# taz.de -- Ergebnisse des EU-Gipfels: Die "eiserne Kanzlerin" setzt sich durch
       
       > Beim EU-Gipfel in Brüssel willigten 25 von 27 EU-Staaten in den neuen
       > Fiskalpakt ein. Doch die Schuldenkrise bleibt ungelöst – und Merkel hat
       > sich nicht unbedingt beliebt gemacht.
       
 (IMG) Bild: Sie weiß, wo es langgeht: Angela Merkel mit Amtskollegen.
       
       BRÜSSEL taz | Europa wird wieder ein wenig deutscher. Beim EU-Gipfel in
       Brüssel konnte sich Kanzlerin Angela Merkel am Montag mit ihrer Forderung
       nach einer Schuldenbremse für alle Euroländer und weit reichenden
       Strukturreformen am Arbeitsmarkt durchsetzen. Allerdings geriet Merkel auch
       wegen deutscher Vorschläge für einen "Sparkommissar" in Griechenland unter
       Beschuss. Kritik kam aus Frankreich, aber auch aus den USA.
       
       "Eine Vormundschaft für ein Land kommt nicht in Frage", sagte Frankreichs
       Präsident Nicolas Sarkozy nach dem Gipfel, der wegen des Streits über
       Griechenland mehrere Stunden länger dauerte als geplant. Einen
       Sparkommissar einzusetzen, sei "nicht akzeptabel", schimpfte
       Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Die "wenig intelligenten Äußerungen"
       würden die Spannungen zwischen den Mitgliedsstaaten "anfachen, statt
       abzubauen", zürnte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.
       
       Die USA kritisierten, die EU habe immer noch keine umfassende Lösung der
       Schuldenkrise vorgelegt. "Es gibt positive Entwicklungen, aber es muss noch
       mehr getan werden", sagte der Sprecher des Weißen Hauses in Washington, Jay
       Carney. Der Gipfel hatte die seit Tagen überfällige Lösung der
       Schuldenkrise in Griechenland erneut verschoben - sie soll nun bis Ende
       dieser Woche nachgeholt werden. Außerdem hatte er die Entscheidung über die
       endgültige Größe des Euro-Rettungschirms ESM vertagt. Er ist zunächst auf
       500 Mrd. Euro ausgelegt, Italien fordert jedoch eine Verdoppelung.
       
       ## Helfen die Programme wirklich gegen die Krise?
       
       Hinter beiden Entscheidungen stand Merkel, die auch diesem Gipfel ihren
       Stempel aufdrückte. Die "eiserne Kanzlerin" wollte "ihren" Fiskalpakt für
       den Euro durchsetzen und einen neuen Plan für Wachstum und Beschäftigung
       auflegen - und bekam ihren Willen. Allerdings ist jetzt schon umstritten,
       ob die beiden Programme wirklich gegen die Krise helfen. Ergebnisse werde
       man wohl frühestens in zwei Jahren sehen, räumte ein Berater der Kanzlerin
       ein.
       
       Der Fiskalpakt sieht vor, dass alle Teilnehmer - bis auf Großbritannien und
       Tschechien sind dies alle 25 EU-Länder - eine Schuldenbremse nach deutschem
       Vorbild einführen. Künftig darf das Budgetdefizit nicht mehr 0,5 Prozent
       der Wirtschaftsleistung überschreiten - im alten Stabilitätspakt waren noch
       drei Prozent erlaubt. Wer das Defizit überzieht, kann von der EU-Kommission
       mit Geldstrafen belegt werden und muss eine "Reformpartnerschaft" eingehen
       - also ein überwachtes Sparprogramm.
       
       Für Streit sorgte bis zuletzt die neue Klausel, dass Länder, die den Pakt
       nicht einhalten, vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden können.
       Merkel wollte erreichen, dass die EU-Kommission ein Klagerecht erhält,
       konnte sich wegen rechtlicher Bedenken aber nicht durchsetzen. Nun sollen
       einzelne Länder gegen „Defizitsünder“ klagen können - zum Beispiel
       Deutschland gegen Frankreich, oder Finnland gegen Griechenland. Damit dies
       nicht zu Chaos und gegenseitiger Verunglimpfung führt, will man sich bis
       zum nächsten EU-Gipfel im März auf ein „geordnetes“ Verfahren einigen.
       
       ## Großbritannien freut sich auf französische Banken
       
       Weniger als erwartet kam auch beim neuen Plan für Wachstum und
       Beschäftigung heraus. Frisches Geld wird es dafür nicht geben; vielmehr
       sollen die EU-Länder die vorhandenen Mittel der EU-Strukturfonds anzapfen.
       Von den insgesamt 82 Milliarden Euro ist das meiste Geld aber schon fest
       verplant. Profitieren sollen zudem nur Länder, in denen die
       Jugendarbeitslosigkeit über 30 Prozent liegt, wie in Spanien. Sie sollen
       allen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anbieten und den Mittelstand
       fördern.
       
