# taz.de -- Kommentar Ukraine: 900.000 Menschen pro Jahr
       
       > Schwerste Menschenrechtsverletzungen auf Polizeirevieren und in
       > Haftanstalten sind in der Ukraine Alltag. Über diese Menschen spricht
       > kaum jemand.
       
 (IMG) Bild: Der Timoschenko-Block im ukrainischen Parlament, der Obersten Rada, fordert „Freiheit für die Ukraine“.
       
       Keine Frage: Der brutale Umgang mit der inhaftierten früheren ukrainischen
       Regierungschefin Julia Timoschenko ist zu verurteilen. Doch es geht bei
       Weitem nicht nur um die Causa Timoschenko oder den zweiten prominenten
       politischen Gefangenen Juri Lutzenko. Der ehemalige Innenminister leidet an
       einer schweren Lebererkrankung und dürfte das Gefängnis nicht überleben.
       
       Beide Fälle verweisen auf den Umstand, dass schwerste
       Menschenrechtsverletzungen auf Polizeirevieren und in Haftanstalten in der
       Ukraine Alltag sind. Laut Angaben eines Menschenrechtszentrums in Charkow
       sind allein im vergangenen Jahr rund 900.000 Gefangene Opfer von Folter
       geworden. Dabei zählen Schläge noch zu den harmlosen Varianten. Über diese
       Menschen spricht kaum jemand. Demgegenüber sorgt das Schicksal
       Timoschenkos, die seit einigen Tagen im Hungerstreik ist, für umso
       erregtere Debatten.
       
       Ein wahrscheinliches Entgegenkommen Kiews in Sachen einer medizinischen
       Behandlung Timoschenkos sowie das Engagement der deutschen Bundesregierung
       sind nicht nur der Tatsache geschuldet, dass die 51-Jährige eine der
       bekanntesten PolitikerInnen in der Ukraine ist. In sechs Wochen beginnt die
       Fußball-EM, und da möchte sich die Ukraine als einer der beiden
       Austragungsorte als offenes, gastfreundliches Land präsentieren. Halbtot
       geschlagene Häftlinge sind diesem Image nicht zuträglich.
       
       Doch all das wird denjenigen nichts nützen, die in der Haft tagtäglich
       einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt sind. Hier sind die EU über
       ihr Instrument der östlichen Partnerschaft sowie der Europarat
       aufgefordert, auf grundsätzliche Reformen des ukrainischen Rechtssystems
       hinzuwirken. Doch mit dem Abpfiff des Finales dürfte auch dieses Thema
       wieder von der Agenda verschwinden.
       
       25 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Oertel
       
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