# taz.de -- Wie Rot-Schwarz regiert: Alles wird platt gemacht
       
       > Vor der großen Koalition, heißt es in der SPD, müsse sich in Berlin
       > keiner fürchten. In Mitte aber beweist Rot-Schwarz das Gegenteil: SPD und
       > CDU regieren knallhart durch.
       
 (IMG) Bild: Hier hats geknallt!
       
       Als der Sparkassenangestellte Carsten Spallek (CDU) als Superstadtrat in
       Mitte vereidigt wurde, war noch Zeit für sanfte Töne. Er wolle sein
       künftiges Großressort nutzen, „um etwa die Bürgerbeteiligung bei
       Bauvorhaben zu verbessern“, kündigte Spallek, nunmehr Stadtrat Bauen,
       Wirtschaft und Ordnung, an.
       
       Das war im Oktober 2011, kurz nach seiner Wahl. Sieben Monate später wirft
       Klaus Lederer, Landeschef der Linken, SPD und CDU in Mitte vor, durch einen
       „Beton-Coup“ die Bürgerbeteiligung zur „Farce“ zu degradieren. Rot-Schwarz
       ist wieder Feindbild. Zumindest in Mitte, dem Berliner Regierungsbezirk.
       
       Der Beton-Coup, den Lederer bei der großen Bezirkskoalition ausgemacht hat,
       ist schnell erzählt: Eigentlich hatte sich die
       Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte auf einen Kompromiss zur lange
       umstrittenen Bebauung am Mauerpark geeinigt. Mehr Park, weniger Wohnungen,
       der Senat kauft einige Flächen – das waren die Eckpunkte einer
       Vereinbarung, der die BVV am 31. März zugestimmt hatte.
       
       ## BVV-Beschluss gekippt
       
       Doch was ist schon ein Kompromiss in der BVV, wenn sich SPD und CDU einig
       sind, mag sich der neue Superstadtrat gedacht haben. Gemeinsam mit
       SPD-Bürgermeister Christian Hanke kippte Spallek die Vereinbarung. Nun
       verhandelt er eigenmächtig mit der CA-Immo, dem privaten Grundstückseigner
       im Mauerpark. 600 Wohnungen mit 58.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche
       soll das Unternehmen nördlich der Gleimstraße bauen dürfen. Die Folge ist
       eine deutlich dichtere Bebauung. Vom Flächenkauf ist keine Rede mehr. Auch
       die BVV soll nicht mehr gefragt werden. „So etwas habe ich noch nie
       erlebt“, sagt Frank Bertermann, der seit 20 Jahren die grüne Fraktion in
       der BVV anführt.
       
       Bertermann hätte selbst gerne in Mitte regiert. Für die Wahl im September
       waren die Grünen mit der Frontfrau Andrea Fischer angetreten. Die ehemalige
       Bundesgesundheitsministerin sollte den Rathausstuhl im Hauptstadtbezirk
       erobern und ein grünes Signal an den Bund senden. Eine Zählgemeinschaft mit
       der CDU hatten die Grünen bereits ausgehandelt. Doch kurz vor der
       Unterschrift intervenierte der CDU-Landeschef. Man möge sich das mit den
       Grünen noch einmal überlegen, so der Ratschlag von Frank Henkel, der
       seinerseits eine Koalition mit der SPD auf Landesebene eingegangen war. „Da
       hieß es, redet doch wenigstens mal mit denen“, gab später Torsten Reschke,
       der Fraktionschef der Mitte-CDU zu. Reschke also redete mit der SPD, mit
       der seine Partei jahrelang im Clinch gelegen hatte – erfolgreich: Die SPD
       gestand den Christdemokraten alles zu, nur um erneut den
       Bürgermeisterposten zu besetzen. Hauptsache an der Macht: Das ist der
       Grundkonsens von Rot-Schwarz in Mitte.
       
       Eva Högl wundert sich noch heute. „Ich konnte es am Anfang gar nicht
       glauben“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete, die in Mitte ein Direktmandat
       errungen hat. Seit Langem bekämpft Högl die sogenannte Extremistenklausel
       von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU).
       
