# taz.de -- Grundrechte in kirchlichen Einrichtungen: Diskriminieren mit Gottes Segen
       
       > Wer in kirchlichen Einrichtungen arbeitet muss auf Grundrechte wie
       > Religionsfreiheit verzichten. Eine neue Studie kritisiert, dass die
       > Politik nicht eingreift.
       
 (IMG) Bild: Wer nicht christlich genug ist, kann unter Umständen die Stelle bei Kircheneinrichtungen vergessen.
       
       KÖLN taz | Der Fall erregte überregional Aufsehen: Wegen „Verletzung der
       Loyalitätspflicht“ feuerte die katholische Kirche Anfang des Jahres die
       Leiterin eines von ihr mit staatlichen Mitteln betriebenen Kindergartens im
       rheinischen Königswinter. Das „Vergehen“ der 47-Jährigen: Sie hatte sich
       von ihrem Ehemann getrennt und einen neuen Lebensgefährten gefunden. Der
       Kirchenvorstand begründete die Entscheidung so: „Ihr Einzug bei ihrem neuen
       Partner ist ein öffentliches Ärgernis.“
       
       Überkommene Moralvorstellungen als Beschäftigungskriterium? Bei den beiden
       großen christlichen Kirchen ist das üblich, wie eine am Freitag
       veröffentlichte Studie belegt. In ihrer 79-seitigen Untersuchung
       beschäftigt sich die Berliner Diplompolitologin Corinna Gekeler anhand
       zahlreicher Einzelfälle mit Auswirkungen kirchlicher Sonderrechte. „Die
       Kirchen setzen sich über die Menschenrechte auf Glaubens- und
       Gewissensfreiheit und auf Privatleben hinweg“, bilanziert Gekeler. „Und die
       Politik schaut zu, statt die Beschäftigten vor Diskriminierung zu
       schützen.“
       
       Nach dem öffentlichen Dienst sind die katholische und die evangelische
       Kirche zusammen der zweitgrößte Arbeitgeber in der Bundesrepublik. Rund 1,3
       Millionen Menschen arbeiten bei kirchlichen Trägern wie Caritas oder
       Diakonie. Kirchliche Einrichtungen bestimmen weite Teile des Ausbildungs-
       und Arbeitsmarkts im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich. Doch wer in
       kirchlichen Sozialeinrichtungen beschäftigt sein will, muss nicht nur auf
       das Recht auf Religionsfreiheit verzichten, sondern auch das Privatleben
       nach den Vorstellungen der Kirche ausrichten.
       
       Da kann es auch schon mal passieren, dass eine Angehörige der
       Religionsgemeinschaft der Sikh zwar als 1-Euro-Jobberin in einem
       evangelischen Kindergarten in Stade putzen darf – nicht jedoch als
       Festangestellte. Denn für die würden andere Maßstäbe gelten: „Wie andere
       Unternehmen auch“, wolle die Kirche, „dass alle Mitarbeitenden unserer
       Einrichtungen die Ziele und den Auftrag unseres Unternehmens vertreten“,
       erläuterte Oberlandeskirchenrat Christoph Künkel, Abteilungsleiter Diakonie
       der Landeskirche Hannover, dem ARD-Politmagazin „Panorama“.
       
       ## Verstoß gegen die Gleichbehandlung
       
       Allerdings könnten es sich andere Unternehmen gar nicht leisten, eine
       Arbeitnehmerin wegen ihrer Religionszugehörigkeit abzulehnen. Denn das wäre
       ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dessen Ziel
       es ist, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen
       Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer
       Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu
       beseitigen“.
       
       Doch für Religionsgemeinschaften gilt das AGG ebenso wenig wie das
       Betriebsverfassungsgesetz, weswegen es in kirchlichen Einrichtungen auch
       keine Betriebsräte und kein Streikrecht gibt. Diese Sonderrechte müssten
       endlich abgeschafft werden, fordert der Internationale Bund der
       Konfessionslosen und Atheisten (IBKA). In Königswinter entzog nach heftigen
       Elternprotesten die Stadt übrigens der katholischen Kirche die Trägerschaft
       für den Kindergarten. Die gekündigte Kindergartenleiterin blieb hingegen
       auf ihrem Posten.
       
       9 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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