# taz.de -- Asylbewerber in Deutschland Teil III: Kein Sportverein, kein Deutschkurs
       
       > Dürfen Asylbewerber weniger Geld bekommen als Hartz-IV-Empfänger? Das
       > entscheidet jetzt das Verfassungsgericht. Wie lebt es sich von 224,97
       > Euro monatlich in Deutschland?
       
 (IMG) Bild: Die vierköpfige Familie Timurziev lebt von 641 Euro im Monat.
       
       BERLIN taz | Einmal im Monat kommt der Brief vom Sozialamt. Darin steht der
       Tag, an dem sich die Timurzievs ihr Geld abholen dürfen. „Der Brief kommt
       immer zu spät, denn das Geld reicht nie“, sagt der in Berlin lebende
       Alikthan Timurziev.
       
       641 Euro einschließlich der Kosten für das Nahverkehrs-Monatsticket
       übergibt ihm dann die Zahlstelle des Sozialamts in der Turmstraße – in bar,
       denn ein Konto darf die Flüchtlingsfamilie aus dem Nordkaukasus nicht
       eröffnen. Davon müssen Timurziev, seine Frau Fatima, der sechsjährige Islam
       und die dreijährige Dali dann vier Wochen leben. Manchmal auch fünf, denn
       das Amt zahlt an unterschiedlichen Tagen. Für Lebensmittel, Kleidung,
       Hygieneartikel und Tabak muss das Geld reichen. Eine vergleichbare deutsche
       Hartz-IV-Familie bekommt 1.181 Euro.
       
       Seit 2011 sind die Timurzievs in Deutschland, ihr Asylantrag wurde
       abgelehnt. In seiner Heimat hat Alikthan als Journalist über die weit
       verbreitete Korruption berichtet. Zweimal sei er entführt und gefoltert
       worden, berichtet er, einmal habe man ihn fast verbluten lassen.
       
       Ihre Berliner Wohnung im zweiten Stock des Asylbewerberheims ist penibel
       aufgeräumt, wobei das Ordnunghalten dadurch erleichtert wird, dass die
       Familie kaum etwas besitzt.
       
       Gern hätte Timurziev, der aus dem Exil über die politische Situation im
       Nordkaukasus bloggt, einen Internetanschluss. Er weiß, dass es öffentliche
       Terminals gibt, aber seit den Entführungen habe er Angstattacken, das
       Bahnfahren sei für ihn eine einzige Qual.
       
       ## Hilfe von Freunden
       
       Das Sozialamt lehnte den Antrag auf die dringend nötige Zahnbehandlung
       ebenso ab wie den auf eine Psychotherapie. Doch eine private Initiative
       sprang ein und finanziert beiden Eheleuten eine Traumatherapie. Überhaupt,
       private Helfer: „Zum Glück haben wir einige Freunde. Ohne sie könnten wir
       uns gar nichts leisten“, sagt Timurziev. Zum Beispiel den Ausflug mit einem
       Schiff auf dem Wannsee am letzten Samstag. Oder der Spielcomputer für den
       Jungen. Oder das gebrauchte Fahrrad für den Vater. Nur 75 Euro hat es
       gekostet, Freunde hatten etwas dazugegeben, damit er das für ihn so
       furchtbare U-Bahn-Fahren vermeiden kann. Nach zwei Wochen wurde es
       gestohlen.
       
       Nun muss er wieder die Bahn benutzen, um zur Verteilerstelle des Deutschen
       Roten Kreuzes zu fahren, wo es für 2,50 Euro eine Tüte mit Lebensmitteln
       gibt. Am wichtigsten wäre es ihnen, den Kindern mehr bieten zu können.
       „Gutes Essen oder ordentliches Spielzeug, zum Beispiel Lego“, sagt Fatimah.
       An einen Sportverein für die Kinder oder den Deutschkurs, den sie selbst
       gern belegen würde, sei ohnehin nicht zu denken. Auch nicht an eine Katze,
       die sich die Kinder wünschen. Tiere sind im Flüchtlingsheim zwar nicht
       erlaubt, aber sie würden sie auch heimlich halten, sagt Alikthan. „Tiere
       sind gut für Kinder.“
       
       Wenn das Ehepaar arbeiten dürfte, will Fatima eine Ausbildung zur
       Altenpflegerin machen. Alikthan würde jeden Job annehmen. „Es ist mir egal,
       was“, sagt er. „Es darf nur nichts nichts mit Blut sein.“
       
       2011 beantragten 1.689 Bürger der Russischen Föderation in Deutschland
       Asyl. Die Anerkennungsquote lag bei 10,3 Prozent.
       
       18 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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