# taz.de -- Streit um die „Herdprämie“: Die Union ist betreuungsbedürftig
       
       > Der Streit über die Subvention für daheim erziehende Eltern wird
       > heftiger. CDU-Wirtschaftspolitiker sind gegen das Betreuungsgeld, die CSU
       > will es unbedingt durchsetzen.
       
 (IMG) Bild: Sorgen für einen Machtkampf in der Union: Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen.
       
       BERLIN dpa/taz | Es ist seit Wochen ein Spektakel, jetzt nimmt es absurde
       Züge an: Die CSU droht, die CDU streitet und Kanzlerin Angela Merkel
       schweigt. Beim Betreuungsgeld ist in der Union keine Einigung in Sicht.
       
       Merkels Sprecher Steffen Seibert ließ am Montag mitteilen, dass sich die
       Kanzlerin dazu erst äußern werde, wenn der Gesetzentwurf vorliegt. Das soll
       noch vor der Sommerpause der Fall sein. Dann biete das Papier die
       „Möglichkeit für reichhaltige Diskussionen“.
       
       Gleichzeitig erklärte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, Merkel habe in den
       Beratungen des CDU-Bundesvorstands am Montag noch einmal an den
       entsprechenden Parteitagsbeschluss vom November erinnert: Das
       Betreuungsgeld werde im Sommer 2013 kommen. Gröhe sagte, es ginge nicht
       mehr um das „Ob“, sondern nur noch um das „Wie“.
       
       Während die CSU auf dem Betreuungsgeld besteht, lehnen Teile der CDU es ab.
       Laut Koalitionsvertrag sollen ab Sommer 2013 Eltern, die ihre unter drei
       Jahre alten Kinder zu Hause betreuen, statt sie in eine Kita zu bringen,
       jeden Monat 100 Euro bekommen. Ab 2014 sollen es 150 Euro sein.
       
       Inzwischen gibt es auch Kritik aus CDU-Wirtschaftskreisen. So lehnt Kurt
       Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, „immer neue Sozialprogramme“ ab.
       Das als Herdprämie diffamierte Betreuungsgeld gehöre dazu.
       Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt forderte die Koalition auf, „dieses
       grundverkehrte Vorhaben aufzugeben“.
       
       Doch auch die CSU geht auf schärferen Konfrontationskurs. „Wir weichen von
       den bisherigen Vereinbarungen keinen Jota ab“, hatte CSU-Generalsekretär
       Alexander Dobrindt in der Frankfurter Rundschau gesagt. Damit reagierte er
       auf den jüngsten Vorschlag von Familienministerin Kristina Schröder (CDU),
       das Betreuungsgeld an ärztliche Untersuchungen beim Kinderarzt zu koppeln.
       
       Dobrindt sagte, die frühkindliche Untersuchung sollte eine
       Selbstverständlichkeit sein. „Einen Zusammenhang mit dem Betreuungsgeld
       gibt es nicht.“ Schröders Vorstoß sei „nicht mit der CSU abgestimmt und
       findet auch nicht unsere Zustimmung“. Wenn die Ministerin Regelungsbedarf
       bei den frühkindlichen Untersuchungen sehe, „soll sie das in einem eigenen
       Gesetz regeln, aber nicht beim Betreuungsgeld“.
       
       ## Schröders Sprecher gegen Haderthauers Sprecherin
       
       Schröders Sprecher Christoph Steegmans hatte zuvor vor Journalisten gesagt,
       dass Schröder für ihren jüngsten Vorschlag, die Auszahlung des
       Betreuungsgelds von Vorsorgeuntersuchungen abhängig zu machen, die
       Zustimmung der CSU habe. Schröder habe ihr Vorgehen mit Bayerns
       Familienministerin Christine Haderthauer (CSU) abgesprochen. Dem
       widersprach eine Sprecherin Haderthauers.
       
       Welche Brisanz die „Herdprämie“ hat, zeigt zudem Steegmans Vergleich mit
       einem früheren Koalitionsstreit. „Vorbild ist die Bundeswehrreform“, sagte
       der ehemalige Vizeregierungssprecher. Bevor die Bundesregierung im
       vergangenen Jahr beschloss, Bundeswehrstandorte zu schließen und die Zahl
       der Berufs- und Zeitsoldaten zu verringern, war darum eine heftige Debatte
       entbrannt. Auch damals musste taktiert und vorsichtig kommuniziert werden.
       Man darf davon ausgehen, dass der Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld erst in
       letzter Minute bekannt wird.
       
       Unterdessen forderte Grünen-Chefin Claudia Roth Kristina Schröder zum
       Rücktritt auf. Sie bezeichnete die Ministerin eine „Antifrauenministerin“
       und eine „Fehlbesetzung“. Damit meinte Roth nicht nur Schröders Einsatz für
       das Betreuungsgeld, in dem Kritiker einen Anreiz sehen, Frauen vom
       Erwerbsleben fernzuhalten, sondern auch Schröders Abwehrhaltung gegenüber
       Frauenquoten für Führungspositionen.
       
       16 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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