# taz.de -- Rassismus in Videospielen: „Die Leute flippen immer gleich aus“
       
       > Die Helden in Videospielen sind häufig braunhaarige, weiße Männer, meint
       > die Bloggerin Latoya Peterson. In 22 Jahren konnte sie nur vier Figuren
       > spielen, die ihr ähnlich sehen.
       
 (IMG) Bild: „Wer will schon einen Schwarzen Hauptcharakter spielen?“: Sheva Alomar aus Resident Evil 5.
       
       taz.de: Frau Peterson, sie beschäftigen sich rassismuskritisch mit
       Videospielen. Warum ist es überhaupt wichtig, sich kritisch mit
       Videospielen auseinanderzusetzen? 
       
       Latoya Peterson: Ich halte es für genauso wichtig wie eine kritische
       Analyse von Filmen oder Büchern. Man sollte Videospiele nicht mehr
       ignorieren, sondern als Teil der Popkultur ernst nehmen. Wir verbringen
       viel Zeit mit ihnen: Ein Rollenspiel dauert um die 40 Stunden. Im Vergleich
       zu einem zwei Stunden langen Film ist das ganz schön viel.
       
       Für fast alle Jugendlichen gehören Videospiele zu ihren Hobbys, immer mehr
       Menschen identifizieren sich als Gamer_innen, die Spiele dehnen sich auf
       andere Bereiche aus und werden zum Beispiel verfilmt. Deswegen ist es
       wichtig deren Inhalte kritisch zu betrachten, da dort wie in allen anderen
       popkulturellen Produkten auch Rassismus und Sexismus reproduziert werden.
       
       Aber steckt in Videospielen nicht auch Veränderungspotential? 
       
       Natürlich, mit einem Spiel können die unterschiedlichsten Welten geschaffen
       werden, ohne an Schwerkraft oder andere Gesetze gebunden zu sein – alles
       ist möglich. Deswegen finde ich es so enttäuschend, dass die immer gleichen
       Dinge immer wieder auftauchen. Videospiele sind seit den frühen Achtzigern
       verbreitet, das heißt erst in einer multikulturellen, rassismus- und
       feminismussensibilisierten Gesellschaft beliebt geworden und spiegeln
       trotzdem so viele soziale Ungerechtigkeiten wieder. Computerspiele hätten
       es besser machen können – diese Chance wurde aber nicht wahrgenommen.
       
       Was stört Sie an Videospielen? 
       
       Wenn man sieht, wer als Held_in in Videospielen auftritt, könnte man den
       Eindruck gewinnen, dass Spieler_innen am liebsten braunhaarige, weiße, um
       die Dreißigjährige Männer spielen. Komisch aber, dass diese Typen nicht den
       Durchschnitt der Spieler_innen, jedoch aber den der Spiele-Entwickler_innen
       darstellen.
       
       Und welche Figuren spielen Sie? 
       
       Als schwarze, weibliche Spielerin habe ich schon sehr viele Charaktere
       gespielt: einen Beuteldachs, Aliens, unterschiedlichste weiße Typen. Aber
       wenn ich jemanden spielen wollte, der so aussah wie ich, hatte ich in
       meinen 22 Spiel-Jahren vier Möglichkeiten. Darunter zum Beispiel Sheva
       Alomar aus dem kontrovers diskutierten Resident Evil 5, in dem schwarze
       Zombies in einem fiktionalen afrikanischen Dorf umgebracht werden müssen.
       
       Haben Sie mögliche Erklärungen für die große Unterrepräsentation? 
       
       Ich nehme an, dass es an den lächerlichen Vorstellungen vom Publikum liegt.
       Spiele-Entwickler_innen gehen einfach davon aus, dass ihre Zielgruppe
       rassistisch ist. Ich erinnere mich an die Kontroversen um Grand Theft Auto:
       San Andreas. Es hieß: Wer will schon einen schwarzen Hauptcharakter
       spielen? Aber San Andreas wurde ein großer Erfolg der Serie.
       
       Viele Spieler_innen haben Spaß mit Videospielen, obwohl ihnen manche
       Aspekte wie stereotype Charakterzeichnungen nicht gefallen. Wie groß ist
       die Handlungsmacht der Spieler_innen? 
       
