# taz.de -- Ökonom über die Deutsche Bank: „Autonome Forschung nicht möglich“
       
       > Die Deutsche Bank schafft ihre unabhängigen Forschungsabteilung ab.
       > Deshalb droht der Verlust wirtschaftspolitischen Einflusses, fürchtet der
       > ehemalige Chefvolkswirt Norbert Walter.
       
 (IMG) Bild: Der Tower der Deutschen Bank in Frankfurt am Main.
       
       taz: Herr Walter, was halten Sie von der Zusammenlegung der bisher
       weitgehend unabhängigen Abteilung DB Research mit dem für Kundenberatung
       zuständigen Market Research? 
       
       Norbert Walter: Das ist falsch und bedauerlich. Ich fürchte, dass dadurch
       die autonome Forschung, wie sie seit 20 Jahren gemacht wurde, nicht mehr
       möglich ist, sondern nur noch Themen mit engem Bezug zu Finanztransaktionen
       relevant sind.
       
       Warum braucht eine Bank überhaupt unabhängige Forschung? 
       
       Sie muss fundiert über gesellschaftliche Themen, die unabhängig von den
       Geschäftsinteressen stehen, kommunizieren können. Außerdem bekommt eine
       große Bank durch Unabhängigkeit der Forschung das Vertrauen der Kunden. Ein
       dritter Grund ist, dass eine Bank durch marktunabhängige Analysen Einfluss
       auf Debatten auf politischer Ebene hat. Dieser Einfluss gerät nun in
       Gefahr.
       
       Um welche Forschungsthemen geht es dabei? 
       
       Als ich DB Research geleitet habe, gab es viele Themen, die nicht im
       direkten Geschäftsinteresse lagen. Das war Ende der 80er Jahre die
       demografische Entwicklung in den alten Industrieländern, etwas später dann
       etwa Umweltschutz und Ressourcenknappheit.
       
       Wenn damals nur die für den Markt Verantwortlichen entschieden hätten, wäre
       zu diesen Themen nicht geforscht worden. Heute geht es um Themen wie Social
       Media. Die Frage ist, ob dazu noch geforscht wird. Wenn man sehr
       vertriebsnah forscht, dann befürchte ich, dass dies nur noch zu Themen
       geschieht, zu denen es bereits Geschäftsideen gibt.
       
       Was sind die Gründe für die Zusammenlegung der beiden Abteilungen? 
       
       Ich war davon überrascht. Die Zusammenlegung passt eher zu einer Prägung
       durch den neuen Kovorstandsvorsitzenden Anshu Jain und einer sehr
       marktnahen Forschung, wie sie in den angelsächsischen Investmentbanken
       typisch ist. Dort gibt es seit 20 Jahren keine unabhängige Forschung mehr,
       sondern nur noch Vertriebsunterstützung.
       
       Ist die Umstrukturierung ein Indiz dafür, dass künftig alles dem Verkauf
       der Produkte, sprich dem Profit untergeordnet wird? 
       
       Das ist eine plausible Schlussfolgerung, aber hoffen wir mal, dass es nicht
       so kommt. Es muss schließlich jemanden in der Bank geben, der mit der
       Kanzlerin, der Bundesbank und mit der Europäischen Zentralbank spricht. Da
       muss man auch Themen, die nicht nur marktbezogen sind, aufarbeiten.
       
       Wenn die Deutsche Bank ihre Rolle in der Gestaltung der deutschen
       Wirtschaftspolitik beibehalten möchte, dann muss die neue Leitung
       verstehen, dass es Aufgaben gibt, die jenseits der Finanztransaktionen
       liegen, also nicht im Fokus einer typischen amerikanischen Investmentbank
       stehen.
       
       Apropos: Setzt das neue Führungsduo nun hauptsächlich auf das
       Investmentbanking als Standbein der DB? 
       
       Das mag auf Anshu Jain zutreffen, nicht aber auf seinen Mitvorsitzenden
       Jürgen Fitschen. Da einige annehmen, dass Jain die Leitung dominieren wird,
       ist die Vermutung, dass das Investmentbanking im Vordergrund stehen wird,
       naheliegend. Aber Entwicklungen wie die Akquisition der Postbank deuten
       nicht in diese Richtung. Im Moment kann man also nur spekulieren, wie sich
       die Deutsche Bank ausrichten wird
       
       24 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timo Reuter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Fußball-EM 2024
       
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