# taz.de -- Kulturpolitik in Berlin: Auf den Staubsauger gekommen
       
       > Berlins Kulturstaatssekretär hat die Kunstszene zum großen Ratschlag
       > aufgerufen. Sein Vorbild: ausgerechnet die Kommune 2.
       
 (IMG) Bild: Ein Mann für große Prestigeprojekte: Klaus Wowereit.
       
       Wer in fortschrittlichen Kreisen den Namen „K2“ hört, bekommt in der Regel
       heute noch leuchtende Augen. Die Wohngemeinschaft in Berlin-Charlottenburg,
       die sich 1967 gründete, gilt als Keimzelle der Außerparlamentarischen
       Opposition. Bis heute schwärmen viele von deren Versuch, kollektives Leben
       und politische Arbeit zu verbinden.
       
       Ausgerechnet diese Legende soll nun zum Fixstern der Berliner Kunstpolitik
       werden. Jedenfalls, wenn es nach dem Willen des Senats geht. Exakt unter
       diesem Label hat nämlich André Schmitz, der SPD-Kulturstaatssekretär
       Berlins, zu einem großen Ratschlag über dieselbe aufgerufen. Am Wochenende
       des 15. und 16. November hat er 80 Berliner Künstler, Kritiker,
       Wissenschaftler und Museumsfachleute in ein stadteigenes Palais geladen.
       
       Grund genug dafür hat der Mann. Denn in der Kunstpolitik an der Spree liegt
       einiges im Argen. Berlin gilt als die Kunstmetropole weltweit. Die Stadt
       aber gibt mit 4 Millionen Euro nur einen grotesk kleinen Bruchteil des 420
       Millionen Euro schweren Kulturhaushaltes für die Bildende Kunst aus. Viele
       Kulturakteure kreiden dem SPD-geführten Senat seinen Hang zu Prestigeevents
       an. Sie wünschen sich nachhaltige Substanzpflege.
       
       Aus Protest gegen die Idee des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit,
       eine Kunsthalle einzurichten, und gegen die missglückte „Based in
       Berlin“-Schau bildete sich 2010 die „Haben und Brauchen“- Koalition
       Berliner Kulturschaffender. Sie forderte mehr Geld für die bestehenden
       Institutionen, billige Ateliers und Wohnraum für Künstler und eine andere
       Liegenschaftspolitik für eine Stadt, in der die Gentrifizierung rapide
       voranschreitet.
       
       ## Schock der Rebellion
       
       Der „Schock“ dieser offenen Rebellion sitzt der Berliner Kulturpolitik
       offenbar noch tief in den Knochen. Wie sehr man nun um Schadensbegrenzung
       und Prophylaxe bemüht ist, lässt sich an dem Satz in der Einladung ablesen,
       der Senat wolle seine Kunstpolitik mit dem K2-Gipfel „auf eine breitere
       Akzeptanzbasis“ stellen.
       
       „Leitbilder einer neuen Kulturpolitik“ im Dialog mit den Betroffenen zu
       entwickeln – das könnte durchaus ein paradigmatischer Politikansatz sein.
       Sein Schönheitsfehler: Für das Projekt hat der Kultursenat den seit Monaten
       dümpelnden Dialog mit den „Haben und Brauchen“-Aktivisten einseitig auf Eis
       gelegt. Stattdessen darf Berlins Zentrale Intelligenz Agentur (ZIA) ihm nun
       für geschätzte 50.000 Euro ein schickes Partizipationstool entwickeln.
       
       Das Konzept des „sozialistisch-kapitalischen Joint Ventures“ ZIA, zu dem
       die Autoren Holm Friebe, Sascha Lobo und Kathrin Passig gehören, zielt
       durchaus auf den Kern der Probleme. In acht Arbeitsgruppen sollen die
       K2-Kommunarden nicht nur nörgeln, sondern ein Zukunftsszenario entwickeln:
       „Wie sieht das Kunstjahr in fünf Jahren aus?“, „Welchen Beitrag leistet die
       Kunst für die Stadtentwicklung?“ oder „Was tut Berlin in fünf Jahren für
       die Künstlerförderung?“ lauten drei der acht Leitfragen. Acht unabhängige
       „Sherpas“, darunter auch Journalisten, sollen die Kommunarden durch das
       Gipfeldickicht lotsen.
       
       ## Unentgeltlicher Hausaufgabenservice
       
       Das „Experiment“, mit dem André Schmitz lockt, ist das Treffen nur bedingt.
       Bei dem „partizipativen Dialog“ sollen nur die Gäste diskutieren. Während
       ein stummer Staatssekretär als vorgeschobener „Beobachter“ der Exekutive
       durch das Kulturhaus Podewil in Berlin-Mitte streift. Die
       sozialdemokratische Kulturpolitik, einst ein Markenzeichen der Partei, ist
       hier quasi auf den Staubsauger gekommen. So wie Schmitz seine Hausaufgaben
       durch die freie Szene erledigen lässt und deren Ideen einsammelt –
       unentgeltlich, versteht sich. „Berlin muss sparen“, begründete die ZIA die
       pekuniäre Enthaltsamkeit.
       
       Mit dem Thesenpapier, das am Ende der Konferenz entstehen soll, geht Klaus
       Wowereits kulturpolitischer Majordomus dann über die Straße ins Rote
       Rathaus. Ob es dann jemals politische Realität werden wird, steht aber in
       den Sternen. Nun grübelt die Szene über der Gretchenfrage: Sollen Kunst,
       Kritik und Politik wirklich zwei Tage lang die ganz große Verbrüderung
       proben? Vielleicht schreckt sie bei der Idee von der ganz großen
       Kunstkoalition, die dabei geschmiedet werden soll, auch das Schicksal der
       alten K2. Die hielt bekanntlich nur ein Jahr.
       
       31 Oct 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arend
       
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