# taz.de -- Leistungen für Asylbewerber: Zu wenig, um menschenwürdig zu sein
       
       > Die staatlichen Hilfen für Asylbewerber müssen in etwa auf das Niveau von
       > Sozialhilfe und Hartz IV erhöht werden. Dies entschied das
       > Bundesverfassungsgericht.
       
 (IMG) Bild: Ein Transparent am Zaun der Zentralen Ausländerbehörde des Landes Brandenburg.
       
       KARLSRUHE, afp | Die staatlichen Hilfen für Asylbewerber müssen deutlich
       aufgestockt werden. Das Bundesverfassungsgericht entschied in einem am
       Mittwoch in Karlsruhe verkündeten Urteil, dass diese Leistungen in etwa auf
       das Niveau von Sozialhilfe und Hartz IV anzuheben sind. Auch Asylsuchende
       hätten Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, die bisherigen
       staatlichen Hilfen reichten dafür nicht aus, hieß es zur Begründung. (Az: 1
       BvL 10/10 u. a.)
       
       Die seit 1993 unveränderten Hilfssätze von rund 240 Euro monatlich für
       Erwachsene hob das Gericht in Form einer Übergangsregelung auf 336 Euro an.
       Die neuen Sätze gelten ab sofort.
       
       Die Übergangsregelung gilt, bis neue Regelungen des
       Asylbewerberleistungsgesetzes in Kraft getreten sind. Die Verfassungshüter
       verpflichteten den Gesetzgeber dazu, diese Neufassung „unverzüglich“ in
       Angriff zu nehmen. Sie muss sich an den Regelsätzen für
       Sozialhilfeempfänger und Hartz-IV-Leistungen in Höhe von derzeit 374 Euro
       monatlich orientieren.
       
       Die Karlsruher Richter begründeten ihr Urteil damit, dass das Grundrecht
       auf ein menschenwürdiges Existenzminimum nicht nur Deutschen, sondern
       „gleichermaßen“ auch allen Ausländern zustehe, die sich in der
       Bundesrepublik aufhalten. Dieses Grundrecht umfasse neben der „physischen
       Existenz des Menschen“ auch die „Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen“
       und ein „Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und
       politischen Leben“.
       
       ## Rund 30 Prozent mehr
       
       Nach der Übergangsregelung erhalten die insgesamt 130.000 Betroffenen
       einschließlich Geduldeter rund 30 Prozent höhere Leistungen. Von den nun
       336 Euro monatlich müssen 130 Euro „für die persönlichen Bedürfnisse des
       täglichen Lebens“ bar ausbezahlt werden, entschied das Gericht. Bislang lag
       dieses sogenannte Taschengeld bei 40 Euro. Für Kinder wurde der Barbetrag
       von 20 auf 70 Euro monatlich angehoben, er dient etwa zur Deckung von
       Fahrtkosten zur Schule.
       
       Die Richter billigten allerdings, das Hilfen auch in Form von
       Sachleistungen wie Lebensmittelpaketen gewährt werden können. Der Staat
       habe bei der Entscheidung zwischen Geld-, Sach- oder Dienstleistungen einen
       Gestaltungsspielraum.
       
       Die Übergangsregelung gilt rückwirkend ab 2011 für alle noch nicht
       rechtskräftig ergangenen Bescheide. Viele Betroffene können nach Angaben
       des Experten Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin nun Nachzahlungen des
       Taschengeldes rückwirkend gelten machen, weil die Beträge meist ohne
       rechtskräftigen Bescheid ausgezahlt wurden.
       
       Das Urteil macht es dem Gesetzgeber schwer, deutlich unter der vom Gericht
       geforderten Anhebung der Hilfen um ein Drittel zu bleiben. Ausdrücklich
       betonten die Richter etwa, dass „die Menschenwürde migrationspolitisch
       nicht zu relativieren“ sei. Sie wiesen damit die Auffassung der
       Bundesregierung zurück, die Hilfsätze sollten möglichst niedrig sein, da
       ein hohes Leistungsniveau dazu führen könne, dass die Zahl der Flüchtlinge
       in Deutschland steige.
       
       ## Bedarf wird transparent berechnet
       
       Staatssekretärin Annette Niederfranke aus dem zuständigen
       Bundessozialministerium sagte in Karlsruhe, „die Bundesregierung
       respektiert das Urteil“ und werde den Bedarf der Betroffenen „nun
       transparent berechnen“. Zu möglichen Kosten der Novelle vermochte sie
       zunächst keine Angaben zu machen.
       
       Der Leiter von Pro Asyl, Günter Burkhardt, begrüßte, dass das Urteil ein
       „jahrelanges Unrecht“ beende. „Flüchtlinge sind keine Menschen zweiter
       Klasse“, sagte er.
       
       18 Jul 2012
       
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