# taz.de -- Buch von Ex-Geheimdienstler Roewer: Ritter von der traurigen Gestalt
       
       > Helmut Roewer war Chef des Verfassungsschutzes in Thüringen. Für das
       > Chaos dort will er nicht verantwortlich sein. Deswegen schrieb er ein
       > Buch.
       
 (IMG) Bild: Helmut Roewer ist zum traurigen Gesicht einer ganzen Behördengattung geworden: der deutschen Geheimdienste.
       
       BERLIN taz | Völlig ungewollt ist Helmut Roewer zum Gesicht einer ganzen
       Behördengattung geworden. Zum Gesicht des Verfassungsschutzes, der vieles
       tut, aber nicht unbedingt die Verfassung schützen.
       
       Roewer, von April 1994 bis Juni 2000 Chef des Thüringer Landesamtes für
       Verfassungsschutz, hat jetzt das gemacht, was alle machen, die endlich ihre
       eigene Sicht schildern wollen: Er hat ein Buch geschrieben – „Nur für den
       Dienstgebrauch – Als Verfassungsschutzchef im Osten Deutschlands“. Vorab
       wollte der Verlag der taz die 280 Seiten nicht zur Verfügung stellen.
       Roewer will seine eigene Show.
       
       Mehr als 50 Journalisten sind am Donnerstagnachmittag ins Haus der
       Bundespressekonferenz in Berlin gekommen. Roewer – gestreiftes Hemd,
       schwarzer Sakko – legt seine Hände ruhig auf den Tisch und präsentiert sich
       als Mann, der sich nichts vorzuwerfen hat. Absolut nichts.
       
       Die Fehler sucht er bei anderen: Bei der Polizei („eins zu eins von der
       Volkspolizei übernommen“), die immer wieder seine guten Ansätze durchkreuzt
       habe. Und auch bei den Eltern der NSU-Mitglieder, die den Aufenthaltsort
       der Untergetauchten gekannt hätten, ihn aber nicht verrieten. Er sieht sich
       als Opfer einer politischen Intrige. Seine Suspendierung? Rein politisch
       motiviert. Man habe ihn weghaben wollen.
       
       Ganz wichtig, das betont Roewer mehrfach, seine Dienstzeit endete zu einem
       Zeitpunkt, da hatten die „mutmaßlichen Gangster aus Jena“, wie Roewer das
       NSU-Trio nennt, das Morden noch gar nicht begonnen.
       
       Viel relevantes Neues steht nicht in dem „politisch höchst brisanten Buch“
       (Verlegersprech). Roewer beschreibt anhand von Tagebuchaufzeichnungen, wie
       schwer es für ihn als Westler in Ostdeutschland war, „das sich von den
       westlichen Lebenswirklichkeiten diametrial unterschied“. Einmal war er bei
       einem „Mexikaner, den man angeblich gesehen haben muss. Jedenfalls vertrug
       ich das Essen dort nicht.“
       
       ## Plaudereien bei Kerzenschein
       
       Auch wenn Roewer das anders sieht, eines ist inzwischen klar: Er hatte
       seinen Laden nicht im Griff, es herrschte gelinde Chaos. Und der Chef war
       ein spezieller Zeitgenosse: Er fuhr mit dem Fahrrad den Flur entlang, lief
       oft barfuß, legte seine dreckigen Füße auf den Tisch. Ehemalige Mitarbeiter
       schilderten auch ein Dinner im Kerzenschein mit Damenbesuch, Wein und Käse.
       Inklusive Plaudereien über Dinge, die eigentlich geheim sind. Roewer sagt,
       das sei doch erfunden. Klar ist: Eine effektive Bekämpfung des
       Rechtsextremismus, die bliebt auf der Strecke.
       
       Überhaupt der Rechtsextremismus: Roewer veröffentlicht im Ares-Verlag, der
       zum Grazer Leopold-Stocker-Verlag gehört, einer Art Rechtsaußen-Vertretung
       der deutschsprachigen Verlagslandschaft. Laut Selbstdarstellung richtet
       sich der Verlag gegen „gepflegte Langeweile“ und will nicht die „immer
       gleichen Meinungen des medialen Mahlstroms“ wiederkäuen.
       
       Im Klartext heißt das: Stocker veröffentlicht Bücher von
       Geschichtsrevisionisten; das Programm reicht vom Rechtskonservatismus bis
       in den Rechtsextremismus hinein. Warum hat Roewer ausgerechnet dort
       veröffentlicht?
       
       Sein Agent habe ihm den Verlag empfohlen, antwortet er knapp. Ihn habe
       überzeugt, dass sein geschätzter Staatsrechtlehrer Ingo von Münch dort
       veröffentlicht habe. Und überhaupt: „Man sollte einen Autoren danach
       beurteilen, was er selber schreibt.“
       
       Roewer hat Erfahrung im Literaturgeschäft. Er hat schon mehrere Bücher
       geschrieben und er rezensiert auch selbst. Bei Amazon wirft er den Autoren
       eines Buches über den NSU „schlampige Recherche“ vor. Ein revisionistisches
       Werk lobt er als „interessante Lektüre“. Und Roewer war selbst einmal
       Verleger. Als Verfassungsschutz-Chef hat er einen Tarnverlag gegründet.
       Weil er so Staatsgeld auch in die eigene Tasche umgeleitet haben soll,
       wurde er 2003 wegen Untreue angeklagt. Das Verfahren wurde gegen
       Geldzahlung eingestellt. Ob aus dem Verlag auch Geld in die rechtsextreme
       Szene geflossen ist, will ein Journalist wissen. Roewer verneint vehement.
       „Das wäre ja abenteuerlich.“
       
       4 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Erb
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