# taz.de -- DAILY DOPE (554): Ehrenwert, aber unkorrekt
       
       > Die Briten scheitern vor dem Internationalen Sportgerichtshof mit dem
       > Plan, keine Sportler zu Olympia zuzulassen, die mal beim Pfuschen
       > erwischt wurden.
       
 (IMG) Bild: Kann sich wieder Hoffnungen machen: Dwain Chambers, hier nach einem Sieg über 200 Meter im Jahr 2009
       
       Nun dürfen sie doch. Dwain Chambers, erster überführter Kunde des
       Doping-Designers Victor Conte (Balco-Labor), darf sich wieder Hoffnungen
       auf einen Olympiastart in seiner Geburtstadt London machen. David Millar,
       einer der vielen Epo-Sünder, die der Radsport kennt, darf ebenfalls sein
       Können in die Waagschale werfen, um dem Landsmann Mark Cavendish zur
       Verwirklichung von dessen „Plan Gold“ im olympischen Straßenrennen zu
       verhelfen. Das ergab das mit Spannung erwartete Urteil des Internationalen
       Sportgerichtshof Cas am Montag. Es erklärte damit den Versuch des
       Britischen Olympischen Komitees BOA, überführte Doper auch nach Absitzen
       ihrer Sperre von Olympia auszuschließen, für nicht rechtens.
       
       „Das ist enttäuschend“, kommentierte Großbritanniens Sportminister Hugh
       Robertson die Entscheidung. Robertson hatte gehofft, dass die britischen
       Sportverbände autonom ihre Nominierungskriterien bestimmen können. Dazu
       gehören neben der sportlichen Qualifikation eben auch ethische Komponenten.
       Das ist ehrenwert. Die Weltantidopingagentur Wada sah in einem Olympia-Bann
       für Ex-Doper allerdings eine von ihrem Reglement nicht gedeckte weitere
       Doping-Sanktion und legte Einspruch ein. Der Cas gab nun diesem Einspruch
       nach. Die Sportrichter hielten sich an den Grundsatz, dass niemand für das
       gleiche Delikt doppelt bestraft werden kann. Das ist korrekt. Die
       britischen Sportfunktionäre hätten im Übrigen schon vorab wissen können,
       dass sie mit ihrer Werbeaktion für ein sauberes Olympia auf so verlorenem
       Terrain stehen wie etwa ihre Kicker bei einem Elfmeterschießen gegen die
       DFB-Auswahl.
       
       Im November 2011 hatte bereits der 400-m-Olympiasieger LaShawn Merritt
       seine Chance auf einen Olympiastart vor dem Cas durchgesetzt. Der
       US-Amerikaner war mit einem verbotenen Zusatz eines
       Penisvergrößerungsmittels aufgefallen. Die Zahl britischer Sportler, die
       sich gegen ein solches Verbot erfolgreich zur Wehr setzten, ist noch
       größer. Denn seit 1992 versucht die BOA, zurückgekehrte Doper von der
       Olympiaqualifikation auszuschließen. Seitdem gab es 25 Verfahren. In allen
       bis auf einem wurde dem Einspruch der Sportler stattgegeben.
       
       ## Juristische Vorgeschichte
       
       Auf diese juristische Vorgeschichte wies der Cas in seiner
       Urteilsbegründung hin. Der Einzige, der seinen Einspruch nicht bis zum Ende
       durchzog, war – in Hinblick auf Olympia 2008 in Peking – Dwain Chambers.
       Jetzt profitiert der Hallen-Welt- und -Europameister auf den Sprintstrecken
       ohne eigenes Zutun ausgerechnet vom Engagement der Wada. Das ist pikant.
       „Wir haben unsere Position sehr sorgfältig geprüft und bedauern die vielen
       hysterischen und fehlerhaften Attacken des Britischen Olympischen
       Komitees“, erklärte Wada-Präsident John Fahey. In ihrem Versuch, die
       Olympischen Spiele in ihrem Lande zumindest von Dopingvergangenheit zu
       reinigen, hatten die Gastgeber überzogen.
       
       Ganz vom Tisch ist eine Olympiasperre für Ex-Doper aber nicht. Dazu müsste
       das Wada-Reglement geändert werden. Diesen Weg schlug der Cas auch in
       seiner Urteilsbegründung vor.
       
       Das liegt zudem ganz auf der Linie einiger Sportler. Der britische
       110-m-Hürden-Europameister Andy Turner via Twitter: „Entweder man sorgt
       weltweit für eine lebenslängliche Sperre für Doper oder man lässt es
       komplett bleiben.“ Diane Modahl, eine ehemalige 800-m-Läuferin aus England,
       die in ihrer Karriere von einem Verdacht befreit wurde, weil die Proben
       unsachgemäß gelagert waren, begrüßte zwar das Urteil, plädierte aber für
       eine Dopingsperre von vier Jahren statt derzeit zwei.
       
