# taz.de -- Randale beim Spiel Polen gegen Russland: Ein willkommenes Schlachtfeld
       
       > Rund um die Partie zwischen Russland und Polen kommt es zwischen den Fans
       > zu Schlägereien. Einige suchen die bewusste Provokation, andere sind nur
       > stockbesoffen.
       
 (IMG) Bild: Vor dem Spiel geht's los: Polnische Hooligans verprügeln einen russischen Fußballfan.
       
       WARSCHAU taz | Scheinbar friedliche polnische und russische Fans ziehen am
       Dienstag über die Poniatowski-Brücke in Richtung Nationalstadion. Plötzlich
       eine kleine Provokation, „Ruska Kurwa“-, „Russische Hure“-Rufe in die
       Richtung der russischen Fans, ein Schupser, ein Feuerwerkskörper knallt.
       Schon fallen Männer übereinander her, treten und schlagen aufeinander ein,
       und einige bleiben schwer verletzt liegen, blutend, bewusstlos.
       
       Die Polizei sperrt die Stelle ab, aber wieder geht es zur Sache.
       Schlagstöcke sausen durch die Luft, Tränengasschwaden wabern durch die
       Luft. Die Umstehenden, auch Frauen und Kinder, laufen in Panik auseinander.
       Hunderte solcher Zusammenstöße prägen den Anmarsch der polnischen und
       russischen Fans zum Gruppenspiel beider Mannschaften am Dienstag in
       Warschau.
       
       Neben dem 1:1-Unentschieden auf dem Rasen gab es auch eine von Hooligans
       beider Seiten herbeigesehnte andere Bilanz dieses Fußballspiels: 15 teils
       schwer Verletzte, 184 Festnahmen, davon etwa 150 polnische Hooligans und 20
       Russen.
       
       Aufgeheizt worden war die Stimmung durch die Berichterstattung polnischer
       Medien. Einige Zeitungen, darunter die eher seriöse Newsweek Polska,
       zeigten Nationalcoach Franciszek Smuda in der Uniform von General
       Pilsudski, unter dessen Führung die junge Zweite Polnische Republik der
       Sowjetunion 1920 in der Schlacht um Warschau eine empfindliche militärische
       Niederlage beigebracht hatte.
       
       Doch auch zur Revanche für das russische Verhalten im Zusammenhang mit dem
       Absturz der Maschine des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski 2010 bei
       Smolensk wurde dieses Fußballspiel hochstilisiert.
       
       ## Auch gegen Deutschland war heikel
       
       Auch ein Spiel gegen Deutschland, bei der EM vor vier Jahren in
       Österreich/Schweiz, war schon Gegenstand einer solchen, sogar noch
       heftigeren Kampagne. Das Boulevardblatt Super Express hatte damals
       gefordert: „Leo, bring uns ihre Köpfe“. Illustriert war die Schlagzeile mit
       einer Fotomontage des damaligen polnischen Nationaltrainer Leo Beenhakkers,
       der die abgeschlagenen Köpfe von Michael Ballack und Jogi Löw in den Händen
       hielt.
       
       „Ein neues Grunwald“ sollte die "Reprezentacja" dem Land bescheren, jene
       Schlacht im Jahre 1410, als die Polen die deutschen Kreuzritter vernichtend
       schlugen. Da man sich vor vier Jahren auf neutralem Boden traf, blieben
       beim Spiel allerdings größerer Ausschreitungen aus.
       
       Zu den Hooliganschlägereien im Umfeld des Spiels am Dienstag gab es aber
       auch eine nicht unwichtige fußballspezifische Vorgeschichte: In der
       abgelaufenen Europa-League-Saison spielte das für seine paramilitärisch
       orientierten Fangruppen bekannte Legia Warschau in der Qualifikationsrunde
       gegen Spartak Moskau. Das Hinspiel in Warschau endete 2:2, das Rückspiel in
       der russischen Hauptstadt überraschend 3:2 für Legia, womit Spartak
       ausgeschieden war. Den Frust darüber ließen Moskauer Fans und auch Behörden
       auf unschöne Weise an den mitgereisten "Legonisci" aus, wofür diese am
       Dienstag Rache geschworen hatten.
       
       Gruppen wie die hochgradig gewaltbereiten "Teddy Boys" belassen es für
       gewöhnlich nicht bei Ankündigungen. Das Ergebnis war ein für Fußballspiele
       - zumal polnische - gar nicht so unübliches Szenario: während 55.000
       halbwegs auf Fußball orientierte Fans in Weiß-Rot oder Weiß-Blau-Rot sich
       bestenfalls unfeine Gesangsschlachten lieferten, waren etwa tausend
       vornehmlich schwarz gekleidete, in Polen "Pseudo-Kibice" (Pseudofans)
       genannte, junge Männer einzig auf der Suche nach Gewalt.
       
       ## Junge Männer mischten einfach mal mit
       
       Und sie fanden sie - entweder in der Auseinandersetzung mit den Hools der
       Gegenseite oder in der Konfrontation mit der an diesem Tag massiv präsenten
       Polizei. Der „Marsch“ der russischen Fans zum Stadion war ein willkommenes
       Schlachtfeld, aber man hätte auch ohne dieses aufgeladene Symbol
       Gelegenheiten gefunden.
       
       Neben dieser bewusst provozierten Gewalt war in Warschau aber auch eine
       zahlenmäßig nicht zu unterschätzende, viel unspektakulärere Art der Randale
       zu beobachten. Alkoholisierte, pubertätsgeschüttelte junge Männer nahmen
       die aufgeladene Atmosphäre und Polizeipräsenz zum Anlass, auch mal ihr
       Mütchen zu kühlen. Ein Mann wurde festgenommen, weil er es trotz
       mehrmaliger Aufforderung nicht unterließ, einem Polizisten eine megalaute
       Tröte ans Ohr zu halten. Geahndet wurden auch Flaschenwürfe aus der
       anonymen Menge heraus, in der sich aber plötzlich vermeintliche Fans als
       Polizisten in Zivil outeten.
       
       Neben der klassischen Fan- ist also auch eine massive Fun-Randale zu
       beobachten, die die Stimmung in und um die Warschauer Fanmeile am
       Kulturpalast sehr negativ beeinflusste. Und das nicht erst seit dem
       Russland-Spiel. In den Medien ist das bislang kaum ein Thema. Vielleicht
       weil diese Art der Randale so gänzlich unideologisch daherkommt.
       
       13 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Räther
       
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