# taz.de -- Steinbrücks Nebeneinkünfte: Der Durchsichtige
       
       > SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück hat seine Nebeneinkünfte offengelegt. Er
       > habe zwar 1,25 Millionen Euro verdient, sei aber von niemandem abhängig.
       
 (IMG) Bild: Metavortrag: Steinbrück trägt über Vorträge vor.
       
       BERLIN taz | Der SPD-Kanzlerkandidat in spe schaut grimmig. „Ich gehe damit
       weit über die bisher geltenden Transparenzregeln hinaus“, sagt Peer
       Steinbrück. Eigentlich liegt ihm, was er gerade tut: Vorneverteidigung.
       Steinbrück ist wegen seiner üppigen Honorare für Vorträge in die Kritik
       geraten, jetzt will er den Spieß umdrehen. Er hat einen Wirtschaftsprüfer
       beauftragt darzulegen, was er seit 2009 als Exfinanzminister für Vorträge
       bekommen hat.
       
       Die Summe ist beeindruckend: mehr als 1,2 Millionen Euro. Die Auftraggeber
       lesen sich wie das Who’s who der Finanzindustrie: J. P Morgan und die
       Deutsche Bank, Hypovereinsbank, Citigroup, Sal Oppenheim Bank und die
       Unternehmensberatung KPMG.
       
       Doch auch andere buchten diesen Redner: der Arbeitgeberverband der
       Chemieindustrie und eine Möbelfirma – für einen Vortrag in Bad Neuenahr „im
       Rahmen der Küchen-Kompetenz-Tage“. Das Standardhonorar betrug 15.000 Euro.
       
       Steinbrück selbst erklärt, er zähle damit unter den Politikern und
       Expolitikern keineswegs zu den Gutbezahlten, eher zum Mittelfeld. So möchte
       der SPD-Kanzlerkandidat diese Zahlen gedeutet wissen: Nichts Spektakuläres,
       eher Mittelfeld. Den Wirtschaftsprüfer bezahlt er privat.
       
       Weil Steinbrück nun alle Einkünfte aus Vorträgen seit 2009 auf Euro und
       Cent offenlegt – die Buchhonorare nicht, die gehen laut Steinbrück
       niemanden etwas an – zeigt er Selbstbewusstsein: „Ich möchte ein Beispiel
       geben, das konkurrierende Parteien im Bundestag aufnehmen sollten.“ Er
       fühlt sich persönlich angegriffen, schützt sich und schlägt zurück, das ist
       der Eindruck, der vermitteln werden soll. So ist am Dienstagmorgen im
       Willy-Brandt-Haus sehr viel von „ich“ die Rede. So wechselt er aus der
       Position des Angegriffenen, der so viel wie kein zweiter
       Bundestagsabgeordneter nebenher verdient hat, zur Angriffspose.
       
       ## „Ich habe es verschwitzt“
       
       „Ich habe mich immer an die Transparenzregeln gehalten“, behauptet der
       SPD-Kandidat. Das stimmt nicht so ganz. Ohne Anflug von Zerknirschung
       berichtet Steinbrück, dass die Wirtschaftsprüfer festgestellt haben, dass
       er zwei Honorare nicht ordnungsgemäß beim Bundestagspräsidenten gemeldet
       hat. Am 13. Oktober 2011 bekam er von der Kerkhoff Consulting 8.000 Euro,
       am 19. Oktober 2011 bekam er 15.000 Euro von der Südwestbank in Stuttgart.
       „Beide sind unverdächtig“ erklärt Steinbrück, was vermuten lässt, dass es
       auch verdächtige Auftraggeber gibt. Zur Erklärung des Versäumnisses
       erläutert er: „Ich habe es einfach verschwitzt.“
       
       Die Bild-Zeitung hatte den Bericht des Wirtschaftsprüfers vorab von der SPD
       erhalten und schon am Dienstag veröffentlicht. Das Blatt beschrieb
       Steinbrücks Nebenjobs recht wohlwollend. Die Nachricht, dass die zwei
       Vorträge im Oktober 2011 fehlten, ließ die Springer-Zeitung großherzig aus
       und berichtete dafür, dass der SPD-Mann einige Honorare an die
       Beratungsstelle pro familia und an einen Jazzclub gespendet habe.
       
       „Ich habe keine Abhängigkeiten bedient“, sagt Steinbrück. „Die
       Verdächtigungen“, dass er von den üppigen Honoraren beeinflussbar gewesen
       sein könnte, „sind absurd.“ Das ist der Kern seiner Verteidigung. Wer
       seinen Schilderungen folgt, muss sogar erkennen, dass das Gegenteil der
       Fall war.
       
       Demnach können wir uns den vortragsreisenden Exfinanzminister als einer Art
       SPD-Robin-Hood vorstellen, der von den Reichen nimmt und Bedürftigen
       (gelegentlich) gibt. „Ich habe der Finanzindustrie die Leviten gelesen“, so
       Steinbrück vollmundig. Es sei geradezu seine politische Pflicht, Milieus,
       „die der SPD nicht nahestehen“, mit der sozialdemokratischen Ideenwelt
       vertraut zu machen. Und das kann niemand so gut wie Peer Steinbrück, dem
       die Gabe der Rhetorik überreich verliehen ward.
       
       ## „Ich war auch arbeitslos“
       
       Damit erledigt sich der zweite Vorwurf wie von selbst – nämlich dass der
       SPD-Abgeordnete aus Mettmann seine Parlamentspflichten allzu lässig nahm.
       2009 und 2010 fehlte er bei sieben namentlichen Abstimmungen im Bundestag.
       Dies trug ihm Gerüchten zufolge einen Ermahnung von Bundestagspräsident
       Norbert Lammert (CDU) ein. Doch Steinbrück weiß: „Abwesenheit im Bundestag
       sagt nichts über politische Präsenz aus.“
       
       Allerdings gibt es eine offene Flanke in dieser Transparenz-Offensive, die
       der SPD-Kanzlerkandidaten nicht schließen kann. Parteichef Sigmar Gabriel
       hatte vorneweg vorsichtshalber schon mal erklärt, dass kein Sozialdemokrat
       wegen der gutdotierten Nebenjobs des Exfinanzministers „die Stirn runzeln
       wird“. Der SPD-Linke Ralf Stegner widersprach: Die GenossInnen würden die
       Summe von 1,2 Millionen Euro aus Nebenjobs „immer skeptisch sehen“.
       
       Auf die Nachfrage, ob die Nebenjobs seine Chancen, Kanzlerzu werden,
       schmälern, reagiert der Kandidat im Berliner Willy-Brandt-Haus dünnhäutig.
       „Ich war auch arbeitslos und kenne Zeiten, in denen ich sehr wenig Geld
       verdient habe“ erklärt er recht barsch. Im Übrigen versteht er überhaupt
       nicht, warum „ein Sozialdemokrat bei seinen Verdienstmöglichkeiten anders
       behandelt wird als andere.“ Unterhaltungskünstler verdienten doch auch
       viel. Das ist ein Problem – nicht des Abgeordneten, sondern des
       Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück.
       
       30 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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