# taz.de -- Öl- und Gasbohrungen im hohen Norden: Arktik unversicherbar
       
       > Die Versicherungsbörse Lloyd's erklärt Öl- und Gasbohrungen in arktischen
       > Gewässern zum unkalkulierbaren Risiko. Man wisse nicht genug über das
       > Ökosystem.
       
 (IMG) Bild: Im Fokus der Ölriesen: Die arktische See, hier vor der norwegischen Insel Svalbard.
       
       STOCKHOLM taz | Auf der Versicherungsbörse Lloyd's in London wird alles
       versichert. Fast alles. Doch Ölkonzerne, die in der Arktis nach Öl und Gas
       bohren wollen, bräuchten gar nicht erst zu fragen, erklärte
       Lloyd's-Direktor Richard Ward in der vergangenen Woche in Oslo: „Ich
       bezweifle, dass es viele Versicherungen gibt, die das versichern werden.“
       Das Risiko eines Unfalls sei ganz einfach zu hoch, die möglichen Kosten
       seien nicht kalkulierbar.
       
       Der Run auf das Öl unter den arktischen Gewässern tritt in diesem Sommer in
       eine neue Phase. Shell will vor Alaska offshore bohren, eine
       Gazprom-Tochter bei der russischen Insel Nowaja Semlja, und die norwegische
       Statoil bereitet sich auf Erkundungsbohrungen in der Barentssee und vor
       Grönland vor. 100 Milliarden Dollar sollen nach bisherigen Planungen in den
       kommenden zehn Jahren in die arktische Öl- und Gassuche investiert werden.
       
       „Der hohe Ölpreis macht das natürlich noch interessanter“, erklärte Ward.
       Aber es müsse eine Balance zwischen den möglichen wirtschaftlichen und den
       eventuell bedrohten ökologischen Werten geben. „Und da ist die Frage, ob
       unsere Fähigkeiten zur Risikobeherrschung in der Arktisregion ausreichend
       sind.“
       
       Lloyd’s verneint das. Die Börse hatte eine Risikoeinschätzung einer
       „Öffnung der Arktis“ in Auftrag gegeben, die nun in Oslo vorgestellt wurde.
       In dem Bericht ist von schweren Beeinträchtigungen des Ökosystems die Rede.
       Nicht nur durch die Ölbohrungen selbst, sondern auch durch den
       erforderlichen Bau der Verkehrsinfrastruktur und Pipelines sowie durch die
       Lärmbelästigungen und seismischen Aktivitäten, die etwa das
       Migrationsmuster von Walen beeinträchtigen könnten.
       
       Käme zu diesen Effekten des Normalbetriebs solcher Bohrungen dann auch noch
       ein Unfall mit möglichem unkontrolliertem Ölaustritt hinzu, seien nicht
       abzuschätzende Schäden zu befürchten. Lloyd’s-Chef Ward sagte, es gebe noch
       viel zu wenig Wissen über das komplexe Ökosystem der Arktis. Er könne den
       Ölkonzernen deshalb nur empfehlen, „einen Gang zurückzuschalten“ und mit
       möglichen Bohraktivitäten abzuwarten. Geld solle nicht in riskable
       Bohrungen, sondern in gründliche Forschung über die Arktis investiert
       werden.
       
       Truls Gulowsen von der Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßt das
       Lloyd’s-Signal: „Das kommt ja von einem Akteur, der in der Wirtschaft als
       glaubwürdig gilt, und es kommt nicht so oft vor, dass man aus dieser Ecke
       so deutliche Worte hört.“ Zwar stehe im Lloyd’s-Rapport eigentlich nur, was
       Greenpeace seit Jahren sage. Gulowsen: „Nun steigt vielleicht die Chance,
       dass das gehört wird.“
       
       15 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Alaska
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Shell-Ölbohrinsel auf Grund gelaufen: „Vabanquespiel“ in der Arktis
       
       Die „Kulluck“ sitzt vor Alaskas Küste fest. Für den Energiekonzern Shell
       ist das ein Rückschlag, denn bislang sind alle Bohrversuche erfolglos.
       
 (DIR) Oslo erhöht CO2-Abgabe für Ölfirmen: Kleine Abgabe für große Klimasünder
       
       Wer nach Öl bohrt oder es verarbeitet, soll in Norwegen ab 2013 mehr
       Abgaben zahlen. Die Regierung will so die gesteckten Klimaziele leichter
       erreichen.
       
 (DIR) Shell verseucht das Nigerdelta: Leiden unter der schwarzen Pest
       
       Öl-Schlieren und verdreckte Ufer. Ein Jahr nach der UNO-Studie zur
       Ölverschmutzung in Nigera ist die Lage unverändert. Die Regierung tut
       nichts, Shell zahlt nicht.
       
 (DIR) Grönlands Petermann-Gletscher schrumpft: Ein von sterbender Kälte erfüllter Gigant
       
       Nach einem Eisabbruch ist der Petermann-Gletscher nun so klein wie seit 150
       Jahren nicht. Forscher glauben, dass ein ständig zunehmendes Abschmelzen
       bevorsteht.
       
 (DIR) Greenpeace vs. Shell: Ölsucher im Ewigen Eis unerwünscht
       
       Erst schafften es die Aktivisten, das Shell-Schiff auf dem Weg zu
       Testbohrungen in die Arktis aufzuhalten. Dann gab die dänische Küstenwache
       Shell sicheres Geleit. Das Ökosystem bleibt in Gefahr.
       
 (DIR) Energiekonzern Gazprom: „Wir bezahlen die Kreml-Clique“
       
       Gazprom agiert als verlängerter Arm der Kreml-Kleptokratie, sagt der
       Journalist Jürgen Roth. Das müssten auch Schalker und Sozialdemokraten
       begreifen.
       
 (DIR) Kommentar Ölbohrungen in Spanien: Gezielt falsch informiert
       
       Spaniens Konservative demontieren das Land. Die Branche der Erneuerbaren
       halten sie für zu teuer. Dabei sind nicht sie, sondern die fossilen
       Brennstoffe Luxus.
       
 (DIR) Gasleck an Nordsee-Bohrinsel: „Absolutes Desaster“ befürchtet
       
       Der Energiekonzern Total sucht weiter nach dem Gasleck an seiner Bohrinsel.
       Gefahr droht vor allem Lebewesen auf dem Grund der Nordsee, eine Explosion
       wird befürchtet.
       
 (DIR) Arktisschutz wird geopfert: Ölsuche im eisigen Ökosystem
       
       Die Schamfrist nach dem "Deepwater Horizon"-Unglück ist vorbei. Shell und
       Co. treibt es in die Arktis, um fernab von jeder Technik zur
       Unfallbekämpfung Öl zu fördern.
       
 (DIR) Ölvorkommen in der Arktis: Statoil hofft auf schwarzes Eis
       
       Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wurde ein großes Ölvorkommen in der
       Arktis lokalisiert. Der Ölkonzern Statoil schätzt die Menge auf bis zu 300
       Millionen Barrel.