# taz.de -- Krise der Linken: Von der Zweckehe in die Paartherapie
       
       > Oskar Lafontaine will wieder Parteichef werden. Doch so allmächtig wie
       > noch vor zwei Jahren ist er heute nicht mehr. Viele Ostlandesverbände
       > leisten Widerstand.
       
 (IMG) Bild: Soll bei Krisengespräch am Sonntag zwischen seinen Parteifreunden Lafontaine und Bartsch vermitteln: Klaus Ernst (rechts).
       
       BERLIN taz | Als Klaus Ernst am Dienstagabend nach der Krisensitzung vor
       die Presse trat, klang er so, als wäre die Welt eigentlich in Ordnung.
       Oskar Lafontaine, so der Noch-Vorsitzende der Linkspartei, habe ein Angebot
       gemacht, das beim Parteivorstand und den Landeschefs „auf breite
       Zustimmung“ gestoßen sei.
       
       Das Angebot lautet: Dietmar Bartsch zieht seine Kandidatur für den Posten
       des Parteivorsitzen auf dem Parteitag in Göttingen zurück, Lafontaine
       bekommt als Parteichef freie Hand bei der Bildung einer kooperativen
       Parteispitze. Doch Steffen Bockhahn, Landeschef aus Mecklenburg-Vorpommern
       und Unterstützer von Dietmar Bartsch, ist angesichts dieser Sprachregelung
       fassungslos: „Das war anders abgesprochen. Es gab keine breite Zustimmung.
       Das ist gelogen.“
       
       Auch Parteivizechefin Halina Wawzyniak wundert sich: „Seit wann ist es
       breite Zustimmung, wenn die meisten Westlandesverbände dazu ja sagen und
       die meisten Ostlandesverbände nein?“ In der Linkspartei scheint es
       zuzugehen wie bei Paaren, die sich trennen. Im Zweifel kann man sich noch
       nicht mal einigen, ob es draußen regnet.
       
       Fraktionschef Gregor Gysi war zu dem Treffen im Karl-Liebknecht-Haus gar
       nicht erschienen. Er wusste schon, dass sein Vorschlag – Lafontaine wird
       Parteichef, Bartsch als Bundesgeschäftsführer Herr des Apparates – zwei
       entschiedene Gegner hatte: Lafontaine und Bartsch.
       
       ## Richtungsentscheidung
       
       Bartsch oder Lafontaine – das ist eine Richtungsentscheidung für die
       Partei. Setzt sie auf aggressive Opposition gegen alle oder bringt sie sich
       als moderate Kraft einer möglichen Rot-Rot-Grün-Koalition in Stellung? Doch
       es geht nicht nur um die Richtung. Vor allem der Stil, mit dem Lafontaine
       seine Rückkehr an die Parteispitze betreibt, bringt die Ostler in Rage. 
       
       Ihm ist die Mentalität und historische Prägung der Ost-Linken fremd
       geblieben. Den offenen, weichen politischen Stil, den die PDS aus der
       Erfahrung der SED entwickelte, empfindet er nur als Renitenz nach innen und
       Anpassung nach außen. Diesmal scheinen die im innerparteilichen Kampf eher
       defensiven Ostler nicht nachzugeben.
       
       „Was Lafontaine will“, so Steffen Bockhahn zur taz, „das ist kein Angebot,
       sondern die Forderung nach völliger Unterordnung.“ Wawzyniak kritisiert das
       Demokratieverständnis des Exparteivorsitzenden: „Nur anzutreten, wenn es
       keine anderen Kandidaturen gibt, ist demokratietheoretisch völlig absurd.“
       
       Wie geht es weiter? Die Zeit, als die Partei Lafontaine zu Füßen lag,
       scheint vorbei zu sein. Auch in der Westlinken ist er nicht mehr so
       unumstritten wie vor zwei Jahren. Dass er erst die Wahlniederlagen in Kiel
       und Düsseldorf abwartete, hat seinem Image als Retter in allen Lagen
       beschädigt.
       
       ## Treffen zwischen Bartsch und Lafontaine
       
       Ulrich Wilken, Chef der hessischen Linkspartei, unterstützt Lafontaine,
       „allerdings nur, wenn es eine Parteispitze gibt, die integriert“. Falls es
       keine Einigung gebe, entscheide der Parteitag. „Das sehe ich ganz
       gelassen“, so Wilken zur taz. Am Sonntag werden sich Dietmar Bartsch und
       Oskar Lafontaine treffen.
       
       Moderieren soll das Gespräch Klaus Ernst, möglicherweise werden auch Gregor
       Gysi, Bundesgeschäftsführerin Caren Lay und Partei-Vize Katja Kipping dabei
       sein. Ein Bartsch-Unterstützer ist skeptisch, dass Gespräche noch etwas
       nutzen: „Was soll dabei herauskommen?“
       
       Die Entscheidung wird wohl nicht auf den Regionalkonferenzen fallen,
       sondern erst kurz vor dem Parteitag in Göttingen am 2. Juni. Eines der
       wenigen guten Zeichen ist, dass sich angesichts des West-Ost-Showdowns
       zaghafter Protest regt. Unter dem Titel „Wir sind die Linke“ fordern West-
       und Ostlinke Selbstkritik.
       
       „Wir waren berauscht vom Erfolg und haben zu wenig Sorgfalt darauf
       verwandt, das Netz unserer Partei zu festigen, die Fäden zu stärken und sie
       in die Gesellschaft einzuweben“, heißt es. Unterschrieben haben Ostrealos
       wie Klaus Lederer und Westlinke wie Axel Troost und Kornelia Möller.
       
       17 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Die Linke
       
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