# taz.de -- Wahlkampf-Videos in den USA: Obama gegen den Finanz-Egomanen
       
       > Barack Obama setzt im Wahlkampf auf eine deutliche Botschaft: In Videos
       > inszeniert er Mitt Romney als Jobvernichter, der sich nicht um die
       > Mittelklasse schert. Eine riskante Strategie.
       
 (IMG) Bild: Ein kritischer Blick nach rechts kann nie schaden.
       
       BERLIN taz | Kartoffeln, Spinat, Brokkoli, Möhren. Im Garten des Weißen
       Hauses wächst das Gemüse unter der strengen Aufsicht von Michelle Obama.
       Denn das qua Amt geforderte soziale Engagement der First Lady gilt dem
       gesunden Essen und der richtigen Ernährung von Kindern. Gegen die
       Fettleibigkeit einer Nation lässt sich Michelle Obama beim Tanzen und
       Sackhüpfen ablichten, gibt Interviews und lädt Kinder ein, mit ihr
       gemeinsam die Erde im Garten des Weißen Hauses umzugraben. Am Dienstag
       erscheint ihr erstes Buch. „American Grown: The Story of the White House
       Kitchen Garden and Gardens Across America“ („Amerikanisch gewachsen: Die
       Geschichte des Gemüsegartens des Weißen Hauses und Gärten quer durch
       Amerika“). Ein gefälliges, unkritisches Thema, das positive Punkte für
       Familie Obama bringt.
       
       Abseits der Beete hingegen fährt Barack Obama eine Wahlkampfstrategie, die
       nicht so leicht zu verkaufen ist wie die Garten-Historie des Weißen Hauses.
       In ungewöhnlich langen Videos widmet sich das Kampagnen-Team Obamas Mitt
       Romney und seiner Tätigkeit bei der Investmentfirma Bain Capital. Erzählt
       werden emotionale Geschichten von Jobverlust, Hoffnungslosigkeit und dem
       Leid der Mittelklasse, alles verknüpft mit dem Namen Mitt Romney.
       
       Den Auftakt machte die Geschichte der Stahlhütte GS Technologies in Kansas
       City. „Wir waren nicht reich, aber ich schaffte es, meiner Tochter das
       College zu ermöglichen“, erzählt Joe Soptic, der 30 Jahre als Stahlarbeiter
       tätig war. Bis Mitt Romney, bis Bain Capital nach Kansas City kam. Die
       Hütte wurde von der Investmentfirma, deren CEO Romney war, aufgekauft. „Sie
       machten so viel Geld mit der Fabrik, wie nur möglich und meldeten dann
       Insolvenz an“, wird die Geschichte von Joe Soptic weitererzählt.
       
       Zeitungsausschnitte und Videos aus dem Jahr 2004 zeugen vom Niedergang
       einer ganzen Region. Heruntergekommene Geschäfte, ein verwaistes
       Unternehmensgelände. Einzige Botschaft des 6-Minuten-Spots: Mitt Romney,
       der Jobvernichter.
       
       Die Strategie ist klar und wohl bekannt: Amtsinhaber Obama versucht, das
       Bild, das sein wahrscheinlicher Herausforderer um das Amt des Präsidenten
       von sich selbst zeichnet, zu attackieren. Romney, dessen Nominierung als
       republikanischer Präsidentschaftskandidat auf dem Parteitag im August in
       Florida nur noch Formsache ist, inszeniert sich politisch seit jeher als
       erfahrener Geschäftsmann, der die amerikanische Wirtschaft wieder auf den
       richtigen Weg bringen und die Arbeitslosigkeit senken wird.
       
