# taz.de -- Mitt Romney in Miami: Un presidente excelente
       
       > Entscheidungstag in Florida: Bei den Vorwahlen buhlen die
       > republikanischen Kandidaten um die Latinos. Keine Wählergruppe wächst in
       > den USA schneller.
       
 (IMG) Bild: Floridas Latinos, wie diese Puertoricanerin, sind heiß umkämpft bei den republikanischen Präsidentschaftskandidaten.
       
       MIAMI taz | "Hablas español?", fragt der kleine alte Mann zurück. An seinem
       Hemd prangt ein Sticker für Romney als Präsident. Als der große blau-weiße
       Bus vorfährt und den Kandidaten samt Gattin sowie einen Sohn und einen
       Enkel ausspuckt, skandiert der Mann zusammen mit Hunderten von Umstehenden
       zwei Worte zur Begrüßung: "USA – USA." Und: "Mitt – Mitt." Mehr gibt das
       Englisch der Älteren auf dem Platz nicht her.
       
       Der 74-jährige Angel Avalo lebt seit mehr als drei Jahrzehnten im Stadtteil
       Hialeah, einer Hochburg der Exilkubaner von Miami. "Hier sprechen alle
       Spanisch", sagt er.
       
       Als junger Mann hat er in den Bergen von Escambray in Kuba gegen Castro
       gekämpft. Nach 17 Jahren Gefangenschaft ging er in die USA ins Exil. An
       diesem Sonntag vor den Primaries steht er mit seiner Frau Lidia, die in
       Miami landete, nachdem sie dem sandinistischen Nicaragua den Rücken gekehrt
       hat, in der Menschenmenge in Hialeah und schwenkt ein kleines US-Fähnchen.
       
       "Obama bringt es nicht, er ist Kommunist", sagt Avalo. "Er ist Sozialist",
       korrigiert ihn seine Frau. Beide sind sich einig, dass es in Miami "nicht
       genug Arbeit" gibt. Und nicht genug Stipendien für Studenten wie ihren
       Sohn, von dem Avalo zwei Bilder in der Brieftasche mit sich trägt. Avalo
       ist überzeugt, dass Romney diese Missstände ändern wird. Es irritiert ihn
       nicht, dass sein Kandidat angekündigt hat, er werde sparen und die
       Staatsausgaben kürzen.
       
       ## Briefe für den Republikaner
       
       Wie die meisten anderen, die an diesem feucht-warmen Sonntag auf dem Platz
       in Hialeah stehen, hat Avalo seine Stimme schon vor Tagen per Briefwahl
       abgegeben. Damit folgen sie der Empfehlung der ebenfalls aus Lateinamerika
       stammenden Ratsleute und dem Rat des republikanischen Dreigestirns, das
       seit beinahe einem Vierteljahrhundert ihre Interessen im Repräsentantenhaus
       in Washington vertritt. Die Abgeordneten Ileana Ros-Lehtinen und die
       Gebrüder Diaz-Balart stehen an diesem Nachmittag ebenfalls auf dem Podium.
       Lincoln und Mario Diaz-Balart sind Neffen der ersten Gattin von Fidel
       Castro und zugleich ein permanentes Echo aus den USA auf die beiden anderen
       Brüder in Havanna.
       
       "Hialeah presente", ruft ein Ratsherr mit dunkel gefärbtem Haar ins
       Mikrofon und fährt – ebenfalls auf Spanisch – fort: "Willkommen in der
       republikanischsten Stadt der USA." Romney, der bei anderen
       Wahlkampfauftritten über leere Bühnen hin und her geht, hat an diesem
       Nachmittag viel Körperkontakt: "Un presidente excelente."
       
       Ein Diaz-Balart-Bruder begrüßt ihn als "nächsten Präsidenten der USA".
       Ros-Lehtinen spricht von der mit Romney bevorstehenden großen Veränderung.
       Begründung: "Er macht einen Unterschied zwischen Alliierten und Feinden."
       Dann zählt sie Namen demokratisch gewählter Regierungs- und Staatschefs in
       Nachbarländern im Süden des Kontinentes auf. Das Publikum buht alle aus:
       Chávez. Morales. Ortega.
       
       ## Das große Ziel: Obama abwählen
       
       Vielen im Publikum sind die aggressiven außenpolitischen Thesen von Newt
       Gingrich sympathischer als Romney. Aber sie glauben nicht, dass er eine
       Chance hätte, gegen den aktuellen Präsidenten zu gewinnen. Und Obamas
       Abwahl ist in diesem Kreis das oberste Ziel. Darin unterscheiden sich die
       Kubaner von Miami kein bisschen von anderen Republikanern.
       
       Und wie gebärdet sich Romney? Für ihn ist es ein Auftritt im sprachlichen
       Ausland. Als er selbst an die Reihe kommt, übergibt er das Mikrofon seinem
       jüngsten Sohn. "Mein Papa spricht kein Spanisch", sagt Craig Romney auf
       Spanisch ins Mikrofon: "aber er versteht etwas von Wirtschaft, von
       Wohlstand und von Freiheit." Dann beschreibt er einen Vater, der viele
       Erfolge habe, aber seine beste Rolle zuhause spiele: "in den eigenen
       Wänden, in der Familie".
       
       Ohne Newt Gingrich namentlich zu nennen, stellt er damit nebenbei auch den
       zweimal geschiedenen und zweimal konvertierten Rivalen seines Vaters bloß.
       Das Publikum klatscht begeistert. Craig Romney glänzte in der vergangenen
       Woche täglich mit solchen Auftritten, die ans Gemüt der als
       familienorientiert geltenden Hispanics appellieren. Seine
       Spanischkenntnisse hat er als Mormone erworben. Ein Mormone muss zwei Jahre
       lang im Ausland missionieren. Romney senior hat das Ende der sechziger
       Jahre in Paris getan. Der Sohn in Chile.
       
