# taz.de -- CNN-Reporter über seine Arbeit in Syrien: "Öffentliche Treffen waren tabu"
       
       > CNN-Kriegsreporter Nic Robertson sprach exklusiv mit der taz über die
       > Arbeitsbedingungen in Syrien, die Oppositionsszene und wie er einen
       > Anschlag um Minuten verpasste.
       
 (IMG) Bild: Der Brite konnte sich unbemerkt unter die Oppositionellen mischen, da die Aufpasser Angst hatten, Damaskus zu verlassen.
       
       taz: Mr. Robertson, wie würden Sie die Situation in der syrischen
       Hauptstadt Damaskus beschreiben? 
       
       Nic Robertson: Oberflächlich wirkt Damaskus unberührt vom Chaos in vielen
       Teilen des Landes. Aber das ist Illusion. Die Preise sind explodiert. Viele
       Tagelöhner sind arbeitslos. Militärbasen und Regierungsgebäude haben
       erhöhte Sicherheitsvorkehrungen, bewaffnete Soldaten patrouillieren dort,
       wo man sie nie zuvor gesehen hat. Rings um wichtige Gebäude wurden
       Straßensperren und Betonmauern errichtet. Es gibt auch Checkpoints.
       
       Konnten Sie sich frei bewegen? 
       
       Ja, obwohl wir oft die Drehgenehmigung vorzeigen mussten. Irgendwem, der
       uns anhielt. Wir wussten, dass Geheimpolizei in der Hotellobby war, und
       nahmen an, dass unsere Telefone abgehört und wir wahrscheinlich auch
       verfolgt wurden. Das können wir aber bis heute nicht sicher wissen,
       trotzdem haben wir es vermieden, die Damaszener Opposition öffentlich zu
       treffen, da es die Gesprächspartner gefährdet hätte. Und uns womöglich
       auch.
       
       Wie konnten Sie arbeiten? Waren Agenten des Informationsministeriums immer
       dabei? 
       
       Ein Bewacher der Regierung war für uns abgestellt, kam aber selten mit. Die
       meisten, Fahrer, lokale freie Mitarbeiter und auch die Agenten, haben Angst
       davor, Damaskus zu verlassen. Sie fürchten Attacken, so konnten wir den
       Beobachtern der Arabischen Liga unbeachtet folgen. Wir fuhren über Polizei-
       und Armeecheckpoints. Allein hätten wir Orte wie Sabadani und Hama nicht
       sehen können. Wir sprachen mit den Beobachtern, sie waren sehr hilfsbereit
       und gestatteten uns, ihre Arbeit zu filmen. Sie durften uns nur offiziell
       keine Interviews geben.
       
       Haben Menschen auf der Straße Sie angesprochen? Wie haben Sie
       Interviewpartner aus der Opposition gefunden? 
       
       Die meisten Gesprächspartner fanden wir selbst. Auch beim einzigen von der
       Regierung organisierten Trip, den wir mitgemacht haben, nach Homs, konnten
       wir mit jedem sprechen. Die Oppositionellen waren sehr offen. Allgemein
       werden die Syrer polarisierter und wütender. Sie hatten keine Scheu, zu uns
       zu kommen und uns ihre Gedanken zu erklären, wenn sie sich sicher fühlten.
       Die Regierungstreuen fühlten sich in ihren Gebieten sicher, die
       Oppositionellen in ihren "befreiten" Gebieten. Es gibt aber auch viele, die
       dazwischen stehen, sie wollen Veränderung, eine neue Regierung, fürchten
       aber die Instabilität.
       
       Wie haben die Mitarbeiter des Informationsministeriums Ihnen die Unruhen
       erklärt? 
       
       Westliche Medien und Regierungen sollen den Aufstand angezettelt haben und
       der Opposition Glaubwürdigkeit schenken. Die USA werden beschuldigt, den
       Aufstand zu bewaffnen. Es heißt, sie wollen das Miteinander der Religionen,
       besonders der Christen und der Alawiten, zerstören. Die Kämpfer sollen
       Al-Qaida-Terroristen sein, die Chaos stiften wollen. Die Regierung spielt
       so mit selbst kreierten Ängsten.
       
       Am 11. Januar wurde in Homs der französische Kameramann Gilles Jacquier
       getötet, obwohl er mit einer Regierungsdelegation unterwegs war. Konnten
       Sie den Fall untersuchen? Wie wurden Sie beschützt? 
       
       Dem Fall konnten wir nicht nachgehen, waren jedoch am selben Platz, nur
       Sekunden vor dem Angriff. Die Agenten hatten Jacquier und uns an denselben
       Ort gebeten, um eine Pro-Assad-Demonstration zu filmen, aber wir lehnten
       ab. Dann sahen wir einige von Jacquiers Gruppe zu einer Gruppe
       Demonstranten gehen. Innerhalb von zehn Minuten hörten wir dann vom
       Mörserangriff auf die Kollegen. Die Agenten sagten uns, dass die
       Opposition, die aber noch nie Mörser benutzte, angegriffen habe. Was mir
       auffiel: Die Demonstration war sehr klein, sah aus wie von der Regierung in
       letzter Minute organisiert, weil wir da waren. Und: Der Angriff wurde sehr
       militärisch durchgeführt. Zuerst wurden drei oder vier Salven abgefeuert,
       dann konnte der Schütze mit Hilfe eines Beobachters exakt kalibrieren und
       zielgenau auf den Kameramann feuern.
       
       26 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasna Zajcek
       
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