# taz.de -- Krisenland Spanien: Arbeit ist anderswo
       
       > Beatriz Salmerón hat beim Genossenschaftsverband gearbeitet, bis die
       > Sparpolitik ihren Arbeitsplatz hinwegfegte. Sie ist eine von 5,3
       > Millionen Arbeitslosen in Spanien.
       
 (IMG) Bild: "Für unsere Zukunft kämpfen", heißt es an einer Mauer im nordspanischen Turon.
       
       MADRID taz | Das Krisenland Spanien fängt gleich hinter dem Autobahnring
       von Madrid im Stadtteil San Blas an. Wohnblocks aus der Nachkriegszeit,
       Straßenzüge mit einstöckigen Häuschen, die die Bewohner in den 1960er
       Jahren selbst gebaut haben, bestimmen das Bild. Die Kneipen sind leer, die
       Minimärkte der asiatischen Einwanderer ohne Kunden.
       
       "Arbeit gibt es hier schon lange keine mehr", sagt Beatriz Salmerón. Die
       28-Jährige hat die vergangenen Jahre als Büroangestellte gearbeitet, vor
       einem Jahr wurde sie entlassen. Sie hat "Dutzende, wenn nicht Hunderte" von
       Bewerbungen verschickt. Im Internet gesucht, Supermärkte und Büros
       abgeklappert, Freunde gefragt.
       
       "Nichts, absolut nichts. Früher wusste immer irgendwer irgendwas. Doch das
       funktioniert auch nicht mehr", sagt sie. "Fast alle meine Freunde sind ohne
       Arbeit. Und die wenigen, die noch einen Job haben, stehen selbst auf der
       Kippe." Mittlerweile entlasse selbst das große Einkaufszentrum am Rand von
       San Blas Mitarbeiterinnen. Einst waren die in Spanien allgegenwärtigen
       Einkaufszentren ein Zeichen der enormen Baukonjunktur, die die Wirtschaft
       des Landes zehn, zwölf Jahre ankurbelte.
       
       "Die Ära des Betons" nennen Spanier nun die vergangenen Jahre, von denen
       nach der geplatzten Immobilienblase Tausende Bauruinen und eine
       Arbeitslosenquote von 23 Prozent übrig geblieben sind.
       
       ## Opfer der Sparpolitik
       
       Salmerón ist eine von 5,3 Millionen Arbeitslosen in Spanien. Ein Drittel
       davon ist jünger als 30 Jahre alt. Von den Jugendlichen unter 25 Jahren ist
       jeder Zweite ohne Arbeit. Stadtteile wie San Blas übertreffen diese Quoten.
       
       Salmerón ist Opfer der Sparpolitik, mit der die Zentral- und
       Regionalregierungen die Defizite in den Griff bekommen wollen. Auch die
       leeren Kassen sind eine der Folgen aus der Ära des Betons. Salmerón
       arbeitete beim Madrider Genossenschaftsverband. "Viele unserer
       Mitgliedsbetriebe waren im Sozialwesen tätig. Dann wurde gekürzt. Sie
       mussten schließen und die Verbandszentrale ebenfalls", berichtet Salmerón,
       die als Betriebsrätin als Letzte von Bord ging. Das war vor einem Jahr. "Am
       15. Februar läuft das Arbeitslosengeld von 580 Euro im Monat aus. Wie es
       dann weitergehen soll, weiß ich nicht", sagt sie.
       
       Sie lebt noch bei ihrer Mutter, doch auch sie ist seit mehr als 18 Monaten
       ohne Arbeit und bekommt keine Unterstützung mehr. Der Vater ist vor Jahren
       verstorben, weshalb Mutter Milagros eine Witwenrente von rund 800 Euro
       bekommt. "Das muss dann wohl für uns beide reichen", sagt Salmerón.
       
       Die beiden gehören damit zu den 1,5 Millionen Haushalten in Spanien, in
       denen niemand eine Arbeit hat. 1,6 Millionen Arbeitslose bekommen keine
       Unterstützung mehr. Zwar gibt es für Langzeitarbeitslose 400 Euro im Monat,
       doch das Programm läuft Ende Februar aus. Ob die konservative Regierung
       unter Mariano Rajoy das Programm verlängern wird, ist unwahrscheinlich.
       
       ## Vorbild Deutschland
       
       Natürlich hat auch Salmerón die Nachricht gelesen, dass die EU Experten zur
       Analyse der Jugendarbeitslosigkeit schicken will. "Wir brauchen öffentliche
       Investitionen und feste Jobs für junge Leute", schimpft sie. Die Ideen von
       Ministerpräsident Rajoy sehen ganz anders aus. Er will weiter kürzen und
       den Arbeitsmarkt reformieren.
       
       Sein Vorbild ist Deutschland: Minijobs mit Löhnen bis zu 400 Euro. Dabei
       verdienen die jungen Leute, die noch Arbeit haben, meist deutlich unter
       1.000 Euro im Monat und haben kaum Kündigungsschutz. Deshalb stehen sie als
       Erste auf der Straße, wenn die Wirtschaft in Schräglage gerät.
       
       Vor einem Monat sah es fast so aus, als könnte Salmerón einen Job bekommen.
       "Ich stellte mich bei einer Telefonhotline vor", berichtet sie. Nach drei
       Tagen kostenloser Probearbeit kam dann die Absage. "Einer meiner
       Mitbewerber hatte ein abgeschlossenen Hochschulstudium, einen Master und er
       spricht drei Fremdsprachen. Auch er wurde nicht genommen." Salmerón
       schüttelt den Kopf angesichts eines anderen typisch spanischen Phänomens.
       43 Prozent der jungen Spanier, die eine Arbeit finden, sind dafür
       überqualifiziert.
       
       Anders als 22 Prozent ihrer Altersgenossen, die weder arbeiten noch
       studieren, hat Salmerón ihr abgebrochenes Journalistikstudium wieder
       aufgenommen, will sich in einen Englischkurs einschreiben. Zukunft? Wer
       eine gute Ausbildung hat, geht. "Javi ist in Belgien, Llaerima in England,
       Vanesa in Deutschland …", zählt Salmerón auf.
       
       3 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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