# taz.de -- Die Welt schaut Assads Massakern zu: Was tun für Syrien?
       
       > Zerstörte Existenzen, Folter, Haft, über zehntausend Tote: Die Welt
       > schaut zu, was in Assads Reich geschieht. Was kann man sonst tun?
       
 (IMG) Bild: Schnell in Sicherheit: 32 Minderjährige und 60 Erwachsene schafften es nach Angaben von Aktivisten beim Massaker von Hula nicht.
       
       Nach dem Massaker von Hula diskutieren die internationalen Akteure
       Möglichkeiten der Hilfe für die syrische Bevölkerung. Hier sind die
       denkbaren Szenarien:
       
       ## 
       
       Das Ziel: Offiziell muss das Ziel lauten: Schutz der Zivilbevölkerung, Ende
       der Gewalt. Soll der UN-Sicherheitsrat ein militärisches Eingreifen
       mandatieren und damit legalisieren, geht das nicht anders.
       Unausgesprochenes Ziel wäre freilich der Sturz des Assad-Regimes, notfalls
       durch Interventionstruppen.
       
       Die Teilnehmer: Militärisch ausreichende Fähigkeiten hätte nur die Nato
       unter wesentlicher Beteiligung der USA. Allerdings drängt bislang keine
       Regierung wirklich auf eine militärische Intervention, niemand bereitet
       etwa einen entsprechenden Resolutionsentwurf vor und sucht dafür
       Unterstützung – trotz der Äußerung von Frankreichs Staatschef Hollande, der
       einen Waffengang nicht ausschließen will.
       
       Die Probleme: Zwei der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates,
       Russland und China, sind Verbündete der Regierung Assad. Sie blockieren
       bisher nicht nur jede Idee militärischer Intervention, sondern überhaupt
       jedes verschärfte Vorgehen der Vereinten Nationen gegen das syrische
       Regime. Es scheint derzeit – und nach der Libyen-Erfahrung –
       ausgeschlossen, dass sie ihre Position in absehbarer Zeit grundlegend
       ändern. Ein militärisches Eingreifen der Nato ohne Mandat des
       Sicherheitsrates, wie 1999 im Kosovokonflikt, wäre völkerrechtswidrig und
       ist kaum zu erwarten.
       
       Aber auch die militärischen Erfolgsaussichten einer solchen Operation sind
       unklar. Ging es in Libyen darum, per Luftkrieg die Armee so zu schwächen,
       dass die Rebellen militärisch die Oberhand gewinnen konnten, so kann davon
       in Syrien keine Rede sein. Die regimetreuen Milizen, die für die jüngsten
       Massaker verantwortlich gemacht werden, operieren in den Städten. Mit
       Luftangriffen sind sie nicht zu treffen, ohne die Zivilbevölkerung massiv
       zu gefährden. Bodentruppen wären nötig; aber wer die stellen sollte, ist
       unklar.
       
       Dazu kommt: Die Glaubwürdigkeit der Nato, unter Sicherheitsratsmandat das
       Prinzip der „Schutzverantwortung“ militärisch durchzusetzen, hat durch die
       eigenwillige Interpretation der Sicherheitsratsresolution zu Libyen massiv
       gelitten. Im Herbst letzten Jahres gab die brasilianische Regierung
       stellvertretend für viele im globalen Süden ihre Bedenken zu Protokoll, das
       Prinzip könne für Zwecke wie „regime change“ missbraucht werden. Neben
       China und Russland dürften also weitere Länder Bedenken hegen – zumal der
       Verdacht naheliegen würde, dass nicht nur Syrien, sondern auch dessen
       Verbündeter Iran getroffen werden soll. Und schließlich: Ein Krieg wäre
       exorbitant teuer.
       
       Kann das klappen? Die Wahrscheinlichkeit eines bewaffneten Eingreifens
       bleibt vorerst gering.
       