       Romney, dessen Vermögen auf bis zu 250 Millionen Dollar geschätzt wird,
       arbeitete in den 1980er und 90er Jahren beim Finanzinvestor Bain Capital.
       Das Unternehmen investiert oder kauft Firmen, die in finanziellen
       Schwierigkeiten stecken oder Start-Ups sind, restrukturiert sie, um sie
       dann mit Profit wieder zu verkaufen. Die US-Ausgabe der Vanity Fair zitiert
       eine Analyse der Deutschen Bank, wonach unter Romneys Aufsicht 63 Deals
       abgeschlossen wurden. Bei 33 verlor Bain Capital Geld oder ging mit
       plus-minus Null aus dem Geschäft. Doch alles in allem florierte das
       Geschäft unter Romney, Investoren wurden reich, Romney auch.
       
       Der ehemalige Gouverneur von Massachusetts spricht bei öffentlichen
       Auftritten gern davon, wie er dazu beigetragen habe, tausende Jobs in den
       USA zu sichern und zu schaffen. Etwa bei „Staples“, einer Firma, die
       Büromaterialen verkauft und 1986 als Start-Up startete und sich nach dem
       Einstieg von Bain Capital in ein millionenschweres Unternehmen verwandelte.
       „Wir haben geholfen, mehr als 100.000 neue Jobs zu schaffen. Nebenbei
       bemerkt, wir haben mehr Jobs in Massachusetts geschaffen als der Präsident
       im ganzen Land“, wird Romney Anfang Januar auf Fox News zitiert.
       
       Mit der eigens geschaffenen Seite [1][romneyeconomics.com] nun greift Obama
       Romney genau dort an. Neben dem Beispiel der Stahlhütte in Kansas City
       wurde Anfang letzter Woche ein weiteres Video veröffentlicht, das den
       Niedergang von „American Pad & Paper“ (Ampad) erzählt. „Es ist mir eine
       Herzensangelegenheit. Die Menschen müssen erfahren, was Mitt Romney getan
       hat“, beginnt Valerie Bruton ihre Geschichte. „Es war der schlimmste Tag
       meines Lebens, als ich meinen Job verlor.“ Über emotionale
       Einzelgeschichten soll das Bild von Romney als Jobbeschaffer verdrängt
       werden, überklebt mit dem Image eines rücksichtslosen Finanzinvestors, der
       persönlichen Profit über die kleinen Leute stellt.
       
       Eine aggressive Strategie, die innerhalb der demokratischen Partei nicht
       unumstritten ist. Newarks demokratischer Bürgermeister Cory Booker
       kritisierte Obama, das Geschäftsmodell privater Finanzkapitalisten per se
       anzugreifen. Auch andere demokratische Politiker äußerten daran Kritik –
       trifft die Strategie doch auch potenziell finanzkräftige Spender der
       Demokraten. Booker relativierte im Laufe der Woche seine Äußerungen etwas –
       jedoch zu spät.
       
       Die Republikanische Partei nutzte die Kritik an Obama und die mediale wie
       innerparteiliche Debatte um die Spots, um selbst ein Video zu
       veröffentlichen. „Obamas worst week ever?“ – „Obamas schlimmste Woche?“,
       fragt der Spot und zählt genüsslich auf, welche Demokraten sich gegen ihren
       Präsidenten gestellt haben. Romney selbst hat sich noch nicht explizit zu
       den Angriffen seines Gegners geäußert.
       
       Obamas Kampagne wird, der Kontroverse um die aggressive Strategie zum
       Trotz, weiter Stimme sammeln, um ihr Mitt-Romney-Bild zu transportieren.
       Jobbeschaffer oder Jobvernichter? Eine der zentralen Fragen im kommenden
       Präsidentschaftswahlkampf.
       
       Romney wird sich und seine Bain-Capital-Vergangenheit daran messen lassen
       müssen, Obama seine Bilanz im Weißen Haus. Letzte Umfragen sehen die beide
       Kandidaten in der Wählergunst derzeit fast gleichauf, laut [2][Gallup]
       liegt Obama bei 47 Prozent, Romney bei 45.
       
       28 May 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.romneyeconomics.com/ampad/ampad-intro
 (DIR) [2] http://www.gallup.com/home.aspx
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rieke Havertz
       
       ## TAGS
       
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