# taz.de -- Fahndung in Berlin: Polizei setzt auf Handys
       
       > Die Berliner Polizei fragte innerhalb von drei Jahren 6,6 Millionen
       > Handydaten ab und will damit einen guten Fang gemacht haben. Die
       > Opposition hält davon wenig.
       
 (IMG) Bild: Hier hat die Ortung versagt: Handys im Fundbüro.
       
       BERLIN taz | Es ist eine beeindruckende Zahl: 6,6 Millionen Handydaten hat
       die Polizei zwischen 2009 und Juli 2012 zu Ermittlungszwecken von Providern
       abgefragt. Das gab Innensenator Frank Henkel (CDU) am Montag im
       Innenausschuss bekannt.
       
       Henkel sprach von einem hochwertigen Ermittlungsinstrument, um gefährliche
       Straftaten aufzuklären. Piraten und Linkspartei forderten hingegen, von der
       Maßnahme grundsätzlichen keinen Gebrauch mehr zu machen: Es handle sich um
       einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte. Die Grünen
       beschränkten sich auf die Forderung, bei Demonstrationen keine
       Funkzellenabfragen vorzunehmen.
       
       Aufgeschreckt worden war die Öffentlichkeit nach den Anti-Naziprotesten im
       Februar 2011 in Dresden. Monate später war bekannt geworden, dass die
       sächsischen Ermittlungsbehörden hunderttausende Datensätze von
       Demonstranten, Journalisten und Anwohnern erhoben hatten. Die Vermutung lag
       nahe, dass andere Bundesländer ähnlich verfahren. Die Berliner Behörden
       haben dies in Bezug auf Demonstrationen strikt dementiert.
       
       Im Januar 2012 bekannte die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers
       im Innenschuss indes: 410 Funkzellenabfragen habe die Polizei allein seit
       2008 gestellt, fast alle, um Autobrandstiftern auf die Spur zu kommen.
       Dabei seien 4,2 Millionen Verbindungsdatensätze von Providern abgefragt
       worden. Zur Erinnerung: 2011 brannten in Berlin 537 Autos, in den Vorjahren
       waren es 300 und 476. Das Ergebnis war allerdings mehr als mager: Kein
       einziger Tatverdächtiger wurde aufgrund der Funkzellenabfragen ermittelt.
       
       Die in Paragraf 100 der Strafprozessordnung geregelte sogenannte
       nichtindividualisierte Funkzellenabfrage ist an sehr enge Voraussetzungen
       geknüpft. Funkzellenabfragen dürfen nur bei Straftaten von erheblicher
       Bedeutung erfolgen und unterliegen dem allgemeinen
       Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
       
       ## 5.383 Inhaber von Telefonanschlüssen ermittelt
       
       Auf Auftrag der Opposition komplettierte Henkel am Montag die im Zeitraum
       von 2009 bis Mitte 2012 vorgenommenen Funkzellenabfragen. Als Grund nannte
       Henkel 302 Straftaten: 15 Mord- oder Totschlagsdelikte, 215 „qualifizierte“
       Bandendelikte, vier Vergewaltigungen, ein schwerer Landfriedensbruch, 31
       Raub- und Erpressungstaten, 33 Branddelikte und drei Betäubungsdelikte.
       
       Von den 6,6 Millionen zusammengetragenen Verbindungsdaten wurde dem
       Innensenator zufolge in 5.383 Fällen der Inhaber des Telefonanschlusses
       ermittelt. In 116 Fällen seien Verfahren mit neuen Ermittlungsinhalten
       eingeleitet worden. Um was es dabei geht, verriet Henkel nicht.
       
       Der Berliner Datenschutzbeauftragte Otto Dix wollte die Auswertung nicht
       kommentieren. Er hatte die Bekanntgabe der Abschöpfung der 4,2 Millionen
       Datensätze im Januar zum Anlass genommen, zu überprüfen, ob sich Polizei
       und Staatsanwaltschaft bei Funkzellenabfragen an die gesetzlichen Vorgaben
       halten. Den Bericht wird Dix laut seiner Sprecherin in Kürze vorlegen. Er
       sei schon erschrocken über das Ausmaß, hatte Dix im Januar zur taz gesagt.
       
       Sachsen hat nach dem Skandal von Dresden eine Bundesratsinitiative
       gestartet, in der die Voraussetzungen für Funkzellenabfragen konkretisiert
       werden sollen. „Wir unterstützen die Dresdner Initiative“, sagte Henkel.
       Diese liegt in den Landergremien derzeit aber „auf Eis“.
       
       27 Aug 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Funkzellenabfragen: Rot-Schwarz filzt weiter Handys
       
       Koalition will mit einer Bundesratsinitiative die Rahmenbedingungen für die
       umstrittene Funkzellenabfrage klären.
       
 (DIR) Funkzellenabfrage bei Dresdener Nazi-Demo: Eine Instanz höher
       
       Das Landgericht übernimmt: Das Dresdener Amtsgericht hatte kürzlich die
       Handydatenabfrage für rechtmäßig erklärt. Nun haben zwei Linke-Politiker
       Beschwerde eingelegt.
       
 (DIR) Kommentar zu Funkzellenabfragen: Auf den Einzelfall kommt es an
       
       Die viel gescholtene Funkzellenabfrage führt bei einem Missbrauchsfall zum
       Täter. Die Kritik hat dennoch Bestand, denn sie richtet sich an die
       Verhältnismäßigkeit.
       
 (DIR) Neue Details in Sächsischer Datenaffäre: Linkspartei wurde zwei Tage bespitzelt
       
       Während der Anti-Nazi-Demos in Dresden wurden nicht nur die Handydaten von
       Demonstranten erfasst. Auch Büros der Linkspartei wurden überwacht.