# taz.de -- Netzaktivisten gegen Politiker: Internet, wir müssen reden
       
       > Ein CDU-Hinterbänkler beschimpft martialisch die kritische Öffentlichkeit
       > des Internets. Könnte man als Idiotie abtun, wenn nicht mehr
       > dahinterstecken würde.
       
 (IMG) Bild: Spektakulär gescheitert: Der Versuch eins Dialogs zwischen Netzgemeinde und konservativen Politikern.
       
       Falls Ansgar Heveling bislang nicht gewusst hat, was ein Shitstorm ist,
       jetzt weiß er es. Er erlebt gerade einen. Am Montag provozierte der bis
       dato eher unbekannte CDU-Bundestagsabgeordnete mit einem Text im
       Handelsblatt, Titel: "Netzgemeinde, ihr werdet den Kampf verlieren".
       
       Das Web 2.0, schreibt er, werde "bald Geschichte sein", fraglich sei nur,
       "wie viel digitales Blut bis dahin vergossen wird". Martialisch
       schwadroniert er weiter - bis zum "Endkampf um Mittelerde". Die Botschaft:
       Die Bürger sollen sich dagegen wehren, dass die, die sich als "digitale
       Avantgarde verstehen", die Zukunft gestalten. Die Antwort kam prompt.
       
       In hundert Variationen kübelten Internetnutzer Spott über Heveling aus, der
       in seiner Ungeschlachtheit Hevelings Machwerk nicht nachstand - inklusive
       Hitler-Montagen.
       
       Man könnte meinen, der Mann hätte einfach nur mal zurückgepöbelt, gegen
       diese gerne als "Netzgemeinde" titulierte, oft hyperkritische
       Internet-Öffentlichkeit. Aber es steckt mehr dahinter.
       
       ## Zwischen gaga und dada
       
       Heveling ist zwar in der netzpolitisch eher rückständigen CDU und sein Text
       irgendwas zwischen gaga und dada. Trotzdem wird aus seinem Text klar: der
       39-Jährige beschäftigt sich mit dem Internet. Wahrscheinlich nutzt er es
       sogar. Aber digitale Beteiligung, souveräne Bürger, die beispielsweise
       dafür gesorgt haben, dass knallharte Gesetzesvorhaben zur Durchsetzung des
       Urheberrechts in den USA auf Eis liegen - so etwas ist dem gewählten
       Volksvertreter Heveling verdächtig.
       
       Eine schlechte Nachricht. Nicht einmal ein verhältnismäßig junger
       konservativer Politiker begreift, dass Protest gegen digitale
       Politikvorhaben nicht zwangsläufig undemokratisch ist, nur weil er sich
       nicht in dem etablierten Pingpong von Politik und Big-Player-Lobbyismus
       formiert. Wie undemokratisch soll es sein, dass sich in halb Europa
       Widerstand gegen das in Hinterzimmern ausgehandelte Anti-Piraterie-Abkommen
       ACTA formiert? Wie bürgerfeindlich ist es, dass die Aufstände des
       Arabischen Frühlings zum Teil im Netz organisiert wurden?
       
       Heveling ruft "Bürger" zum Kampf gegen die "digitalen Horden" auf, er hat
       offenbar eines nicht verstanden: Es geht nicht um ein paar netzaffine
       Hempel, die ihre randständigen Ansichten durchdrücken wollen. Leute, die
       große Teile ihres Arbeitslebens und ihrer Freizeit im Netz verbringen, die
       das Web 2.0 nutzen und das ohne zu große Beschränkungen auch gerne weiter
       tun würden, sind keine Minderheit - nicht mehr. Dieses Missverständnis ist
       in der Regierung weit verbreitet, das demonstrieren all die Uhls und
       Friedrichs in der Union im Wochentakt.
       
       ## Versuch gescheitert
       
       Heveling könnte es besser wissen. Er sitzt in der Enquetekommission für
       Internet und Digitale Gesellschaft - diesem Gremium, das seit fast zwei
       Jahren versucht, einen Dialog zwischen Netzöffentlichkeit, Lobbyisten und
       Politikern über netzpolitische Fragen zu stimulieren. Mit seinem Text
       dokumentiert Heveling, wie spektakulär dieser Versuch, ins Gespräch zu
       kommen, gescheitert ist.
       
       Das ist hart für alle Netzaktivisten, die naiv glaubten, man müsse
       technisch unbedarften Politikern nur erklären, wie das Internet
       funktioniert - und schon würden aus ihnen lauter Libertäre. Nach der
       Avantgarde sind eben auch andere im Netz angekommen, und die bringen ihre
       eigenen politischen Vorstellungen auch dahin mit - auch konservative.
       
       Die Politiker der etablierten Parteien twittern, wissen inzwischen, was ein
       Browser ist, manche kennen gar die Argumente der Netzaffinen zu
       Vorratsdatenspeicherung, digitalem Urheberrecht und Netzneutralität.
       Hacker, Blogger, Bürgerrechtler haben natürlich noch immer einen
       Wissensvorsprung, aber der wird kleiner.
       
       ## Es geht um Grundsätzliches
       
       Und nun? Aufgeben? Nicht mehr miteinander sprechen? Gegenseitig zuspammen?
       Gerade jetzt nicht. Es geht aktuell wieder um Grundsätzliches. Wiegt
       geistiges Eigentum schwerer als Freiheit? Wem gehört das Internet -
       Konzernen? Staaten? Nutzern? Darf jeder gleichberechtigt seine Daten
       versenden wie bisher oder sind bald manche gleicher als andere?
       
       Das wird aktuell verhandelt - international und in Deutschland. Nichts ist
       so idiotisch, wie in dieser Phase den Graben zwischen den politischen
       Entscheidern und denen, denen das Thema am Herzen liegt, noch weiter
       aufzureißen.
       
       31 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Meike Laaff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
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