       ## 
       
       Das Ziel: 1. Beendigung der Kampfhandlungen sowie Durchsetzung und
       Überwachung der weiteren Punkte des Annan-Friedensplans (Rückzug aller
       schweren Waffen aus Städten und Wohngebieten, Freilassung politischer
       Gefangener, Demonstrations- und Pressefreiheit)
       
       2. Unterbindung jeglicher Waffenlieferung nach Syrien
       
       3. Sicherstellung der humanitären Versorgung der notleidenden Bevölkerung
       und der Flüchtlinge.
       
       4. Vorbereitung von freien, von der UNO überwachten Wahlen.
       
       Die Teilnehmer: Der UNO-Sicherheitsrat beschließt mit Zustimmung aller fünf
       Vetomächte (USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien) einen
       robusten Blauhelmeinsatz und weitet zugleich das bereits gegen das
       Assad-Regime verhängte Waffenembargo auf die bewaffneten Oppositionskräfte
       aus. Auch die militärische Ausbildung und eine Finanzierung dieser Kräfte
       wird vom Sicherheitsrat untersagt.
       
       Wer macht’s? Eine mindestens 10.000 Soldaten umfassende Blauhelmtruppe,
       gebildet etwa aus Kontingenten aller fünf Vetomächte sowie eventuell
       weiterer Staaten. Ausgestattet mit einem robusten Mandat des
       Sicherheitsrates, das über die Selbstverteidigung hinaus den Waffeneinsatz
       zur Durchsetzung der obigen Ziele erlaubt.
       
       Probleme: Der Einsatz würde immense Kosten für die Länder verursachen, die
       die Truppen stellen. Ob die USA zu einer Blauhelmmission bereit wären, ist
       unklar – bisher war die US-Armee noch nie an solchen Einsätzen beteiligt.
       Blauhelme wurden zudem bislang immer nur mit Zustimmung der Regierung des
       jeweiligen Stationierungslandes stationiert. Diese Zustimmung wird Syriens
       Präsident Assad wahrscheinlich nicht erteilen, denn er muss bei freien
       Wahlen mit dem Verlust seiner Macht rechnen. Allerdings ist zu vermuten,
       dass Assads Truppen es nicht wagen würden, amerikanische oder russische
       Soldaten anzugreifen.
       
       Kann das klappen? Die Chancen sind seit dem Massaker von Hula gestiegen,
       auch wenn Russland derzeit weitere UN-Beschlüsse ablehnt. Die bisherige
       UN-Beobachtertruppe reicht offensichtlich nicht aus. Die Regierungen der
       USA, Chinas, Russlands und der EU-Staaten eint die Sorge vor einem Zerfall
       der Zentralgewalt in Damaskus und in der Folge ganz Syriens mit
       destabilisierenden Folgen für die gesamte Nahost-Region. In Moskau setzt
       sich die Erkenntnis durch, dass ein weiteres Festhalten an Assad den
       russischen Interessen in Syrien und in der Region längerfristig eher
       schadet als nutzt.
       
       ## 
       
       Das Ziel: Der Sturz des Regimes mit militärischen Mitteln. Die Freie Armee
       Syriens (FSA) soll befähigt werden, die Streitkräfte zurückzuschlagen und
       befreite Gebiete zu halten. Damit wären sowohl Schutzzonen für Zivilisten
       als auch eine Basis für den Kampf gegen Präsident Assad geschaffen.
       
       Die Teilnehmer: Im April haben die arabischen Golfstaaten, vor allem
       Saudi-Arabien und Katar, nach Informationen der Washington Post
       beschlossen, die Rebellen mit monatlich mehreren Millionen Dollar zu
       finanzieren. Die USA sollen den Vorstoß demnach mit Informationen
       unterstützen. Doch auch islamistische Gruppen im Ausland spielen eine
       Rolle: Nach Einschätzung von Experten sammeln unter anderem Muslimbrüder
       sowie Salafisten hohe Spendenbeträge, die sie an die Rebellen in Syrien
       weiterleiten.
       
       Die Probleme: Die meisten westlichen Staaten scheuen davor zurück, die FSA
       zu unterstützen. Denn es handelt sich nicht um eine „Armee“ mit zentralen
       Strukturen, sondern um ein Sammelbecken für eine Vielzahl von Bürgerwehren
       und Milizen, die sich teils aus Deserteuren, teils aus Zivilisten
       rekrutieren. Daher birgt der Vorstoß das Risiko einer Ausweitung von Chaos
       und Gewalt. Die UN haben der FSA bereits „massive Menschenrechtsverstöße“
       vorgeworfen. Auch die offene Frage, inwieweit islamistische Strömungen die
       FSA prägen, bereitet dem Westen Sorge. Derzeit mehren sich zudem Hinweise,
       dass Extremisten aus dem Ausland eingesickert sind. Damit wird der Konflikt
       immer unübersichtlicher. In wessen Händen die Waffen am Ende ankommen,
       lässt sich nicht sicher sagen.
       
