# taz.de -- Kommentar Berliner NSU-Skandal: Der Zufall wird System
       
       > Auch in Berlin sind Akten zum NSU verschwunden. Wie das passieren konnte,
       > wird erst mal schlüssig beantwortet. Fragen wirft das trotzdem auf.
       
 (IMG) Bild: Wahrscheinlich zerknirscht: Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU).
       
       Bisher konnte man sich bei den Berliner Sicherheitsbehörden entspannt
       zurücklehnen, denn bislang gab es keine Spur des Nationalsozialistischen
       Untergrunds (NSU) in die Hauptstadt. Das hat sich nun geändert.
       
       Der NSU-Skandal [1][hat das Berliner Landeskriminalamt (LKA) erreicht], und
       seit Donnerstag gehört bei der dortigen Polizeiführung ein betretenes
       Gesicht zur Arbeitskleidung. Nachdem der Bundestagsuntersuchungsausschuss
       zufällig einen Hinweis der Generalbundesanwaltschaft auf Berlin gefunden
       hatte, fand man im Aktenkeller des LKA auch die entsprechende Akte dazu.
       
       Nachdem er quer durch die bundesdeutschen Sicherheitsbehörden bereits für
       Furore gesorgt hat, macht der Zufall jetzt also auch in Berlin Überstunden.
       Allerdings gehört es zur Natur des Zufalls, dass er bei auffälliger Häufung
       leicht zum System mutiert.
       
       Unter einem gänzlich anderen Vorgang sei die Akte abgelegt worden, heißt
       es. Nur wieder aufgefunden, weil ein V-Mann-Führer des Polizeilichen
       Staatsschutzes das Gesicht eines der beschuldigten NSU-Unterstützer als das
       des ehemaligen Informanten Thomas S. wiedererkannte. So dünn soll der
       Vorgang, dem Vernehmen nach, zudem sein, dass jeder Zeichenblock dagegen
       dick erscheinen würde. Auch der Spitzellohn, der über all die Jahre gezahlt
       wurde, soll sich lediglich im niedrigen dreistelligen Bereich bewegen. Und
       von Thomas S. bereits eingestandener Sprengstofflieferung an die rechten
       NSU-Terroristen wussten die Berliner nichts.
       
       So weit klingt alles wie in dieser Affäre schon oft gehört und damit
       hinlänglich bekannt. Bis zum Beweis des Gegenteils klingt es diesem Falle
       sogar erst einmal glaubhaft. Alle seinerzeit potenziell Verantwortlichen
       sind längst im Ruhestand. Für Demissionsforderungen bestehe kein Anlass,
       meint denn auch die amtierende Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers und
       hat zunächst einmal recht.
       
       Einige andere Fragen muss sich die Polizei in jedem Falle gefallen lassen
       und auch selbst möglichst rasch stellen und beantworten. Etwa die, warum
       man einen V-Mann über gute zehn Jahre behalten hat, wenn seine
       Informationen kaum das knauserige Geld wert waren, das er erhalten haben
       soll? Oder jene, warum beim Staatsschutz niemals aufgefallen ist, dass
       Thomas S. noch ein geheimeres bombiges Leben neben der Behörde führte?
       Wurde er etwa nicht in unregelmäßigen Abständen observiert, um seine
       Glaubwürdigkeit zu prüfen – wie dies in ähnlichen Fällen nicht unüblich
       ist? Und was wusste der Berliner Verfassungsschutz über die polizeiliche
       Verbindung zu Thomas S.? Wurde er informiert? Oder unterhielt er eventuell
       eigene Kontakte zu dem Rechtsextremisten? Und wenn ja, welche?
       
       Es bleiben nun auch in Berlin etliche Fragen zu klären, weitere könnten
       dazukommen. Und es wäre besser, dabei schneller als der Zufall zu sein.
       
       14 Sep 2012
       
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