung der Staatsanwaltschaft.
       
       Bislang beherrschte die gescheiterte Demokratiebewegung der 1990er Jahre
       die liberale Opposition. Der ehemalige Vizepremier Boris Nemzow etwa, der
       der Bewegung Solidarnost angehört und der vergeblich versuchte mit "Parnas"
       eine neue demokratische Partei vor den Dumawahlen zu registrieren.
       
       Mitstreiter sind der frühere Duma-Abgeordnete Wladimir Ryschkow und der
       Exregierungschef Michail Kasjanow. Sie waren zwar immer präsent, zu den
       Protestaktionen kamen jedoch selten mehr als tausend Demonstranten. Ob sich
       die älteren Herren über 50 in der neuen Protestgeneration einen festen
       Platz erobern können, muss sich erst zeigen. Der Massenprotest überraschte
       auch sie. Dennoch gehörten sie in vorderer Linie mit zu den Organisatoren
       der Demonstration.
       
       ## Gurus der linken Szene
       
       Zu den alteingesessenen Oppositionellen gehört auch der Chef der "Linken
       Front" Sergej Udalzow. Er ist so etwas wie ein Berufsrevolutionär von
       Kinderbeinen an, der schon unzählige Haftstrafen abgesessen hat. Amnesty
       International erkannte den 34-jährigen Juristen daher auch als
       Gewissenshäftling an. Die Anziehungskraft linker Bewegungen und der Antifa
       auf Jugendliche nahm besonders in der letzten Zeit zu.
       
       Auch der schillernde Schriftsteller Eduard Limonow (Erstlingswerk "Fuck
       off, America) war lange als Kopf der Nationalbolschewiken (NBP) ein Guru
       der linken Szene. Die NBP ist als Partei inzwischen verboten. Die Bewegung
       bleibt aber aktiv und kann sich auf einen festen Sympathisantenkreise
       verlassen. Sie ist aber nicht mehr wie noch vor einigen Jahren das
       Gravitationszentrum der linken Opposition.
       
       Ideologisch verkörpern die Nationalbolschewiken, wie es der Parteiname
       andeutet, eine Mischung aus Rot und Braun. Limonow berief sich auf den
       Weimarer Nationalbolschewiken Ernst Niekisch als ideologischen Stammvater.
       Entsprechend hybride Ergüsse finden sich auch im Gründungspamphlet der
       braunen Bolschewiken. Vor allem ist der Poet aber ein Selbstdarsteller.
       Einer von denen, die Chef sein müssen und eine Gefolgschaft brauchen.
       
       Eine medial im Westen wirksame Gruppe stellen auch die zahlreichen
       Menschenrechtler dar, die selten einer Partei angehören. Den Anspruch,
       Opposition zu sein, erheben auch die in der Duma vertretenen Parteien der
       Kommunisten (KPRF) und der Liberaldemokraten (LDPR) des Politnarren
       Wladimir Schirinowski. In Russland laufen sie unter dem Label
       "systemkonform". Wie auch die Partei Gerechtes Russland. Sie wurde vom
       Kreml als Linkspartei gegründet, zuletzt übte sie harsche Kritik am Regime.
       
       11 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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