# taz.de -- Berufsverbote wegen Radikalenerlass: Hoffen auf Winfried Kretschmann
       
       > Vom Radikalenerlass vor 40 Jahren war auch Winfried Kretschmann
       > betroffen. Die Opfer des Erlasses fordern nun Rehabilitation und hoffen
       > auf den Landeschef von Baden-Württemberg.
       
 (IMG) Bild: War als Kommunist ein hervorragender Lehrer: Winfried Kretschmann.
       
       STUTTGART taz | Vor 40 Jahren beschlossen die Ministerpräsidenten den
       „Radikalenerlass“. Heute ist in Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann
       einer der Betroffenen selbst Landeschef. Jetzt hoffen die Opfer der
       Berufsverbote, dass ihr Wunsch nach Rehabilitierung bald erfüllt wird.
       
       Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt sie dabei
       genauso wie die Bundestagsfraktionen der Linken und der Grünen. Es wäre
       „ein anständiger Zug“, fordert die grüne Bundestagsabgeordnete Ingrid
       Hönlinger, „sich für das Unrecht, das durch den Radikalenerlass begangen
       wurde, zu entschuldigen“. Sie plädiert dafür, dass die Betroffenen
       rehabilitiert und die Unterlagen des Verfassungsschutzes zugänglich gemacht
       werden. Das will auch Wolfgang Gehrcke (Linke), seinen Antrag hat der
       Bundestag allerdings abgelehnt.
       
       Der Radikalenerlass habe „das Leben zahlreicher Menschen massiv
       beeinträchtigt, ihnen Berufs- und Lebenschancen genommen“, erklärte Ulrich
       Thöne, GEW-Bundesvorsitzender jüngst bei der GEW-Veranstaltung „40 Jahre
       Radikalenerlass“ in Göttingen. Der Hauptvorstand der Gewerkschaft fordert
       deshalb neben der Rehabilitierung auch eine Entschädigung der Opfer.
       
       Dabei beruft sich die LehrerInnengewerkschaft unter anderem auf den
       Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der die deutsche
       Berufsverbotspraxis 1995 als Verstoß gegen die Europäische
       Menschenrechtskonvention verurteilt hatte. Große Hoffnung setzen die
       PädagogInnen jetzt auf Winfried Kretschmann, der selbst seit Jahrzehnten
       GEW-Mitglied ist.
       
       Kretschmann war in der Ära von Ministerpräsident Hans Karl Filbinger (CDU)
       als Mitglied des Kommunistischen Bundes Westdeutschland gleich zweimal von
       einem Berufsverbot betroffen. Da konnten auch zahlreiche Unterschriften von
       LehrerInnen nichts ausrichten. Sie beschrieben Kretschmann als „ruhigen,
       zurückhaltenden, vernünftigen und in keiner Weise ’radikalen‘ Kollegen“. Er
       habe zudem versichert, „dass er nicht einer der von den Behörden als
       ’verfassungsfeindlich‘ eingestuften Organisationen angehört“.
       
       ## „So rot, wie es nur ging“
       
       Trotz allem: Dem heutigen Ministerpräsidenten blieb nichts anderes übrig,
       als an einer privaten Kosmetikschule zu unterrichten. Die Schülerinnen
       damals seien begeistert von ihm gewesen, erinnert sich Brigitte
       Brüggestrat, Inhaberin der Schule: „Kretschmann war so rot, wie es nur
       ging. Doch er war der beste Pädagoge, den ich je hatte.“
       
       Dem Oberschulamt lagen neben den Verfassungsschutzberichten und der
       Resolution der Lehrer auch zwei Stellungnahmen bedeutender Persönlichkeiten
       vor: Waldemar Bauer (FDP), Leiter des Studienseminars in Esslingen und
       Liberaler der alten Schule, setzte sich für seinen ehemaligen Referendar
       ein.
       
       George Turner, Präsident der Universität Stuttgart-Hohenheim, hatte mit
       Kretschmann Anfang der 70er Jahre als Vorsitzendem des Allgemeinen
       Studentenausschusses (AStA) häufig zu tun. Er sagt: „Ich habe Kretschmann
       als sehr zuverlässig kennengelernt.“ 1978 schaffte „Kretsch“ doch noch den
       Sprung in ein staatliches Gymnasium. Jetzt erwarten die Opfer von ihm, dass
       er das Thema auf die politische Tagesordnung setzt.
       
       10 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hermann G. Abmayr
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Berufsverbot
       
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