       Derzeit koordinieren Exilsyrer den Transfer der Gelder aus dem Ausland zu
       den Aufständischen vor Ort. Schmuggler bringen die Waffen über die Grenzen
       nach Syrien. Dennoch sind die überwiegend leicht gerüsteten Rebellen dem
       Militär nach wie vor weit unterlegen. Einzelne Bataillone sollen zwar
       inzwischen große Mengen von Waffen horten. Im Allgemeinen aber fehlt es der
       FSA an allem; sogar mit ihrer Munition müssen viele Gruppen streng
       haushalten.
       
       Kann das helfen? Möglicherweise. Die militärische Stärke der Rebellen kann
       durchaus einen Einfluss auf den Ausgang des Konflikts haben. Doch die FSA
       müsste drastisch aufrüsten, um gegen eine 300.000 Mann starke und hoch
       gerüstete Armee bestehen zu können. Zudem besteht die Gefahr, dass das
       Regime zu noch brutaleren Mitteln greift: Bisher hat Assad weder
       Kampfflugzeuge noch Chemiewaffen eingesetzt. Das könnte sich ändern, wenn
       sich sein Regime ernsthaft bedroht fühlt.
       
       ## 
       
       Das Ziel: Das Regime von Baschar al-Assad unter Druck setzen und Syrien zu
       einer Veränderung seiner Politik zwingen.
       
       Die Teilnehmer: Europäische Union und die USA setzen schon länger auf
       Sanktionen. Mitmachen will sonst aber niemand. Auf UN-Ebene sind Sanktionen
       bisher am Widerstand Russlands gescheitert. Auch am Mittwoch nannte Moskau
       ein weiteres Handeln der UN zu Syrien „verfrüht“.
       
       Die Probleme: Die europäische Staatengemeinschaft hat ihre Sanktionen seit
       Anfang 2011 fast monatlich verschärft. Zuletzt wiesen einige EU-Staaten,
       darunter auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die jeweiligen
       syrischen Botschafter aus. Dies gilt als die schärfste Waffe in der
       Diplomatie. Die Aktionsmöglichkeiten der Länder sind damit weitgehend
       ausgereizt. Für eine Ausweitung des Waffenembargos fehlt ein UN-Mandat, das
       Russland bisher verweigert.
       
       Begonnen haben die EU-Staaten bereits 2002, als sie Waffenlieferungen nach
       Syrien untersagten. Seit Herbst 2011 dürfen Unternehmen aus der EU kein Öl
       und Gas aus Syrien mehr importieren. Seit Dezember sind Investitionen im
       Bausektor und in der Versicherungsbranche in Syrien verboten. Im April
       kamen dann biologische und chemische Produkte auf die Liste von
       Exportverboten. Anfang Februar verhängten die Außenminister Einreiseverbote
       gegen 115 führende Personen des Regimes in Damaskus. Außerdem wurde deren
       Vermögen in der EU eingefroren. Bis heute stieg die Zahl der
       Einreiseverbote auf 128 Vertreter der syrischen Staatsführung.
       
       Die EU versucht mit ihren Sanktionen gezielt die Familie des Staatsführers
       zu treffen. Ende März erteilte sie der Mutter, der Schwester und der
       Ehefrau von Baschar al-Assad Einreiseverbote. Außerdem beschlossen die 27
       Staaten Ende April, den Export von Luxusgütern nach Syrien zu untersagen,
       von denen vor allem die herrschende Klasse profitiert.
       
       Die USA haben ebenfalls zahlreiche Personen des Regimes mit
       Einreiseverboten belegt und ihre Vermögen eingefroren. Außerdem wurde der
       Handel mit Syrien beschränkt. Ob die Sanktionen, vor allem die Im- und
       Exporte, tatsächlich auch eingehalten werden, ist schwierig zu beurteilen.
       Die Vereinigten Staaten haben kürzlich härtere Strafen für die Personen und
       Unternehmen angedroht, die die Sanktionen umgehen.
       
       Kann das helfen? Bisher scheint Präsident Assad von den Beschränkungen
       nicht sonderlich beeindruckt. Seine Luxuskleidung kann er sich schließlich
       auch aus anderen Teilen der Welt beschaffen.
       
       31 May 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) B. Pickert
 (DIR) A. Zumach
 (DIR) R. Reichstein
 (DIR) G. Keller
       
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