# taz.de -- Militärischer Abschirmdienst und NSU: „Es existieren keine Akten“
       
       > Der Geheimdienst der Bundeswehr versuchte 1995, den NSU-Terroristen Uwe
       > Mundlos als Informant anzuwerben. Die Mitglieder des U-Ausschusses
       > wussten nichts.
       
 (IMG) Bild: Der Grünen-Abgeordnete Christian Stroebele am Dienstag im Bundestag während einer Pause des NSU-Untersuchungsausschusses.
       
       BERLIN taz | Immer wieder gab es den Verdacht, dass ein Geheimdienst
       versuchte, eines der Mitglieder der Terrorzelle NSU als Quelle zu gewinnen.
       Die Antwort der Sicherheitsbehörden war stets eindeutig: Nein.
       
       Vor diesem Hintergrund sorgt für große Empörung, was am Dienstag bekannt
       wurde: Der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Geheimdienst der
       Bundeswehr, versuchte 1995 Mundlos als V-Mann anzuwerben. Das geht aus
       Akten des MAD hervor, die den Mitgliedern des NSU-Untersuchungsausschuss
       des Bundestages nun zugeleitet wurden.
       
       Demnach soll der MAD Mundlos gefragt haben, ob er bereit sei, über
       bevorstehende Anschläge auf Asylbewerberheime zu berichten. Mundlos lehnte
       ab. Während seines Wehrdienstes vom April 1994 bis März 1995 ist er wegen
       „rechtsextremistisch zu wertendem Verhalten“ aufgefallen, so das
       Verteidigungsministerium.
       
       Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sprechen parteiübergreifend von
       einem Skandal. „Es ist ein unentschuldbares Verhalten der Bundesregierung,
       uns angefragte Unterlagen vorzuenthalten“, sagte der Vorsitzende Sebastian
       Edathy (SPD). Der Unions-Obmann Clemens Binninger (CDU) sagte, der Vorfall
       habe das Vertrauen der Ausschussmitglieder erschüttert.
       
       Am Dienstagnachmittag wurde kurzfristig MAD-Präsident Ulrich Birkenheier zu
       einer nichtöffentlichen Sitzung geladen. Im Anschluss daran ging er vor der
       Presse in Verteidigungshaltung. Der Dienst habe sich keinen Fehler
       vorzuwerfen, sagte er. Wenn man keine Akten habe, könne man auch keine
       liefern. Der MAD selbst nämlich hatte die Mundlos-Akte längst vernichtet.
       Aber bereits im Juni 1995 wurden Kopien an das Bundesamt für
       Verfassungsschutz und mehrere Landesämter verschickt. Unterlagen, die auf
       die vernichteten Papiere hinwiesen, hätte der Ausschuss aber noch bekommen,
       so Birkenheier. Der MAD-Chef betont zugleich, dass man keine Absicht gehabt
       habe, Mundlos anzuwerben. Man habe nur wissen wollen, „ob er noch der
       rechtsextremen Szene angehört“. Zudem sei der MAD gar nicht mehr zuständig
       gewesen, weil das Gespräch zwei Wochen vor seinem Ausscheiden aus der
       Bundeswehr stattfand. Der Untersuchungsausschuss will im Oktober
       Birkenheier und seinen Vorgänge als Zeuge befragen.
       
       ## „Keine Akten“
       
       Nach taz-Informationen stieß auch das Bundeskriminalamt beim MAD auf taube
       Ohren. Gleich zweimal hat es demnach nachgefragt, ob zu Uwe Mundlos etwas
       vorliege. Die Antwort: „MAD-eigene Erkenntnisse, die ihnen übermittelt
       werden könnten, liegen zu M. nicht vor. Es existieren keine Akten des MAD
       zu ihm.“ Dass Mundlos während seiner Wehrdienstzeit aufgefallen ist, taucht
       in den Ermittlungsunterlagen hingegen auf. So wird aufgeführt, dass
       „Mundlos mit 2 Freuden von der Polizei festgenommen“ wurde, aufgrund
       „Besitzes rechtsradikalen Materials“.
       
       Dass die Sache jetzt überhaupt bekannt wurde, liegt an einer schriftlichen
       Anfrage des Abgeordneten Christian Ströbele (Grüne). Ihm wurde mitgeteilt:
       Erst am 8. März 2012 „wurde dem MAD-Amt der Sachverhalt [wieder] bekannt“,
       so das Verteidigungsministerium. Der MAD selbst hatte die Mundlos-Akte
       längst vernichtet. Aber bereits im Juni 1995 wurden Kopien an das Bundesamt
       für Verfassungsschutz und mehrere Landesämter verschickt.
       
       Spätestens seit März wussten die Sicherheitsbehörden also Bescheid und
       informierten den Untersuchungsausschuss nicht. „Eine solche Frechheit habe
       ich bisher nicht erlebt“, sagt Ströbele. Die SPD-Obfrau Eva Högl sprach
       gestern von einem echten Skandal. Das Bundesamt für Verfassungsschutz fand
       im August schließlich das Protokoll der Vernehmung von Mundlos, das jetzt
       dem Ausschuss zur Verfügung gestellt wurde.
       
       Durch die neuen Erkenntnisse geriet die fast vier Stunden dauernde
       Vernehmung des ehemaligen hessischen Verfassungsschützers Andreas T.
       gestern in den Hintergrund. T. war rund um die Tatzeit in dem Internetcafé
       in Kassel, in dem Halit Yozgat am 6. April 2006 erschossen wurde. Einmal
       betonte er, dass er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war. Dass er
       in irgendeiner Form in die NSU-Mordserie verwickelt ist, glauben die
       Ermittler nicht.
       
       11 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) S. Erb
 (DIR) A. Speith
       
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