       Mit Erfolg: 2012 erklärte das Dresdner Verwaltungsgericht die Klausel,
       derzufolge nur Initiativen gefördert werden sollen, die sich zur
       freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, für rechtswidrig.
       
       Zuvor aber hatte ihr eigener Kreisverband mit der CDU die Einführung eben
       jener Klausel auf Bezirksebene vereinbart. Högl hofft nun, dass die Klausel
       nach dem Dresdner Urteil „im Eisschrank bleibt“. Über die Koalition in
       Mitte sagt sie: „Das ruckelt sich zurecht, aber es gibt natürlich auch
       kritische Punkte.“
       
       Ein anderes Projekt hat Rot-Schwarz inzwischen umgesetzt. Seit diesem
       Sommer herrscht im Tiergarten Grillverbot. „Eine populistische
       Entscheidung“ hatte der Türkische Bund Berlin Brandenburg das Verbot
       genannt, das die BVV Mitte November mit den Stimmen von SPD und CDU
       beschlossen hatte. Auch das war Teil des Gesamtpakets, das Rot-Schwarz in
       Mitte in seiner Zählgemeinschaft vereinbart hatte. Als Grund hatte Spallek,
       damals als Stadtrat für das Ordungsamt zuständig, die hohen
       Reinigungskosten von 300.000 Euro im Jahr genannt.
       
       Acht Monate später fällt die Bilanz zwiespältig aus. Tatsächlich haben sich
       die Griller im Tiergarten verzogen. „Da wird jetzt wieder Yoga und Tai-Chi
       gemacht“, freut sich Harald Büttner, der Leiter des Grünflächenamtes. „Doch
       die Karawane ist nur weitergezogen“, hat Frank Bertermann von den Grünen
       beobachtet. In den Monbijoupark zum Beispiel oder den Schlesischen Busch.
       
       Eigentlich will Sven Dietrich über solche Details nicht mehr reden. Der
       Fraktionsvorsitzende der Linken, der seit 1995 in der BVV sitzt, hat von
       Rot-Schwarz die Nase gestrichen voll. Oder besser von der „politischen
       Kultur“, die die Bezirksvariante von Wowereit-Henkel ins Rathaus Mitte
       gebracht habe. „Bis zum Herbst war es in Mitte üblich, für jedes Vorhaben
       Mehrheiten zu suchen“, teilt Dietrich die jüngere Geschichte von
       Berlin-Mitte in ein „Vorher“ und ein „Nachher“. „Nun haben wir eine vom
       Senat durchgesetzte Koalition in Mitte, die knallhart von oben nach unten
       regiert.“ Sein Frust sitzt tief. „So kann man keine Kommunalpolitik machen.
       Da kann man die Bezirke auch gleich abschaffen.“
       
       Ganz so grundsätzlich will Bertermann nicht werden – auch wenn er
       inzwischen froh ist, dass es mit Grün-Schwarz nichts geworden ist. Denn
       auch dann wäre Carsten Spallek Stadtrat geworden. „Wenn ich nichts tue,
       mache ich nichts falsch“, umschreibt Bertermann die bisherige Bilanz des
       Superstadtrats. „Ein Sparkassenmitarbeiter bleibt eben auch im Bezirksamt
       ein Sparkassenmitarbeiter.“
       
       Seinen vorerst letzten Auftritt hatte Spallek vergangene Woche in der
       Moabiter Calvinstraße. Weil der Eigentümer des Mietshauses, ein Schwabe,
       die Mieter terrorisiert, hat der Mieterverein zu einer Pressekonferenz
       geladen. Die brachte schier unglaubliches zutage: Mal wurde einer Mieterin
       eine Mauer vors Fenster gebaut, mal der Aufzug stillgelegt. Spallek ficht
       das alles nicht an. Trotz zahlreicher Briefe der Betroffenen stellt er sich
       tot. Einer Mieterin habe er sogar gesagt, sie solle sich nicht querstellen,
       dann habe sie vom Eigentümer nichts zu befürchten. „So ist er“, sagt
       Bertermann. „Von Bürgerbeteiligung hat er schon lange nicht mehr
       gesprochen.“
       
       5 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Klaus Wowereit
       
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