# taz.de -- Machtkampf in der Linkspartei: Wenn zwei Züge aufeinander zurasen
       
       > Der Machtkampf um die Parteispitze in der Linkspartei ist vertagt. Auf
       > dem Parteitag im Juni wollen prominente Politiker nun die Partei ihren
       > Mitgliedern übergeben.
       
 (IMG) Bild: Gefährden die Partei, finden viele Mitglieder: Oskar Lafontaine und Dietmar Bartsch.
       
       BERLIN taz | Nach viereinhalb Stunden gab es immer noch kein Ergebnis: Die
       Mitglieder des Bundesvorstands und die Landesvorsitzenden der Linkspartei
       konnten sich nicht einigen, ob Oskar Lafontaine oder Dietmar Bartsch
       Parteivorsitzender werden sollen.
       
       Wenn man Katja Kipping fragt, was sie vom Machtkampf um die Linken-Spitze
       hält, bekommt man weder ein Lob für Bartsch zu hören noch Werbung für
       Lafontaine. Viele in der Partei, sagt die stellvertretende Vorsitzende,
       hätten gar keine Lust, sich an irgendeinen der beiden zu hängen, „wenn
       beide wie ein D-Zug aufeinander zurasen“.
       
       Ein unkontrollierter Zusammenstoß würde den Zusammenhalt der Linken
       gefährden – ziemlich genau fünf Jahre nach der Fusion von PDS und
       Wahlalternative. Den Geburtstag wollte die Parteispitze eigentlich groß
       begehen, die Kreisverbände wurden eigens aufgefordert, „vor Ort diesen
       Anlass für eigene positive Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen“.
       
       Doch das Bild der Linken wird derzeit von zwei aufeinander zu rasenden
       D-Zügen dominiert. Was die Linkspartei will, was sich mit dem Namen des
       einen oder anderen an politischen Vorstellungen verbindet, kurzum: Was den
       politischen Unterschied zwischen Bartsch und Lafontaine jenseits von
       Biografie und persönlichem Machtstil ausmachen würde, davon war nicht viel
       die Rede in diesen Tagen der Entscheidung.
       
       Dabei wird es beim Parteitag in Göttingen Anfang Juni neben den
       Personalfragen auch darum gehen, eine Antwort darauf zu finden, wie die
       Linke wieder in die Erfolgsspur zurückkehrt – oder wenigstens vom
       abschüssigen Gleis herunterkommt. Vor einem halben Jahr hat sich die Partei
       in Erfurt ein neues Programm gegeben, ein nicht von allen sehr geliebter
       Kompromiss, eine Grundlage vielleicht, aber kein Papier, dass die
       Diskussion über Kurs und Politik der Linken erübrigen könnte.
       
       Zumal dann nicht, wenn gerade zwei D-Züge aufeinander zu rasen. Mitten in
       das Treffen der Spitzenrunde am Dienstag, auf dem eine Lösung des
       machtpolitischen Konflikts gesucht wurde, platzte die Nachricht von einem
       Gegenentwurf zum bereits vor einigen Wochen veröffentlichten Leitantrag an
       den Göttinger Parteitag.
       
       Die Liste der Erstunterzeichner ist lang, der langjähriger Vorsitzende
       Lothar Bisky ist darunter, Berlins Landeschef Klaus Lederer, viele bekannte
       ostdeutsche Landespolitiker, auch Bodo Ramelow oder
       Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Insgesamt 150 Namen.
       
       ## Als gescheitert betrachtet
       
       Dass der eigentliche Leitantrag von einem Teil der Linken als Dokument
       eines weithin als gescheitert betrachteten Vorstandes angesehen würde, war
       abzusehen. Wie sich das Alternativpapier inhaltlich unterscheidet, hat viel
       mit dem Machtkampf zu tun und mit einer politischen Kultur, von der nicht
       wenige Linke schon länger sagen, man könne sie weder als Mitglied aushalten
       noch sei daran irgendetwas attraktiv: „Eine Partei, die sich selbst nicht
       mag, wird nicht gemocht.“
       
       Wo der Leitantrag des alten Vorstandes darauf beharrt, dass die Linke mit
       ihrem Erfurter Programm „die einzige Partei“ sei, „die eine schlüssige
       Antwort auf die Finanzkrise sowie die ökologischen und demokratischen
       Herausforderungen“ habe, stellt der Alternativantrag erst einmal Fragen und
       spricht von „Hausaufgaben“ für die Linke.
       
       Man müsse „Liegengelassenes aufgreifen, nachsitzen“, auch von der
       Notwendigkeit einer Kulturrevolution in der Partei ist die Rede. Statt auf
       „Kurs halten“, so war im vergangenen Jahr eine Konferenz des linken Flügels
       überschrieben, müsse sich die Linke „öffnen, zuhören, akzeptieren und
       andere mitnehmen“.
       
       Apropos zwei aufeinander zu rasende D-Züge: Den „Sieg einer
       innerparteilichen Gruppe über eine andere“ halten die Unterzeichner des
       Alternativantrags weder für ein Erfolgsrezept bei den anstehenden Wahlen
       noch überhaupt für eine gute Idee. Das Papier verweist auf die Mitglieder
       als „unser stärkstes Fundament“ und fordert, was in Zeiten der Piraten zwar
       nicht mehr exklusiv ist, doch auch für die Linkspartei unerhört klingt:
       „Übergeben wir ihnen ihre Partei“. Es hätte vielleicht heißen sollen: Geben
       wir ihnen ihre Partei zurück.
       
       16 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Strohschneider
       
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