# taz.de -- Gerichtsentscheid zu Kernbrennstoffsteuer: Anschlusstreffer gegen Atomlobby
       
       > Das Finanzgericht Baden-Württemberg hält die Steuer auf Brennelemente in
       > AKWs für verfassungskonform. Es geht um 920 Millionen Euro pro Jahr.
       
 (IMG) Bild: Besteuerbar? Atombrennelemente im Reaktor Isar 2.
       
       BERLIN taz | Seit einem Jahr müssen Atomkonzerne eine Steuer auf ihre
       Kernbrennstoffe zahlen – jetzt hat zum ersten Mal ein Gericht entschieden,
       dass die Abgabe nicht gegen die Verfassung verstößt. Eine Art juristischer
       Anschlusstreffer, denn im September und Oktober 2011 urteilten die
       Finanzgerichte in Hamburg und München jeweils genau andersherum. Endgültig
       entschieden wird wahrscheinlich vor dem Bundesfinanzhof oder dem
       Bundesverfassungsgericht.
       
       Eigentlich wollte der Bund mit der Steuer bis zu 2,3 Milliarden Euro im
       Jahr einnehmen. Sie ist ein Relikt der Energiepolitik von Schwarz-Gelb:
       2010 beschlossen, sollten mit ihr die Zusatzgewinne der Konzerne aus der
       damals beschlossen Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke abgeschöpft
       werden. Das stand zwar nicht explizit im Gesetz, war aber Teil des
       politischen Deals.
       
       Nachdem die Bundesregierung den Atomausstieg im vergangenen Jahr rückgängig
       machte, klagten EnBW, Eon und RWE gegen die Steuer. Nach Schätzungen aus
       dem Dezember sollte sie, verringert durch die vom Netz gegangenen AKWs,
       immerhin noch rund 920 Millionen Euro im Jahr 2011 bringen.
       
       Bisher heißt das Urteil allerdings nur, dass EnBW die Steuer vorerst
       weiterhin zahlen muss, auch wenn die Rechtslage noch nicht geklärt ist. RWE
       und Eon haben nach ihren Erfolgen vor Gericht die gezahlten Abgaben in Höhe
       von zusammen rund 170 Millionen Euro vorläufig erstattet bekommen. In
       Stuttgart steht ohnehin noch das Hauptverfahren aus.
       
       ## Die Entscheidung liegt beim Bundesfinanzhof
       
       Unabhängig davon beschäftigt sich der Bundesfinanzhof als oberste Instanz
       mit der Rechtmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer, seine Entscheidung wird
       maßgeblich sein. Sollten die Energiekonzerne auch hier unterliegen, bleibt
       ihnen noch eine Verfassungsbeschwerde.
       
       Hauptstreitpunkte sind, ob der Bund eine solche Steuer überhaupt einführen
       darf. Als Verbrauchssteuer könnten die Länder zustimmungspflichtig sein,
       möglicherweise handelt es sich um eine neue Art von Steuer, die erst im
       Grundgesetz definiert werden müsste. Das Stuttgarter Gericht verwarf diese
       Argumentation.
       
       Zudem sehen die AKW-Betreiber ihr Eigentumsrecht verletzt, auch werde eine
       Form der Energiegewinnung einseitig belastet. Das sahen die Stuttgarter
       Richter ebenfalls als unbegründet an – auch dass Deutschland durch die
       Steuer Verpflichtungen der Europäischen Atomgemeinschaft verletze.
       
       Um diese Frage zu klären, könnten deutsche Gerichte auch noch den
       Gerichtshof der Europäischen Union hinzuziehen. Bis die Sache vor allen
       Instanzen entschieden ist, werden wahrscheinlich noch Jahre ins Land
       ziehen.
       
       12 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Klage gegen den Atomausstieg: Vattenfall will Entschädigung
       
       Vattenfall verklagt Deutschland vor der Weltbank wegen Vernichtung von
       Vermögen. Der Konzern will sich die Stilllegung seiner AKW versilbern
       lassen.
       
 (DIR) Europa-Grüner Bütikofer über Energiepolitik: Die Illusion der deutschen Industrie
       
       Der Grünen-Politiker Bütikofer über Rohstoffe, neue Marktmächte und warum
       er die Rohstoffpartnerschaft zwischen Deutschland und Kasachstan für einen
       Irrweg hält.
       
 (DIR) Auch EnBW will Bundesregierung verklagen: Drei gegen die Brennelementesteuer
       
       Der baden-württembergische Energiekonzern will als dritter Versorger gegen
       die Brennelementesteuer klagen. EnBW führt an, die Steuer verursache
       Verluste dreistelliger Millionenhöhe.
       
 (DIR) Kritik an Brennelementesteuer: RWE und Eon reichen Klage ein
       
       Die Konzerne machen Ernst: RWE und Eon wollen mit einer Klage gegen die
       Brennelementesteuer Milliardenzahlungen an den Bund verhindern. Die
       Regierung bleibt gelassen.
       
 (DIR) Atomkonzerne und FDP gegen Energiewende: Lindner warnt vor Entschädigungen
       
       Atomkonzerne glauben, dass das Energiekonzept der Regierung juristisch
       nicht wasserdicht ist. Auch die FDP ist nun skeptisch. Christian Lindner
       schiebt flott der Union die Verantwortung zu.
       
 (DIR) Begründung "Energiewende": Schwarz-Gelb stellt Atomsteuer infrage
       
       Die Bundesregierung will die gerade erst eingeführte Brennelementesteuer
       abschaffen. Laut Financial Times Deutschland sei das "Teil eines
       informellen Geschäfts" mit den Atomkonzernen.