# taz.de -- Von der NSU getötete Polizistin: Der rätselhafteste Mord
       
       > Warum sie? Der NSU-Ausschuss stellt viele Fragen, findet aber keine
       > Erklärung für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter.
       
 (IMG) Bild: Der Grund für ihren Tod bleibt unklar: Michèle Kiesewetter.
       
       BERLIN/HAMBURG taz | Der zehnte und letzte Mord der Terrorzelle NSU ist der
       rätselhafteste. Die Polizistin Michèle Kiesewetter machte auf der
       Heilbronner Theresienwiese gerade Pause in ihrem Streifenwagen, als sie am
       25. April 2007 gegen 14 Uhr mutmaßlich von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt
       mit gezielten Kopfschüssen niedergeschossen wurde. Die 22-jährige Beamtin
       starb, ihr Kollege überlebte schwer verletzt. Warum wurde ausgerechnet sie
       erschossen?
       
       Am Donnerstag beschäftigte sich der NSU-Untersuchungsausschuss des
       Bundestages mit dem Fall. Der ehemalige Leiter der Soko „Parkplatz“ muss
       sich viel Fragen stellen lassen. Der 38-jährige Kriminaloberrat Axel
       Mögelin antwortet ruhig. Als er im August 2010 die Leitung der
       Sonderkommission übernahm, war bereits klar, dass die Ermittler lange einem
       Phantom hinterhergerannt waren – wegen mit Fremd-DNA verschmutzter
       Wattestäbchen.
       
       Die Tatwaffen und die Pistolen der Polizisten wurden in der Ruine des
       Zwickauer NSU-Unterschlupfes gefunden. Auch stellte sich heraus, dass das
       Kennzeichen ihres gemieteten Wohnmobils am Tattag von der Polizei notiert
       wurde. Zusammen mit 30.000 anderen. Auch Handydaten wurden erhoben. Diese
       Masse an Daten, „die können Sie nicht alle verdachtsunabhängig überprüfen“,
       so Mögelin. Auch die Befragung von Zeugen – einer will Männer mit
       blutverschmierten Kleidern gesehen haben – ergab: nichts.
       
       Immer wieder stellen die Abgeordneten die Frage: Welche Verbindung gibt es
       zwischen dem NSU sowie Heilbronn und Kiesewetter? Bekannt ist: Einer von
       Kiesewetters Kollegen war Mitglied im rassistischen Ku-Klux-Klan. Die
       Ermittler sehen aber keinen Bezug zum Mord. Auch eine Spur in Kiesewetters
       Heimatort in Thüringen ergab nichts Verwertbares. Alles sei untersucht
       worden, sagt Mögelin. Über 200 Vernehmungen habe es gegeben. „Aber wir
       haben einfach nichts gefunden. Es gibt keine Hinweise, dass Michèle
       Kiesewetter gezielt ermordet wurde.“
       
       ## Vage Verbindung
       
       Vor Kurzem wurde eine neue Verbindung bekannt: Eine Thüringer Polizistin,
       die zwischenzeitlich vom Dienst suspendiert war, weil sie
       Polizeigeheimnisse mutmaßlich an Nazis verraten hatte, kannte Kiesewetter.
       Die beiden waren 2003 zusammen in Ungarn im Urlaub.
       
       Deshalb interessierte sich auch das Bundeskriminalamt für die Polizistin.
       Am 28. Januar 2012 wurde sie vernommen, der taz liegt das
       Vernehmungsprotokoll vor. Die Polizistin sagte aus, sie habe Kiesewetter
       bei der Oma ihres damaligen Lebensgefährten kennen gelernt, auch ein
       Polizist. 2006 an Weihnachten hätten sie sich zuletzt getroffen.
       
       Ende 2007 kam die Polizistin mit ihrem späteren Mann zusammen, den sie 2009
       heiratete. Der hatte in Jena eine Sicherheitsfirma. Offen räumt die
       Polizistin ein, Personen aus der rechtsextremen Szene zu kennen, von
       dienstlichen Einsätzen oder weil sie für die Firma ihres Mannes gearbeitet
       haben, darunter Marcel W. Als sie hörte, dass W. zusammen mit einem
       Kollegen „Türkenklatschen“ war, unternahm sie nichts, „da ich nicht wusste,
       ob das stimmt“.
       
       Die Polizistin beschrieb Marcel W. als guten Freund des mutmaßlichen
       NSU-Helfers André K., den das Trio seit Mitte der 90er-Jahre kannte. Und W.
       war auch mit Stefan A. bekannt – einem Cousin von Beate Zschäpe.
       
       Auch umgekehrt gibt es eine Reihe von Spuren des NSU nach
       Baden-Württemberg. Der V-Mann Tino Brandt, Chef des Thüringer
       Heimatschutzes, dem das Trio angehörte, kaufte in Heilbronn 2004 ein Haus.
       Mundlos und Böhnhardt sollen zur selben Zeit im Raum Ludwigsburg und
       Stuttgart gewesen sein. Es gibt ein Foto von Beate Zschäpe, aufgenommen in
       Ludwigsburg, irgendwann vor 2004. Bleibt die Frage: Warum Kiesewetter?
       
       13 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Erb
 (DIR) Andreas Speit
       
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