# taz.de -- Autorenschwund bei Wikipedia: Wenn die Besserwisser fehlen
       
       > Mit mehreren Projekten versuchte Wikipedia, neue Autoren zu gewinnen. Bis
       > Sommer 2012 sollte 5.000 neue Enzyklopädisten dazu kommen – stattdessen
       > gingen 5.000.
       
 (IMG) Bild: Kann man bald mit der Lupe suchen: Wikipedia-Autoren.
       
       Über ein Jahrzehnt war die Online-Enzyklopädie Wikipedia vom Erfolg
       verwöhnt. Das Projekt, das sich fast ganz auf Freiwilligen-Arbeit stützt,
       war über die Jahre zum Selbstläufer geworden. 1,4 Millionen Artikel hat
       alleine die deutschesprachige Wikipedia, insgesamt sind es über 22
       Millionen in mehr als 250 Sprachen. Doch während die Popularität bei den
       Lesern immer weiter wächst, sinkt die Zahl der Autoren.
       
       In dem jüngst vorgelegten Jahresbericht hat die Wikimedia Foundation – die
       US-Stiftung, die die Online-Enzyklopädie und ihre Schwesterprojekte
       betreibt – Bilanz gezogen. Hatte Geschäftsführerin Sue Gardner im
       vergangenen Geschäftsjahr noch einen Anstieg der Autorenzahlen zur ersten
       Priorität erklärt, muss sie nun einräumen, dass sie das Ziel weit verfehlt
       hat.
       
       So sollte die Zahl der aktiven Autoren von 90.000 im März 2011 auf 95.000
       im Juni 2012 gesteigert werden. Doch stattdessen baute die Beteiligung
       nochmal deutlich ab: Im März 2012 waren es gerade einmal noch 85.000
       aktiver Autoren, 5.000 weniger als im Jahr zuvor. Das vor zweieinhalb
       Jahren verkündete Ziel bis 2015 mehr als 200.000 aktiver Autoren zu
       erreichen, ist damit nicht mehr realistisch.
       
       International fällt die Bilanz der auch in verschiedenen
       Entwicklungsländern veranstalteten Schulungsprogramme bisher mager aus. Zum
       Beispiel sorgten die ersten an indischen Universitäten angelernten
       Neuautoren in der englischen Wikipedia-Community für großen Unmut, da ihre
       Arbeiten nicht den Qualitätsstandards der englischen Wikipedia entsprachen.
       
       Nun steuert die Wikimedia Foundation um: Statt möglichst viele Autoren in
       Entwicklungsländern zu gewinnen, will sie erst einmal für den Aufbau
       relativ kleiner, aber engagierter Communitys sorgen. Denn letztlich bleibt
       die meiste Arbeit wie das Aussortieren von Spam und Verleumdungen, die
       Organisation von Redaktionen und Regelwerken meist an sehr wenigen Leuten
       hängen.
       
       ## Weniger aktive Autoren in Deutschland
       
       Im deutschen Sprachraum sieht es nicht viel besser aus, wie Catrin
       Schoneville, Sprecherin von Wikimedia Deutschland erklärt. So sei die Zahl
       der sehr aktiven Autoren – mit mehr als 100 Bearbeitungen pro Monat – seit
       Jahren zwar recht stabil: Ungefähr 1.000 davon kümmern sich regelmäßig um
       die Einträge. Insgesamt nimmt die Zahl der aktiven Autoren aber schleichend
       ab: Im Juni 2011 waren noch 6.850 Autoren mit mindestens fünf Bearbeitungen
       im Monat registriert worden, im Juni diesen Jahres sind es 6.500.
       
       Hatte die Wikipedia vor Jahren noch Bildungsbeflissene und Besserwisser
       förmlich angezogen, ist nun irgendwie die Luft raus. Zu allen naheliegenden
       Themen gibt es bereits Artikel. Neue Themen anzulegen ist jedoch schwer: So
       werden neue Artikel immer wieder wegen fehlender Relevanz gelöscht. Wer
       unbedingt einen Verein, eine Band oder einen Autor in der Wikipedia
       verewigt sehen will, muss von vorneherein nachweisen, dass das Thema
       relevant genug für die Enzyklopädie ist. So will sich die
       Wikipedia-Community vor schlecht gewarteten Unsinns-Artikeln schützen.
       Oberstes Prinzip der Wikipedia ist Zusammenarbeit. Wenn zu wenige
       Mitarbeiter über ein Thema Bescheid wissen oder wenn zu wenige verlässliche
       Quellen existieren, funktioniert das System nicht.
       
       Als Problem hat die Wikimedia auch den geringen Frauenanteil erkannt: Laut
       Untersuchungen sind nur neun bis zehn Prozent der Autoren weiblich. Im
       vergangenen Jahr hatte die Wikimedia Foundation und die weltweiten
       Wikimedia-Vereine daher zahlreiche Initiativen gestartet, um Frauen zur
       Mitarbeit zu motivieren und zu qualifizieren. Gleichzeitig will Wikimedia
       auch das Betriebsklima verbessern. Denn der raue Ton und die notorische
       Streitlust einiger Teilnehmer vergraulen viele Neulinge.
       
       „Wir haben 2012 einige Aktivitäten gestartet um den Anteil der weiblichen
       Autoren zu steigern“, erklärt Schoneville. Bei den verschiedenen
       Schulungsmaßnahmen betrage die Zahl der weiblichen Teilnehmer über 30
       Prozent. Doch, ob der Verein damit das Ziel, die Zahl der aktiven
       weiblichen Autoren im Jahr 2012 um 50 Prozent zu steigern, erreichen kann,
       muss bezweifelt werden. Derzeit ist alles andere als ein weiteres Absinken
       ein Erfolg.
       
       3 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Torsten Kleinz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Feminismus
       
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