       Die Debatte um eine Regelverschärfung erhält damit neue Nahrung. Fraglich
       ist nur, ob es sich um eine temporäres „Shock and Awe“ in zeitlicher Nähe
       zu sportlichen Großereignissen handelt oder tatsächlich um den Willen zur
       Abschreckung gerungen wird. Um Änderungen des Wada-Codes wird es erst nach
       Olympia gehen.
       
       1 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Daily Dope (570): Die Opfer des Übermenschen
       
       Der frühere Team-Telekom-Chef Rudy Pevenage nimmt den Enthüllungsbericht
       über Lance Armstrong zum Anlass für jede Menge Selbstmitleid. Och, der
       Arme!
       
 (DIR) Symposium der Dopingjäger: Intelligente Schnitzeljagd
       
       Der frühere Radprofi Tyler Hamilton hat mit seinen Enthüllungen die Jäger
       der Welt-Anti-Doping-Agentur aufgerüttelt. Die geben sich kämpferisch.
       
 (DIR) Doping bei den Paralympics: Blase voll, Blutdruck hoch
       
       Um mehr Adrenalin auszuschütten, quälen gelähmte Sportler beim Boosting
       ihren Körper. Bis zu 15 Prozent mehr Leistung sollen so möglich sein.
       
 (DIR) Daily Dope (560): Synthetisches Testosteron im Schlagarm
       
       Auch in der US-Major-Baseball-League wird gedopt. Dass nun der Oakland-Star
       Colón erwischt wurde, zeigt, wie tief die Liga im Sumpf versinkt.
       
 (DIR) Dopingkontrolleur bei Olympia: Mit einem Gläschen Pipi durch die Stadt
       
       Stefan Rosiejak ist einer der freiwilligen Dopingkontrolleure in London.
       Ihn fasziniert die Standardisierung der Tests. Also fährt er durch die
       Stadt und sammelt Urinbecher ein.
       
 (DIR) Doping-Spekulationen bei Olympia: Das große Rätsel China
       
       Die Erfolge der chinesischen AthletInnen in London stehen unter Verdacht.
       Haltlos ist diese Vermutung sicher nicht - aber auch nicht fair.
       
 (DIR) Olympia – Straßenradrennen: Ein Kasache sorgt für die Überraschung
       
       Alexander Winokurow holt beim olympischen Straßenrennen Gold. Die Favoriten
       um die Sprinter Mark Cavendish und den deutschen Andre Greipel gingen leer
       aus.
       
 (DIR) Sprinteretappe auf der Tour de France: Cavendish kann’s auch ohne Zug
       
       Mark Cavendish siegt vor André Greipel. Der Brite gewinnt die erste
       Sprinteretappe, obwohl sein Team in diesem Jahr kaum für ihn arbeitet und
       die Konkurrenz stärker geworden ist.
       
 (DIR) Kommunalwahlen in Grossbritannien: Halbzeit-Denkzettel für Cameron
       
       Aus Protest gegen konservative Sparpolitik legt Labour zum ersten Mal seit
       Jahren bei einer britischen Kommunalwahl zu. Sie erreichte ihr Ziel: 700
       Sitze mehr.
       
 (DIR) Wahl in London: Boris-Land und Ken-Hausen
       
       Der Konservative Boris Johnson und der Labour-Mann Ken Livingstone stehen
       für getrennte Teile und Schichten der Stadt London. Westen - Osten, oben -
       unten.
       
 (DIR) Daily Dope (553): Ganz präzise Verbote
       
       Entgegen bisherigen Einschätzungen erklärt die Wada: Blutbehandlung durch
       UV-Bestrahlung war bis Ende 2010 rechtens. Einst Verurteilte fühlen sich
       rehabilitiert.
       
 (DIR) DAILY DOPE (552): Freiburger Teilzeit-Modell
       
       In Baden-Württemberg stellt der Justizminister eine neue
       Schwerpunktstaatsanwaltschaft vor. Zwei Staatsanwälte kümmern sich nun ein
       wenig ums Thema Doping.
       
 (DIR) DAILY DOPE (551): Ein alter Bekannter
       
       Hans-Michael Holczer hat nicht das erste Mal mit gedopten Radfahrern zu
       tun. Seine Selbstinszenierung als Opfer wird von Fahrern angezweifelt.
       
 (DIR) Daily Dope (550): Wie ein lästiger Pickel
       
       Mit vollem Einsatz geht der deutsche Sport in den Olympiasommer – außer
       beim Thema Doping. Der Nada fehlt das Geld, um den Kampf gegen Blutdoping
       zu bestreiten.