       Ähnliche Programme hat die EU in den letzten Jahren gleich reihenweise
       aufgelegt - ohne erkennbaren Erfolg. Zuletzt hatte Merkel 2010 einen
       "Wettbewerbspakt" durchgesetzt; doch davon spricht schon heute niemand
       mehr. Auch beim neuen Fiskalpakt ist Skepsis angebracht. Denn bisher hält
       noch nicht einmal Deutschland die neuen strikten Defizitregeln ein. Und die
       Schuldenbremse hat noch keine ernste Bewährungsprobe überstanden.
       
       Keine Beschlüsse wurden in Brüssel zu den Reizthemen Eurobonds und
       Finanztransaktionssteuer gefasst. Die EU-Kommission und das Europaparlament
       hatten zwar versucht, die Eurobonds in den Fiskalpakt aufzunehmen, waren
       daran aber an Merkels „Nein“ gescheitert. Die Finanztransaktionssteuer
       stößt sich weiter an britischem Widerstand. Frankreich will sie nun im
       Alleingang schon im August einführen.
       
       Der britische Premier David Cameron freut sich offenbar darauf: "Dann
       können wir viele französische Banken in Großbritannien willkommen heißen",
       sagte er in Brüssel - offenbar in der Hoffnung, dass diese wegen der neuen
       Steuer nach London abwandern.
       
       31 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
 (DIR) Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Italien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wachsender Schuldenberg in Italien: Brüssel droht mit Defizitverfahren
       
       Die EU-Kommission stellt wegen des wachsenden Schuldenbergs die Weichen für
       ein Strafverfahren. Bundesfinanzminister will verhandeln.
       
 (DIR) Vorschlag von Merkel und Sarkozy: Ein Sonderkonto für Athen
       
       Merkel und Sarkozy erhöhen den Druck auf Griechenland und drohen offen mit
       einer Pleite des Landes. Gewerkschaften warnen vor einem "Teufelskreis der
       Rezession".
       
 (DIR) Krisengipfel an der Seine: In Paris wird es eng
       
       Die Bundeskanzlerin reist mit zahlreichen MinisterInnen im Gepäck zu den
       deutsch-französischen Konsultationen. Wieder einmal steht Griechenland auf
       der Agenda.
       
 (DIR) Europäische Schuldenkrise: Drachme könnte Griechen ruinieren
       
       Der Ruf, Griechenland solle die Währungsunion verlassen, wird lauter. Doch
       dann drohten Banken- und Firmenpleiten und eine Hyperinflation.
       
 (DIR) Krisenland Spanien: Arbeit ist anderswo
       
       Beatriz Salmerón hat beim Genossenschaftsverband gearbeitet, bis die
       Sparpolitik ihren Arbeitsplatz hinwegfegte. Sie ist eine von 5,3 Millionen
       Arbeitslosen in Spanien.
       
 (DIR) Ökonom zur Eurokrise: "Der Euro wird die Krise überstehen"
       
       Der französische Ökonom Charles Wyplosz kritisiert die deutsche Strategie
       zur Eurosanierung. Er ist für Haushaltsdisziplin und eine Verkleinerung des
       öffentlichen Sektors.
       
 (DIR) Kommentar EU-Gipfel: Europa wird deutsch
       
       Merkels Fiskalplan trägt kaum zum Abbau der Schulden bei. Bevor er greift,
       ist Griechenland längst pleite. Darüber hinaus werden sich die EU-Staaten
       gegenseitig vor den Kadi zerren.
       
 (DIR) Sarkozy und die Transaktionssteuer: Getöse und Gefuchtel
       
       Vollendet Sarkozy mit dem Einführen der Transaktionssteuer jetzt das, was
       die Globalisierungskritiker von Attac dereinst begannen? Nein. Ist aber
       nicht schlimm.
       
 (DIR) Streit vor dem EU-Gipfel: Ärger über Merkels "rote Linien"
       
       Die Kanzlerin gerät vor dem EU-Gipfel unter Druck: Sie soll mehr für
       Griechenland und die Euro-Rettung tun. Die ursprünglichen Themen rutschen
       in den Hintergrund.
       
 (DIR) Sparkommissar für Griechenland gefordert: Athen gegen "Gauleiter"
       
       Die EU will einen Sparkommissar für Griechenland einsetzen. Die
       griechischen Politiker protestieren gegen einen Eingriff in die nationale
       Souveränität.
       
 (DIR) Merkels muss EU-Krisenpläne überdenken: Die Rechnung geht nicht auf
       
       Griechenlands Lage hat sich deutlich verschlechtert. Der hoch verschuldete
       Staat braucht noch mehr Hilfe, sonst droht im März die Pleite. Doch Berlin
       mauert.