# taz.de -- Proteste gegen Timoschenko-Misshandlung: Anhänger blockieren Parlament
       
       > Die ukrainische Politikerin im Hungerstreik beschwert sich, dass sie
       > trotz akuter Erkrankung nicht behandelt wird. Sie spricht von
       > Misshandlung. Abgeordnete ihrer Partei werden aktiv.
       
 (IMG) Bild: Der Timoschenko-Block im ukrainischen Parlament, der Obersten Rada, fordert „Freiheit für die Ukraine“.
       
       KIEW dpa/dapd | Aus Protest gegen die mutmaßliche Misshandlung der
       inhaftierten ukrainischen Oppositionsführerin Julia Timoschenko haben
       Abgeordnete ihrer Partei am Freitag das Parlament blockiert.
       
       „Julia Timoschenko ist den achten Tag im Hungerstreik“ – war nach
       Medienberichten in Kiew auf einem Plakat im Sitzungssaal zu lesen. Die
       Politiker forderten eine Untersuchung der Vorwürfe, wonach die erkrankte
       Ex-Regierungschefin am vergangenen Freitag unter Anwendung von Gewalt in
       ein Krankenhaus verlegt und dabei misshandelt worden sei.
       
       Die regierende Partei der Regionen von Präsident Viktor Janukowitsch wies
       die Anschuldigungen als politische Stimmungsmache zurück. „Der Mythos von
       einer Verprügelung Timoschenkos wurde mit dem Ziel geschaffen, die
       Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von den unstrittigen Fakten ihrer
       kriminellen Tätigkeit abzulenken“, hieß es in einer Mitteilung der Partei.
       
       Gefängniswärter der Haftanstalt in Charkow, in der Timoschenko ihre
       siebenjährige Strafe wegen Amtsmissbrauchs absitzen soll, klagten über
       Drohungen von Anhängern der Politikerin. Timoschenko hat sich beschwert,
       dass sie in einer akuten Phase eines Bandscheibenvorfalls nicht behandelt
       worden sei. Sie hofft auf eine Behandlung in der Berliner Charité.
       
       Bei dem erzwungenen Transport in eine Klinik außerhalb des Straflagers habe
       sie Blutergüsse an den Armen und am Bauch erlitten, hatte Timoschenko nach
       Angaben ihrer Anwälte geklagt. Die Menschenrechtsbeauftragte der
       Ex-Sowjetrepublik, Nina Karpatschowa, sagte, es gebe bei Timoschenko solche
       Verletzungen. Umstritten in der Ukraine ist allerdings, woher diese rühren.
       Die internationale Gemeinschaft fordert eine Aufklärung der Vorwürfe.
       Janukowitsch steht in der Kritik, seine innenpolitische Gegnerin
       Timoschenko ausschalten zu wollen.
       
       ## Wachsende Kritik an Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld der EM
       
       Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, fordert
       die Freilassung der früheren Ministerpräsidentin. „Ich persönlich finde,
       Präsident Janukowitsch sollte eine humanitäre Geste machen und Timoschenko
       und andere ehemalige Minister aus dem Gefängnis entlassen“, sagte der
       FDP-Politiker am Freitag dem Hörfunksender HR-Info.
       
       So wie Timoschenko behandelt werde, mit einem unfairen Prozess und
       anschließender Verweigerung von medizinischer Betreuung, so würden auch
       andere ehemalige Kabinettsmitglieder behandelt. Dies zeige, dass politische
       Gegner unter Druck gesetzt würden. „Das können wir nicht tolerieren in
       Europa“, betonte Löning.
       
       Einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft lehnte er aber ab. „Ich
       glaube, dass Druck entsteht, wenn wir alle hinschauen, wenn die Medien
       berichten, wenn wir uns alle interessieren. Das erzeugt wesentlich mehr
       Druck, als ein Boykott“, betonte Löning. Er lobte zugleich die Entscheidung
       von Bundespräsident Joachim Gauck, einen Besuch in der Ukraine abzusagen.
       
       ## „Jeder Politiker muss selbst überlegen, ob er tut, als wäre nichts“
       
       Angesichts der wachsenden Kritik an Menschenrechtsverletzungen in der
       Ukraine kurz vor der Fußball-EM rechnet der Vorsitzende des Auswärtigen
       Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), mit weiteren
       Boykottaktionen.
       
       „Das wird jeder dann selber überlegen, ob er als Politiker,
       Spitzenpolitiker, Staatschef eine Einladung annimmt, sich auf die
       Haupttribüne setzt und so tut, als wäre nichts“, sagte Polenz am Freitag in
       der ARD. „Ich glaube schon, dass unter diesen Umständen viele sagen werden,
       dass sie zu Hause bleiben“, sagte er. Eventuell würde es genügen, wenn die
       Politiker lediglich die in Polen angesetzten Spiele besuchten. Die
       Fußball-EM wird von Polen und der Ukraine gemeinsam veranstaltet.
       
       Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael
       Vesper, lehnte einen Boykott der EM ab. „Es ist weder sinnvoll noch wäre es
       erfolgreich, jetzt eine Boykott-Diskussion zu starten“, sagte Vesper am
       Freitag im Deutschlandradio Kultur. „Es ist besser hinzuschauen, die Dinge
       zu thematisieren und ihnen dadurch eine größere Aufmerksamkeit zu
       beschaffen, als sie sonst bekämen.“
       
       Dass die Welt sich jetzt mit der Ukraine beschäftige, sei ein Verdienst der
       EM und das sei zu begrüßen. „Ich denke schon, dass die Diskussion Wirkung
       zeigen wird.“ Man dürfe den Sport aber nicht als „beliebiges Werkzeug“ der
       Politik betrachten.
       
       27 Apr 2012
       
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