       ## Heiß umworbene Wähler
       
       Doch nicht nur Romney, sondern alle vier republikanischen Kandidaten haben
       die "Hispanics" von Florida umworben wie keine andere Wählergruppe. In
       Florida stellen sie 22,5 Prozent der Bevölkerung. Neben den Millionen von
       Rentnern, die aus dem Norden gekommen sind, haben sie den "Sunshine State"
       aus dem Süden verstärkt. In nur einem halben Jahrhundert ist Floridas
       Einwohnerzahl von 5 auf 19 Millionen gewachsen. Und die "Hispanics" sind in
       sämtliche gesellschaftliche Sphären gerückt.
       
       Darum haben in Florida alle vier Kandidaten von der Notwendigkeit einer
       neuen Migrationspolitik gesprochen. Haben spanischsprachige Werbung
       geschaltet. Haben angekündigt, sich stärker um Lateinamerika zu kümmern.
       Und haben um Senator Marco Rubio gebuhlt. Sie haben ihm einen Spitzenjob in
       ihrer künftigen Regierung in Aussicht gestellt.
       
       Der vierzigjährige Sohn von kubanischen Arbeitern in Miami hat eine
       Tellerwäscherkarriere gemacht, seit er im November 2010 auf der
       Tea-Party-Welle in den Senat kam. Zwar musste er inzwischen seine
       Geschichte korrigieren, nach der sein eigener Vater vor dem Kommunismus
       geflohen sei: Seine Eltern haben die Insel schon vor der Revolution
       verlassen. Doch seiner politischen Karriere tat das keinen Abbruch. Seine
       Vorzüge sind: Er ist jung, hispanic, gilt in republikanischen Kreisen als
       besonnen. Als Tea-Partier kann er zudem auch für die wütende Basis
       sprechen. Doch Rubio drückt sich noch vor der erhofften Wahlempfehlung.
       
       ## Jobs statt Immigrationspolitik?
       
       Stattdessen rückt er die vier Kandidaten zurecht. Kritisiert Gingrich, als
       der Romney vorwirft, er sei "immigrationsfeindlich". Und sagt am Freitag
       vor den Vorwahlen bei einer Konferenz der republikanischen Lobbygruppe
       "Hispanic Leadership" in Miami: "Die Immigration ist nicht unser erstes
       Anliegen. Unser erstes Anliegen sind Jobs."
       
       Dazu muss man wissen: Miamis Kubaner hatten und haben es mit einer
       vergleichsweise privilegierten Situation zu tun. Die USA haben alle Kubaner
       - inklusive die 125.000 "Marielitos", die 1980 kamen - mit Papieren
       versorgt. Und bis heute gilt für Kubaner die Regel: Wer es schafft, einen
       Fuß auf US-Boden zu setzen, darf bleiben. Ebenfalls großzügig empfangen
       wurden Flüchtlinge aus Kolumbien, Nicaragua und zuletzt aus Venezuela.
       
       ## Die schweigende Mehrheit der Illegalen
       
       Unterdessen leben 11 Millionen andere Einwanderer in den USA – darunter
       eine Mehrheit von Mexikanern und Millionen von in den USA aufgewachsenen
       Jugendlichen – in einer rechtlosen Lage ohne jede Aussicht auf legale
       Papiere. Sie sind so zahlreich wie die in Kuba lebenden Kubaner.
       
       Alle Anwälte, Unternehmer, die Chefs spanischsprachiger Sender und
       Wissenschaftler, die in Miami bei der "Hispanic Leadership"-Konferenz
       Rubios Rede hören, kennen jemanden, der "illegal" in den USA ist oder der
       erst gar nicht ins Land kommt. Sie wissen, dass die Immigrationspolitik
       nicht funktioniert. Aber den Mut, einen neuen Reformanlauf zu unterstützen,
       den haben sie nicht.
       
       Was die Hispanic Republicans abschreckt, sind die beiden gescheiterten
       letzten Versuche, Migrationsreformen einzuleiten. Der eine unter George W.
       Bush. Der andere unter Obama. Vorsichtshalber wollen sie es beim nächsten
       Anlauf anders versuchen: mit vorübergehenden Aufenhaltsgenehmigungen. Und
       mit der Hoffnung, dass die 11 Millionen "Illegalen" das Handtuch schmeißen,
       wenn sie keine Jobs, keine Versicherung und keine Sozialleistungen mehr
       bekommen. Und aus eigenem Antrieb die USA verlassen. "Self-Deportation"
       nennt der Kandidat Romney diese Politik.
       
       ## "Self-Deportation" als Lösung?
       
       Für die 46-jährige Claudia* ist eine "Self-Deportation" undenkbar. Sie ist
       2001 mit ihren beiden Söhnen aus Chile gekommen. Damals konnte sie noch auf
       eine relativ unkomplizierte Amnestie hoffen. Doch das war, wie sie sagt,
       "vor den Türmen". Seit den Attentaten von New York leben Claudia und ihr
       jüngster Sohn unverändert "illegal" in Miami. Nur ihr älterer Sohn hat es
       "geschafft". Er hat kürzlich eine US-Amerikanerin geheiratet und ist zu
       einem Staatsangehörigen des Landes geworden, in dem er aufgewachsen ist.
       
       Claudia darf nicht wählen. Wenn sie dürfte, würde sie Obama eine neue
       Chance geben, auch wenn er 2008 eine Migrationsreform versprach, die nicht
       kam. "Ohne die Republikaner hätte er es geschafft", meint sie.
       
       *Name von der Redaktion geändert
       
       31 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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