# taz.de -- Streit vor dem EU-Gipfel: Ärger über Merkels "rote Linien"
       
       > Die Kanzlerin gerät vor dem EU-Gipfel unter Druck: Sie soll mehr für
       > Griechenland und die Euro-Rettung tun. Die ursprünglichen Themen rutschen
       > in den Hintergrund.
       
 (IMG) Bild: Protest-Motiv: Die deutsche Kanzlerin ist bei den Demonstranten, die in Italien gegen die Reformpläne der Regierung protestieren, nicht besonders beliebt.
       
       BRÜSSEL taz | Eigentlich soll es ein Gute-Laune-Treffen werden. Beim
       Sondergipfel der Europäischen Union Montag in Brüssel will Kanzlerin Angela
       Merkel "ihren" Fiskalpakt für mehr Budgetdisziplin in der Eurozone
       durchwinken und ein neues Programm für Wachstum und Beschäftigung auflegen.
       Schaut her, wir rücken enger zusammen und arbeiten uns Stück für Stück aus
       der Euro-Schuldenkrise heraus, soll die frohe Botschaft lauten.
       
       Doch daraus wird wohl nichts. Die eskalierende Griechenland-Krise hat der
       Kanzlerin die gute Laune verhagelt - und die Regie für den EU-Gipfel
       durcheinandergewirbelt. Vor dem Treffen der Regierungschefs der 27
       Mitgliedstaaten soll es nun eine Dreierrunde mit der deutschen Kanzlerin,
       Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Italiens Premier Mario Monti
       geben. Danach, am Montagabend, könnte ein Krisentreffen zu Griechenland
       hinzukommen.
       
       So oder so wird der EU-Gipfelbesuch, der ausgerechnet während eines
       Generalstreiks in Belgien stattfindet, kein Spaziergang. Denn bei vielen
       Regierungschefs hat sich Ärger über Merkels "rote Linien" angestaut.
       
       Keine Gnade für Defizitsünder, nicht einmal bei einer schweren Rezession,
       heißt eine der roten Linien aus Berlin. Keine Verdoppelung des künftigen
       Rettungsschirms ESM, jedenfalls nicht jetzt, lautet die zweite. Keinen Cent
       mehr für Griechenland, erst muss Athen seine Hausaufgaben machen, lautet
       das dritte Gebot aus Berlin.
       
       Eine Zeit lang sah es so aus, als könne Merkel diese roten Linien halten.
       Doch in den letzten Tagen nahm der Druck an allen Fronten zu. Beim
       Weltwirtschaftsforum in Davos wurde er so groß, dass die Kanzlerin bereits
       vor einer Überlastung der Bundesrepublik warnte. Doch Merkel wird wohl
       Kompromisse eingehen müssen, wenn sie am Ende nicht wieder als "eiserne
       Kanzlerin" ohne Herz dastehen will.
       
       Beispiel Griechenland: Berlin fordert einen Sparkommissar, der die
       Kontrolle über das Budget der Regierung in Athen übernehmen soll - aber die
       ist strikt dagegen. Verärgert ist aber auch die EU-Kommission. Sie hatte
       von Deutschland und den anderen Euroländern einen höheren Beitrag zur
       Rettung Griechenlands gefordert und sich dafür sofort einen Rüffel aus
       Berlin eingehandelt.
       
       ## "Brandmauer" soll auf eine Billion Euro anwachsen
       
       Fest steht, dass weder der bisher geplante Schuldenschnitt um 50 Prozent
       noch das geplante neue Hilfspaket über 130 Milliarden Euro ausreichen, um
       Griechenland vor der bereits im März drohenden Pleite zu retten. Nach
       Schätzung der "Troika" aus EU, Europäischer Zentralbank EZB und
       Internationalem Währungsfonds IWF fehlen mindestens 15 Milliarden Euro.
       Beispiel ESM: Der neue Euro-Rettungsschirm startet im Juli und soll nach
       und nach mit 500 Milliarden Euro aufgefüllt werden, um überschuldete Länder
       wie Griechenland oder Portugal zu helfen. Das sei zu wenig, kritisieren
       IWF-Chefin Christine Lagarde und Italiens Premier Monti.
       
       Wenn man auch große Euroländer wie Italien oder Spanien stützen wolle,
       müsse die "Brandmauer" auf bis zu eine Billion Euro anwachsen. Je mehr Geld
       der ESM erhalte, desto geringer sei die Wahrscheinlichkeit, dass er auch
       genutzt werden müsse, heißt es in Washington. Die Bundesregierung will
       diese Debatte aber erst beim nächsten EU-Gipfel im März führen.
       
       Beispiel Fiskalpakt: Außer Großbritannien wollen sich zwar alle EU-Länder
       an dem neuen Abkommen beteiligen, das Schuldenbremsen einführt und Sparen
       zur ersten Staatspflicht macht. Große Freude dürfte trotzdem nicht
       aufkommen.
       
       Das Europaparlament hält Merkels Pakt schlicht für überflüssig. Der IWF
       warnt, strikte Budgetregeln für alle könnten das Wachstum abwürgen und die
       nahende Rezession in Europa verschärfen. Außerdem stellt sich Polen quer:
       Obwohl es noch nicht beim Euro mitmacht, fordern die Polen das Recht, an
       den geplanten zwei jährlichen Treffen teilzunehmen.
       
       Beispiel Wachstumsprogramm: Selbst dieser Punkt, mit dem Merkel ihren
       Kritikern entgegenkommen wollte, ist umstritten. Denn er soll nichts kosten
       - Merkel und Sarkozy wollen lieber den 347 Milliarden Euro schweren
       EU-Fonds für Regionalförderung anzapfen.
       
       Der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn widerspricht: Das Geld sei zwar
       noch nicht ausgegeben, aber schon fest eingeplant und daher nicht mehr zu
       vergeben. Für Unmut sorgt zudem, dass der bereits vor einem Jahr
       versprochene "Marshallplan" für Griechenland immer noch nicht umgesetzt
       wurde.
       
       30 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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