# taz.de -- Islamisten in Ägypten: "Muslimbrüder sind die neue Kraft"
       
       > Den USA ist die Stabilität Ägyptens wichtig. Deshalb führt kein Weg an
       > Gesprächen mit den demokratisch gewählten islamischen Parteien vorbei.
       
 (IMG) Bild: Mohammed Morsy, Vorsitzender der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei am 16. Januar in Kairo, Ägypten.
       
       taz: Frau Viola, wie wichtig ist Ägypten nach dem Sturz von Mubarak noch
       für die USA? 
       
       Lora Anne Viola: Ägypten spielt nach wie vor eine wichtige geostrategische
       Rolle. Es ist weiterhin der Garant für Stabilität im Nahen Osten. Deswegen
       haben die USA die jährliche Militärhilfe von 1,3 Milliarden Dollar auch
       nach dem Rücktritt von Mubarak nicht gekürzt.
       
       Trotzdem gibt es offenbar eine Entfremdung zwischen den traditionellen
       Partnern, also zwischen den USA und dem ägyptischen Militär. Dies kann man
       an der Entscheidung des Militärs sehen, Büros amerikanischer
       Menschenrechtsorganisationen in Kairo zu schließen. 
       
       Ja, das stimmt. Die USA müssen jetzt einen Spagat hinkriegen. Einerseits
       gibt es starke Bindungen zum Militär. Das war ja auch der Grund dafür,
       warum die USA Mubarak so lange wie irgend möglich gestützt haben.
       Andererseits zeigen die Wahlergebnisse, dass die Muslimbrüder die neue
       politische Kraft sind. Die USA müssen also auch mit ihnen reden.
       
       Mit islamischen Gruppen zu verhandeln fällt den USA nicht leicht. 
       
       Nein, sie waren da traditionell immer misstrauisch. Aber die
       Obama-Administration hat hier einen Paradigmenwechsel vollzogen.
       Demokratisch gewählte islamische Parteien sind kein Tabu mehr, sondern
       werden nun von den USA als Verhandlungspartner akzeptiert.
       
       Werden die USA jetzt, nachdem die Diktatur nicht mehr zu halten ist, die
       Demokratiebewegung in Ägypten unterstützen? Oder werden sie bei ihrer
       Strategie bleiben, wonach nur das Militär für Stabilität sorgen kann? 
       
       Das genau wird gerade diskutiert. Sicher ist, dass es in Washington
       inzwischen eine starke Abneigung gegen Interventionen gibt. Selbst gegen
       Interventionen, die die Demokratie befördern sollen.
       
       Weil die Interventionen im Irak und in Afghanistan so schiefgegangen sind? 
       
       Ja. Obamas Rede vom Ende der Ära 9/11 meint ja, dass man sich zukünftig mit
       direkten Einmischungen zurückhalten wird. Entsprechend wurde auch die
       Militärstrategie geändert, die keine langfristigen Nation-Building-Projekte
       mehr unterstützt.
       
       1,3 Milliarden Dollar pro Jahr für das ägyptische Militär sind aber doch
       eine ziemlich direkte Einmischung in das Land. 
       
       Sicher. Die USA wollen Stabilität, das ist das, was sie interessiert -
       nicht zuletzt auch wegen Israel. Ägypten spielt da eine Schlüsselrolle. Und
       wenn Stabilität bedeutet, dass man das Militär finanzieren und gleichzeitig
       mit den Muslimbrüdern reden muss, dann wird die Obama-Administration das
       tun.
       
       Sie finden es richtig, dass die USA mit den Muslimbrüdern reden? 
       
       Es ist schlicht nicht mehr zu vermeiden und es ist vernünftig. Wenn die USA
       Interesse daran haben, dass die Muslimbrüder sich nicht radikalisieren und
       dass Ägypten nicht im Chaos versinkt, sondern sich demokratisiert, dann
       müssen sie mit den gewählten Parteien in Dialog treten. Die USA müssen
       anerkennen, dass islamische Parteien in der Zukunft des Nahen Ostens eine
       zentrale Rolle spielen werden.
       
       Wird diese Öffnung gegen über allen demokratisch gewählten, also auch
       islamischen Parteien rückgängig gemacht, wenn die Republikaner die
       amerikanischen Wahlen gewinnen? 
       
       Nein, das glaube ich nicht. Auch die Republikaner werden versuchen,
       Stabilität herzustellen. Und die ist ohne die Muslimbrüder beziehungsweise
       ohne islamische Parteien im Nahen Osten nicht mehr zu haben. Vielleicht
       werden die Republikaner sich einer anderen, muslimkritischeren Rhetorik
       bedienen, auch um sich von Obama abzugrenzen. Mehr aber auch nicht.
       
       Viele jüngere Leute, die gegen die Mubarak-Diktatur gekämpft haben, sehen
       das Militär als die zentrale Gefahr für die Demokratisierung, nicht die
       Muslimbrüder. Müssten die USA also nicht vor allem darauf drängen, dass das
       Militär sich für demokratisches Gedankengut öffnet? 
       
       In der Obama-Regierung wächst ja allmählich die Erkenntnis, dass das
       Militär sich nicht korrekt verhält. Die Zukunft des
       Demokratisierungsprozesses wird von der Bereitschaft des Militärs abhängen,
       Macht abzugeben, aber auch davon, ob sich die islamischen Parteien
       glaubhaft zu einer Mäßigung und zur Demokratie bekennen werden.
       
       22 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ines Kappert
       
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