# taz.de -- Korruption in Österreich: Aufklärung ist unerwünscht
       
       > Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP setzen dem Untersuchungsausschuss zur
       > Korruption eine Frist. Dem Gremium droht das Aus.
       
 (IMG) Bild: Regeln alles in der Familie: Die österreichischen Koalitionäre Michael Spindelegger (li., ÖVP) und Werner Faymann (SPÖ).
       
       WIEN taz | Der parlamentarische Korruptionsuntersuchungsausschuss bekommt
       eine Gnadenfrist.* Darauf einigten sich die fünf Parteien im
       österreichischen Nationalrat Mittwoch nachmittag. Bis 18. Oktober soll er
       noch achtmal tagen dürfen. Noch am Vormittag hatten die Regierungsparteien
       gedroht, den Ausschuss, der zahlreiche Skandale des vergangenen Jahrzehnts
       untersucht hat, noch diese Woche zu begraben.
       
       Die Einigung kam nur zustande, weil die Oppositionsparteien in allen
       anderen Punkten nachgaben: Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wird nicht
       geladen, neue Akten dürfen nicht geliefert werden, Mitte Oktober ist
       Schluss mit den Untersuchungen. Das teilweise Einlenken der
       Koalitionsparteien dürfte nicht zuletzt dem öffentlichen Druck zu verdanken
       sein. In den sozialen Medien wurde Alarm geschlagen, ein Falshmob vor dem
       Parlament organisiert, eine Online-Petiotion an die Nationalratspräsidentin
       ins Netz gestellt.
       
       Die Regierungsparteien bekennen jetzt Farbe, dass sie an weiteren
       Aufklärungen kein Interesse haben. Zuletzt hatten sie einen angeblichen
       Formalfehler der Grünen Ausschussvorsitzenden Gabriela Moser zum Anlaß für
       einen Boykott der Untersuchungen gemacht. Nach dem überaschenden Rücktritt
       Mosers am Dienstag, fehlte jetzt dieser Vorwand.
       
       Zentraler Streitpunkt war die Ladung von Bundeskanzler Faymann. Er spielt
       die Schlüsselrolle im anstehenden Fall der „Inseratenaffaire“. Dem
       damaligen Infrastrukturminister wird vorgeworfen, sich 2007/2008 durch
       großzügige Inseratenkampagnen, die er im übrigen von den ÖBB und der
       Autobahnbetreibergesellschaft Asfinag bezahlen ließ, wohlwollende
       Berichterstattung in den Boulevardmedien erkauft zu haben. Auch der
       Zeitplan der Regierungsparteien, der ein Ende der Untersuchungen bis 16.
       Oktober vorsah, erschien den Oppositionsparteien nicht akzeptabel.
       
       Die Erfahrung hat gezeigt, dass wichtige Zeugen sich entschuldigen lassen
       oder plötzlich ins Ausland reisen, wenn der Ausschuss ein Ablaufdatum hat.
       Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann kennt dieses Verhalten und hält die Zeit
       insgesamt für viel zu knapp: „Das geht sich alles nicht aus.“ Immerhin
       sollen neben der Inseratenaffaire noch die Ostgeschäfte der Telekom Austria
       untersucht werden und der Vorwurf, Investoren hätten sich die
       Staatsbürgerschaft mit Parteispenden erkaufen können. Für die
       Telekom-Ostgeschäfte genügt nach Ansicht der Regierungsparteien ein Tag und
       ein einziger Zeuge.
       
       Wie Hoffmann im Ö1-Radio bemerkte, gehe es nur mehr darum, „einander den
       Schwarzen Peter“ zuzuschieben. Das bevorstehende unrühmliche Ende des
       Ausschusses entspricht einer Tradition. Auch seine Vorgänger, die sich mit
       politischem Mißbrauch bei der Beschaffung von Kampfjets und mit
       Manipulation in halbstaatlichen Banken befaßten, endeten vorzeitig. Als es
       wirklich spannend zu werden begann, beschlossen die Regierungsparteien ihre
       Beendigung.
       
       Noch im Frühjahr waren alle Parteien voll des Lobes über die
       Auschussarbeit. Ihm ist ein Parteienfinanzierungsgesetz zu verdanken, das
       endlich Transparenz in Parteispenden bringen und geheime
       Kommissionszahlungen für öffentliche Aufträge verhindern soll. In den
       bisherigen Befragungen machten ÖVP, FPÖ und BZÖ eine schlechte Figur.
       Privatisierungsvorhaben und öffentliche Aufträge der Regierungen unter
       Wolfgang Schüssel (ÖVP) erwiesen sich als wahre Goldgruben für Lobbyisten
       und Freunde von damaligen Regierungsmitgliedern, allen voran Finanzminister
       Karl-Heinz Grasser. Die Umfragewerte der drei beteiligten Parteien sackten
       während der Untersuchungen ab. Jetzt könnte es erstmals auch für die SPÖ
       peinlich werden obwohl Faymanns mutmaßlicher Machtmißbrauch strafrechtlich
       nicht relevant sein dürfte.
       
       * Dieser Text wurde nachträglich aktualisiert.
       
       19 Sep 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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