# taz.de -- Kein Betreuungsgeld zum Hartz IV: Die „Kita-Fernhalteprämie“
       
       > Das umstrittene Betreuungsgeld soll nur Familien mit Geld zukommen.
       > Hartz-IV Empfängern wird diese Leistung vom Arbeitslosengeld II wieder
       > abgezogen.
       
 (IMG) Bild: Es ist zum Heulen: Hartz-IV Empfänger sollen auf zusätzliches Betreuungsgeld verzichten.
       
       Mit Empörung hat die Opposition auf Pläne der Koalition reagiert, das
       Betreuungsgeld Hartz-IV-BezieherInnen vorzuenthalten. „Der Spitzenmanager
       mit Au-pair-Mädchen streicht die 150 Euro ein. Aber die wirklich
       Bedürftigen bekommen nichts“, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel am
       Mittwoch. Das Betreuungsgeld sei eine „völlig verkorkste Angelegenheit.“
       
       Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nannte die Pläne „absurd“. Und die
       Vizechefin der Linkspartei, Katja Kipping, lästerte: „Eine
       Kita-Fernhalteprämie für Gutverdienende ist das Letzte, was dieses Land
       braucht.“ Sozialverbände äußerten ebenfalls scharfe Kritik.
       
       Mit dem Empörungssturm erreichte der Streit über ein Betreuungsgeld einen
       neuen Höhepunkt. Süddeutsche Zeitung und Rheinische Post hatten
       übereinstimmend unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, das
       Betreuungsgeld solle auf Hartz IV angerechnet werden.
       
       An BezieherInnen solle das Geld zwar ausgezahlt werden, anschließend werde
       dieser Betrag aber vom Arbeitslosengeld II abgezogen.
       
       ## Betreuungsgeld nicht zusätzlich zum Hartz IV
       
       Überraschend ist diese Nachricht nur bedingt. Innerhalb des
       Sozialgesetzbuches II – das Hartz IV regelt – werden viele Leistungen
       angerechnet (siehe unten). Außerdem betonte die CSU, die das Betreuungsgeld
       unbedingt durchsetzen möchte, die Koalitionsspitzen hätten bereits im
       Koalitionsausschuss im November über eine geplante Anrechnung gesprochen.
       
       Das sei kein neuer Aspekt, sagte CSU-Fraktionsgeschäftsführer Stefan
       Müller. Damals hatte die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP das
       Bekenntnis zum im Koalitionsvertrag vereinbarten Betreuungsgeld erneuert.
       
       Für Dorothee Bär, familienpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, ist
       die Sache klar: „Das Betreuungsgeld kann nicht zusätzlich zu Hartz IV
       ausbezahlt werden.“ Denn Hartz IV sei eine Leistung, die eine
       bedarfsgerechte Grundsicherung für den Lebensunterhalt bringen solle.
       Weitere staatliche Leistungen müssten daher angerechnet werden, sagte Bär.
       „Sonst würde es zu einer systemwidrigen Addition von staatlichen Leistungen
       kommen.“
       
       Die Debatte kommt der Koalition mehr als ungelegen. Schließlich liegt sie
       beim Betreuungsgeld im Dauerclinch. „Keiner weiß im Moment, wie wir aus dem
       Dilemma herauskommen“, hieß es in Unions-Fraktionskreisen. „Die Fronten
       zwischen Befürwortern und Gegnern sind verhärtet.“ Klar ist bisher nur:
       Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich festgelegt. Sie sprach sich in
       Interviews dezidiert für das Betreuungsgeld aus.
       
       ## Seehofer gegen Schröder
       
       Familienministerin Kristina Schröder (CDU) soll bis zur Sommerpause einen
       Gesetzentwurf vorliegen. Wie der aber angesichts der auseinanderklaffenden
       Positionen genau aussehen soll, ist völlig unklar. Eine Sprecherin wollte
       die Frage der Verrechnung gestern nicht kommentieren.
       
       Die Situation ist verfahren für Schwarz-Gelb. Während CSU-Chef Horst
       Seehofer mit dem Betreuungsgeld im Landtagswahlkampf punkten will und Druck
       macht, steht die FDP dem Instrument skeptisch gegenüber. Und in der CDU
       verläuft ein tiefer Riss zwischen Befürwortern und Gegnern. 23
       CDU-Abgeordnete hatten vor drei Wochen in einem Brief an
       Unions-Fraktionschef Volker Kauder angekündigt, gegen ein Betreuungsgeld zu
       stimmen.
       
       Die Unterzeichner sind nicht die einzigen Kritiker. Gerade viele Frauen in
       der Union halten das Betreuungsgeld für ein Instrument, das die
       traditionelle Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau verschärft.
       
       Kauder versuchte Anfang der Woche, die Kritikerinnen zu besänftigen, indem
       er höhere Renten für Eltern in Aussicht stellte – was die Unions-Frauen
       lange fordern. Dagegen rebellierten Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels.
       Es ist also fraglich, ob ein Gesetzentwurf überhaupt eine schwarz-gelbe
       Mehrheit im Parlament bekäme.
       
       25 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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