# taz.de -- Chauffeur-Ausbeutung am Bundestag: Teure Karren, billige Fahrer
       
       > Bundestagsabgeordnete nutzen teure Limousinen. Doch deren Fahrer müssen
       > ihr Einkommen häufig mit Nebenjobs oder Sozialleistungen ergänzen.
       
 (IMG) Bild: „Dieses hohen Hauses unwürdig“: Manche Fahrer sind auf 400-Euro-Basis angestellt.
       
       BERLIN taz | Direkter könnte der Kontakt der Chauffeure zu ihren
       Volksvertretern im Bundestag kaum sein. In den Sitzungswochen steigen die
       Abgeordneten täglich in die schwarzen Nobelkarossen, um sich von den
       Fahrern von Termin zu Termin kutschieren zu lassen.
       
       Vor prekärer Beschäftigung schützt sie der direkte Kontakt jedoch nicht,
       klagt der SPD-Abgeordnete Steffen Lemme. „Unhaltbare Zustände“ herrschten
       bei den Arbeitsverhältnissen des Bundestags. Viele der Fahrer müssten ihre
       geringen Verdienste durch Nebenjobs oder Sozialleistungen aufstocken.
       
       Der Bundestag beschäftigt nur gut dreißig der Fahrer selbst. Der Großteil
       ist bei einem von der Bundestagsverwaltung beauftragten externen
       Dienstleister angestellt. Über hundert Fahrer des Berliner Unternehmens
       RocVin stehen bei Bedarf mit Limousinen für den kostenlosen Service bereit.
       
       Zwar zahlt RocVin seinen Angestellten nach Informationen von Ver.di
       Stundenlöhne von mindestens 8,50 Euro. Dennoch wirft ihm die Gewerkschaft
       „arbeitnehmerunfreundliches Verhalten“ vor. Demnach arbeiten die meisten
       Angestellten als Teilzeitkräfte und hätten befristete Verträge. Viele
       sollen zudem geringfügig Beschäftigte auf 400-Euro-Basis sein.
       
       Wehren will sich Ver.di auch dagegen, dass RocVin versucht, einigen
       Teilzeitkräften die Arbeitszeit zu kürzen. Für die Fahrer bedeute das
       Lohneinbußen von bis zu 230 Euro im Monat. RocVin-Geschäftsführer Torsten
       Diehl äußerte sich zu den Vorwürfen auf Anfrage der taz nicht.
       
       ## Keine sozialen Kriterien
       
       „Das ist dieses hohen Hauses unwürdig“, meint der Bundestagsabgeordnete
       Lemme. Es sei unerklärlich, warum im Bundestag keine festen
       Anstellungsverhältnisse herrschten. Das Problem betreffe zudem nicht nur
       die Fahrer, sondern setze sich in anderen Bereichen fort, beim
       Sicherheitspersonal oder den Kantinenangestellten etwa.
       
       Im Ältestenrat des Bundestags, der mit der Sache befasst ist, teilen nicht
       alle die Kritik Lemmes. Es gebe durchaus Fahrer, die genau solche
       Arbeitsverhältnisse suchten und kein Interesse an einer
       Vollzeitbeschäftigung hätten, meint Ratsmitglied Manfred Grund (CDU). In
       der vergangenen Woche machte der Ältestenrat den Weg frei für die jetzt
       anstehende Neuausschreibung des Auftrags.
       
       Eine Verankerung sozialer Kriterien, die Steffen Lemme durchsetzen wollte,
       wurde dabei nicht beschlossen. Ginge es nach ihm, würden in der
       Ausschreibung Auflagen wie ein Mindestlohn, eine Mindestanzahl von
       Arbeitsstunden oder die ausschließliche Beschäftigung von Festangestellten
       festgeschrieben. Würde RocVin diese Kriterien nicht erfüllen, ginge der
       Vertrag an ein anderes Unternehmen. Umstritten ist jedoch, ob solche
       sozialpolitischen Vorgaben bei öffentlichen Ausschreibungen rechtlich
       durchsetzbar wären.
       
       Ver.di versucht unterdessen, den vermeintlich prekären Verhältnissen auf
       andere Weise ein Ende zu bereiten und mit RocVin einen Tarifvertrag
       auszuhandeln. Doch nach ersten gemeinsamen Gesprächen zweifelt die
       Gewerkschaft am „ernsthaften Verhandlungswillen“ von Geschäftsführer Diehl.
       Dieser wies gegenüber Ver.di den Vorwurf zurück, er sei an einem
       Tarifvertrag für seine Angestellten nicht interessiert. Die Verhandlungen
       hat er wegen des Streits vorerst ausgesetzt.
       
       7 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
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