       Als aller erstes sollten die Spielehersteller die Differenziertheit ihrer
       Zielgruppe reflektieren und endlich anfangen darüber nachzudenken, das beim
       Charakterdesign zu berücksichtigen. Ich bin besonders gespannt was junge
       oder neue Leute in der Spieleindustrie genauso wie
       Indie-Spiele-Entwickler_innen sich ausdenken, da die eher bereit sind
       weiterzudenken. Trotzdem sind wir als Spieler_innen in der Lage
       unterschiedliche Aspekte der Spiele zu trennen – mir macht das Spiel trotz
       Sexismus Spaß. Manche Fans interpretieren die Spielegeschichten auch neu
       und entwickeln ihre eigene Version von Spielen.
       
       Mit Blick auf Rassismus oder Sexismus, gibt es eigentlich einen Unterschied
       zwischen der Spiele-Community und der Mainstream-Gesellschaft? 
       
       Nein, da gibt es keinen. Anzunehmen die Videospielszene wäre besonders
       schlimm, wäre falsch. Ich glaube auch daran, dass sich diese Probleme lösen
       lassen. Man kann nur nicht erwarten, dass sich die Spiele-Community
       schneller ändert als der Rest der Gesellschaft. Sie kommuniziert auf
       härtere, aggressivere Weise und ist natürlich sehr beschützend, was ihre
       Lieblingsspiele angeht, aber die Verleugnung von Rassismus funktioniert auf
       die gleiche Art.
       
       Ich bin schon zu lange in der Spieleszene unterwegs, um einerseits
       überrascht von dem Umgang mit Anita Sarkeesian von Feminist Frequency zu
       sein. Andererseits nervt es mich aber, dass die Leute immer gleich
       ausflippen, wenn man auf rassistische Aspekte zu sprechen kommt. Wenn mehr
       Gitarren oder unterschiedliche Instrumente für Guitar Hero gefordert
       werden, ist das kein Ding. Aber möchte man mehr Auswahlmöglichkeiten für
       die Charaktere, ist das unmöglich.
       
       31 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elisabeth Weidinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sexismus
 (DIR) Feminismus
 (DIR) Ausstellung
 (DIR) Games
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Beginn der Gamescom: Fehlende Vielfalt in Videospielen
       
       Die meisten Videospiele sind immer noch männlich, weiß und heterosexuell
       geprägt. Wer Diversität fordert, erhält wütende Proteste.
       
 (DIR) Sexismus im E-Game-Genre: Wer ist hier der Player?
       
       Eine Südkoreanerin zockt besser als ihre männlichen Konkurrenten. Die
       drohen ihr mit Mord. Frankreich geht bereits gegen Gaming-Sexismus vor.
       
 (DIR) Ausstellung „Film und Games“: Daddeln als Teilzeitjob
       
       Zocken wir, weil wir unterfordert sind? Eine Ausstellung im Deutschen
       Filmmuseum Frankfurt fragt nach dem Verhältnis von Spiel und Film.
       
 (DIR) Sexismus in der Gamerszene: Die Prinzessin rettet den Troll
       
       Die Videospielewelt ist von Sexismus geprägt. Wer darauf hinweist, kann
       Probleme bekommen. Es sollten mehr Frauen in die Spieleentwicklung.
       
 (DIR) Browsergame-Entwickler Zynga stürzt ab: Abgestumpft Kühe klicken
       
       Mit automatisch generierten Meldungen wie „Hilf Susi einen Stall für ihre
       drei süßen Kälber zu bauen“ macht man sich wenig Freunde. Spiele-Hersteller
       Zynga bekommt das nun zu spüren.
       
 (DIR) Die neue Lara Croft aus feministischer Sicht: Lara stöhnt weiter
       
       Sie ist nicht nur eine der ersten weiblichen Hauptfiguren in
       Computerspielen, sondern auch Pop-Ikone und Werbeträgerin: Lara Croft wurde
       nach 15 Jahren komplett überarbeitet.
       
 (DIR) Sexismus in der Gamer-Szene: Wenn die starken Frauen kommen
       
       Weil Anita Sarkeesian Sexismus in Videospielen kritisierte, wurde sie im
       Netz wochenlang beleidigt und verfolgt. Für viele Gamerinnen ist der Hass
       ihrer Mitspieler Alltag.