# taz.de -- Paranoia in Niedersachsen: McAllister verspekuliert sich
       
       > Weil er laut Gerüchten SPD-Schattenjustizminister wird, stellt
       > Niedersachsens Landesregierung Befangenheitsantrag gegen einen Richter in
       > der Wulff-Affäre - um ihn später wieder zurückzuziehen.
       
 (IMG) Bild: Jörn Ipsen, Christian Wulff und Herwig van Nieuwland (l-r): 2006 friedlich vereint.
       
       HANNOVER taz | Niedersachsens schwarz-gelbe Landesregierung zeigt sich
       verwirrt wie selten: Am Freitagmorgen verkündete die Staatskanzlei von
       Ministerpräsident David McAllister (CDU), Befangenheitsantrag gegen den
       Vizepräsidenten des Staatsgerichtshofs, Herwig van Nieuwland, gestellt zu
       haben. Das Verfassungsgericht des Landes berät derzeit über eine Klage der
       SPD gegen die Informationspolitik der Landesregierung im Zuge der
       Wulff-Affäre. Nur Stunden später machte Staatskanzlei-Chefin Christine
       Harwighorst dann die Kehrtwende – und verkündete, man ziehe den Antrag
       wieder zurück.
       
       Tagelang hatten sich CDU und FDP zuvor über van Nieuwland, gerüchteweise
       möglicher Schattenjustizminister von SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil,
       entzürnt. Seit Wochen laufen die Spekulationen über das Schattenkabinett,
       das Weil bis Ende Oktober vorstellen will. Ein gutes Dutzend Namen wurde
       bislang gehandelt. Der Name van Nieuwland fiel eher am Rande: In zwei
       Zeitungsartikeln wird der Vizepräsident des Staatsgerichtshofs und
       Präsident des Lüneburger Oberverwaltungsgerichts als möglicher Anwärter für
       das Justizministerium genannt.
       
       Am Brodeln gehalten haben die Personalie van Nieuwland vor allem CDU und
       FDP selbst: Die Aussicht auf einen Ministerposten nach der Landtagswahl im
       Januar könne ihn im laufenden Verfahren gegen die Landesregierung
       beeinflussen, so der Verdacht. „Hinter der Neutralität eines Richters darf
       nicht das kleinste Fragezeichen stehen – die Person und das Amt nehmen
       sonst Schaden“, sagte CDU-Fraktionschef Björn Thümler. Ihren Gipfel fand
       die Empörung Freitagfrüh im offiziellen Befangenheitsantrag der
       Staatskanzlei.
       
       Und der sorgte umgehend für parteiübergreifende Kritik: Einen
       „beispiellosen Affront gegen die Justiz“ nannten die Landtagsgrünen das
       Vorgehen. SPD-Spitzenkandidat Weil bezeichnete den Antrag als
       „unerträglich“. Es sei ungeheuerlich, die Vertrauenswürdigkeit eines
       angesehenen Richters „auf Basis bloßer Spekulationen zu diskreditieren“,
       sagte er. Und räumte die Gerüchte indirekt aus: Er habe in den vergangenen
       Monaten keinen Kontakt zu Richtern des Staatsgerichtshofs gehabt.
       
       Für Staatskanzlei-Chefin Harwighorst war das der Anlass für den
       kurzfristigen Rückzieher. Weil warf sie zugleich vor, taktiert zu haben.
       Der hätte die Gerüchte „schnell ausräumen können“, ließ sie verlauten. Das
       Vorgehen der Staatskanzlei verteidigte sie: Befangenheitsanträge hätten
       schon beim Anschein der Befangenheit Erfolg. „Und der Anschein ist
       mindestens durch eine verdichtete Berichterstattung gegeben.“
       
       Beim Staatsgerichtshof wollte man sich nicht zum Richterstreit äußern. Eine
       Entscheidung über die Klage der SPD wird dort in Kürze erwartet. Die neun
       RichterInnen prüfen die Frage, ob die Landesregierung das Parlament im Zuge
       der Affäre um den einstigen Bundes- und Ministerpräsidenten Christian Wulff
       (CDU) falsch über Landesbeteiligungen an den Polit-Promi-Events
       Nord-Süd-Dialog aus Wulffs Regierungszeit informiert hat.
       
       Dass die Verfassungsrichter zugunsten der Landesregierung entscheiden
       könnten, war unterdessen schon bei der mündlichen Verhandlung im August die
       klare Tendenz: Fast die Hälfte der Verhandlung hatte der als CDU-nah
       geltende Staatsgerichtshofs-Präsident Jörn Ipsen allein die Frage
       diskutieren lassen, ob die SPD überhaupt rechtsschutzbedürftig ist.
       
       5 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Havlicek
       
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